Gesundheitliche Chancengleichheit für alle
Wie kann es der Landkreis Miltenberg schaffen, allen Menschen gleichberechtige Teilhabe am Leben zu ermöglichen – speziell beim Thema „Gesundheit“? Mit dieser Frage haben sich am Mittwoch 40 Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit dem Moderator der Veranstaltung Professor Gunter Adams von der Evangelischen Kinder-, Jugend- und Familienhilfe in Würzburg bei einer Fachtagung der Gesundheitsregion plus beschäftigt.
Einen Nachmittag lang nahmen drei Arbeitsgruppen in der Berufsfachschule für Altenpflege in Erlenbach die Situation im Landkreis unter die Lupe, listeten Lücken auf und suchten nach Möglichkeiten, wie man die Chancengleichheit für Kinder/Jugendliche, junge Erwachsene und Familien mit kleinen Kindern sowie Erwachsene und Senioren herstellen kann. Das Thema „Gesundheitliche Chancengleichheit“ sei in der Gesundheitsregion plus priorisiert worden, erklärte Landrat Jens Marco Scherf. Die Akteure dieser Tagung hätten den erforderlichen Sachverstand und die Fachkenntnisse, um das Thema erfolgreich zu behandeln. Der Landrat kündigte an, dass sich die Arbeitsgruppe „Gesundheitsförderung und Prävention“ innerhalb der Gesundheitsregion plus nach der Tagung mit der weiteren Bearbeitung befassen und die Ergebnisse der Fachtagung einfließen lassen werde. Moderiert wurden die drei angebotenen Workshops von Stefan Adams und Iris Neppl vom Kreisjugendamt und Werner Schmitt aus Mömlingen.
Für den Workshop „Kinder und Jugendliche im Schulalter“ stellte Stefan Adams fest, dass es eigentlich genügende Angebote gebe. Es gelte aber, die Eltern für die Inanspruchnahme der Angebote zu motivieren. Gesünderes Essen in Mensen und Kantinen, mehr Sportangebote in den Ganztags- und Grundschulen, mehr Zeit für Ehrenamtliche – dies seien nur einige wünschenswerte Verbesserungen. Die Gruppe forderte die Eltern auf, sich gegen bequeme Lösungen zu stellen: Selbst kochen anstatt Fertigmahlzeiten aufzuwärmen, dem Kind ein Pausenbrot mitgeben statt Geld für den Einkauf im Schulkiosk. Es sei nötig, die Eltern frühzeitig und permanent in dieser Hinsicht zu bilden, formulierte Adams. Es sei gar nicht abwegig, die Kinder in den Schulen so zu bilden, dass diese ihre Eltern fordern und „erziehen“. Die Krankenkassen sollten stärker in die Schulen mit Präventionsangeboten gehen. Auch müsse man eine Lösung finden, um den massiven Anstieg von psychisch auffälligen Kindern zu bremsen.
Stephan Schreitz von der AWO-Beratungsstelle in Miltenberg zeigte sich für die Gruppe „Junge Erwachsene und Familien mit kleinen Kindern“ erstaunt über die vielfältigen Angebote im Landkreis, was etwa Sport, Ernährung und Beratung betrifft. Seine Gruppe regte an, Angebote nicht zeitlich zu begrenzen (Förderprojekte) und dauerhaft ausreichend Geld bereit zu stellen. Denn, so Schreitz: „Prävention ist besser als Nachsorge.“ Zudem gebe es Doppelstrukturen, da manche Anbieter von anderen Angeboten nicht wüssten. Die Kommunikation unter den Trägern gelte es deshalb zu verbessern, sagte er weiter. Die Barrierefreiheit müsse auch die häufig verwendete Fachsprache betreffen, fand er und forderte dazu auf, eine leicht verständliche Sprache zu nutzen. Angeraten sei es auch, für Ärzte Sprachvermittler bereitzustellen. Alle Anbieter müssten sich darüber hinaus auch als Lotsen verstehen und in der Lage sein, dem Ratsuchenden zu sagen, wo er welche Angebote finden kann.
Christina Jung (Fachstelle Altenhilfeplanung und Seniorenarbeit im Landratsamt), deren Gruppe sich mit der Chancengleichheit für Ältere befasst hatte, listete eine Vielzahl bestehender Angebote auf. Jeder Bürger und jede Bürgerin müsse wissen, welche Ansprüche er oder sie hat und wie man diese auch umsetzen kann, sagte sie. Große Bedeutung komme der Vernetzung der verschiedenen Anbieter zu. Als einen Lösungsansatz zur Erlangung der Chancengleichheit nannte Jung die Beseitigung von Sprachbarrieren von älteren Migrantinnen und Migranten. Dazu gehört unter anderem die Erstellung von Broschüren in diversen Landessprachen, ebenso eine kultursensible Altenhilfe. Nach wie vor von großer Bedeutung sei die haus- und fachärztliche Versorgung, aber auch die Heilmittelversorgung. Dazu seien wohnortnahe Angebote notwendig, sagte Jung. Auch wäre es sinnvoll, Bauherren eine verpflichtende Beratung in Sachen Barrierefreiheit im Haus aufzuerlegen.
Am Ende eines informativen und arbeitsreichen Nachmittags dankte Landrat Jens Marco Scherf allen Mitwirkenden. „Sie haben viel Struktur in das Thema gebracht“, lobte er und prognostizierte „Arbeit für mehrere Sitzungen.“ Mit den Ergebnissen sei die Grundlage für einen intensiven Prozess gelegt, sagte Scherf. Wer sich einbringen möchte, könne sich an Lena Ullrich und Uwe Eisner (Gesundheitsregion plus) wenden. Scherf unterzeichnete danach mit Iris Grimm (Koordinierungsstelle Gesundheitliche Chancengleichheit am Bayerischen Zentrum für Prävention und Gesundheitsförderung) eine Partnerschaftsvereinbarung. Darin ist festgelegt, dass Gesundheitsregion plus und Kooperationsverbund Gesundheitliche Chancengleichheit aktiv zusammenarbeiten. Die Gesundheitsregion erklärt sich unter anderem bereit, integrierte Strategien zur Gesundheitsförderung bei sozial benachteiligten Gruppen zu entwickeln und auszubauen. Die Erfahrungen sollen über die Internetseite www.inforo.online ausgetauscht werden. Der Kooperationsverbund seinerseits bietet der Gesundheitsregion seine bundesweite Netzstruktur als fachlichen Rahmen und stellt ein innovatives, bedarfsgerechtes Onlineangebot bereit.
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