Handwerk stärken
Wie findet das Handwerk Auszubildende? 2. "Forum für das Handwerk" fand im News Verlag statt
„Ich fand das heutige Handwerkerforum fantastisch, eine ganz tolle Veranstaltung, weil es deutlich wurde, dass das Handwerk unheimlich viele Stärken hat. Sowohl für die Gesellschaft insgesamt als auch für jeden Einzelnen, gerade auch für junge Menschen, um sich in der Ausbildung zu verwirklichen.“ Dieses begeisterte Fazit zog Landrat Jens Marco Scherf am Ende des 2. Forums für das Handwerk, das am 8. Februar im News Verlag stattfand.
Wie überzeugt man junge Menschen und ihr Umfeld davon, einen Handwerksberuf zu ergreifen?
Um den Handwerkerinnen und Handwerkern einen konstruktiven Austausch mit Akteuren aus Schule und Politik anzubieten, hatten News-Produktmanager Manfred Scheurich und Redaktionsleiterin Sabine Rindsfüsser drei Referentinnen sowie Landrat Jens Marco Scherf eingeladen. Rund 20 Verantwortliche aus dem Handwerk lauschten den Vorträgen und diskutierten mit. Das Ziel: Gemeinsam praktische Lösungen zu finden, um Schülerinnen und Schüler sowie Studienabbrecher für das Handwerk zu gewinnen.
Moderator Bernd Hoffmann, Verkaufsleiter im News Verlag, gab ein kurzes Resümee der ersten Forums-Veranstaltung vom 25. Oktober. Das dringendste Problem der Betriebe sei der Mangel an Auszubildenden und Fachkräften sowie ein allgemeines Imageproblem, was u. a. dazu führt, dass Eltern ihren Kindern von einer handwerklichen Ausbildung abraten. Nach wie vor wird ein Studium in punkto Karriereaussichten besser bewertet. Was können die Betriebe also unternehmen, um für ein Umdenken zu sorgen?
Großes Interesse an Austausch
News-Verlag-Geschäftsführer Charles Henri Rüttiger freute sich in seiner Anrede über den regen Zuspruch zur 2. Forums-Veranstaltung. Schon immer sei es ein Anliegen des Medienhauses, den Wert eines funktionierenden regionalen Wirtschaftskreislaufes zu vermitteln und die Betriebe zu stärken. Man sei Partner des Handwerks und wolle mit diesem Forum einen konstruktiven Austausch ermöglichen. Er dankte allen Beteiligten, dass sie sich die Zeit genommen hätten, und stellte die Referentinnen Claudia Glas und Silke Waterstrat (beide Handwerkskammer), Kerstin Hoffmann (Konrektorin der Parzival-Mittelschule Amorbach) sowie Landrat Jens Marco Scherf vor. Unter den Gästen begrüßte er namentlich die Kreishandwerksmeisterin Monique Haas, den Obermeister der Innung Metallbau und Feinwerktechnik Mathias Kress, Andrea Faggiano als Vorstandsmitglied der Handwerkskammer für Unterfranken und als Vertreter des Landeselternverbandes der Realschulen sowie Schulamtsdirektor Harald Frankenberger.
„Geben Sie den jungen Menschen ein Gefühl der Zugehörigkeit!“
Claudia Glas von der Handwerkskammer für Unterfranken in Aschaffenburg ist zuständig für die „Passgenaue Besetzung“, gefördert durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWI) und den Europäischen Sozialfonds der Europäischen Union. Ihr Ziel ist es, interessierte Jugendliche mit den Handwerkern zusammenzubringen, bestenfalls ergibt sich ein Ausbildungsverhältnis. Dazu besucht sie Ausbildungsbetriebe, spricht individuell mit Schülerinnen und Schülern, hört sich deren Berufswünsche an und vermittelt den Kontakt zu bei ihr gelisteten Betrieben. Frau Glas erläuterte die Stolpersteine im Umgang mit der Generation Z (Geburt von 1997–2012, auch Post Millennials genannt, Anm. d. Red.): Diese Generation sei mit dem Handy aufgewachsen und werde pausenlos mit Infos zu extremen Lebensentwürfen und Influencer-Karrieren bombardiert. „Wenig informiert sind sie stattdessen über den ,normalen Weg‘ Schule, Ausbildung, Beruf.“ Es herrsche eine große Verunsicherung. Sie riet den Betrieben: „Geben Sie den Jugendlichen von Anfang an einen festen Platz, nehmen Sie sie auf, geben Sie ihnen Stabilität, so dass sie sich zugehörig fühlen, dann brechen diese die Ausbildung weniger häufig ab." Das belegten auch Statistiken. Ein weiteres Phänomen sei, dass die Generation nicht mehr auf etwas warten könne. Auch die unmittelbare Bewertung in den sozialen Netzwerken per „Daumen hoch oder runter“ trage dazu bei. Ihr Praxis-Tipp für die Ausbilder: „Direkt loben, wenn etwas gut läuft, nicht lange mit dem Feedback warten oder ankündigen, dass man am Ende der Praktikumswoche ein Gespräch führt.“
All das führt zu einer Erkenntnis, die nicht jedem schmecken wird: Will man Auszubildende für das Handwerk gewinnen, müssen die Betriebe sich auf die jungen Leute einlassen und "alte Zöpfe abschneiden".
Tag des Handwerks soll Begeisterung für Handwerksberufe wecken
Silke Waterstrat von der Handwerkskammer Würzburg ist Projektkoordinatorin für den „Tag des Handwerks“, den die Bayerische Staatsregierung seit diesem Schuljahr an allen weiterführenden allgemeinbildenden Schulen in Bayern eingeführt hat. Sie stellte in einer kurzen Präsentation vor, um was es geht: Geplant sind mindestens vier Unterrichtsstunden. Jede Schule kann frei bestimmen, wann dieser Tag stattfinden und wie er gestaltet werden soll. Man brauche unbedingt Akteure, so Waterstrat, die mitwirken: Betriebe, Kreishandwerkerschaften, Innungen und berufliche Schulen. Auf der eigens eingerichteten Webseite tagdeshandwerksunterfranken.de/ können Schulen ihre geplanten Termine und Betriebe ihre Angebote eintragen. Alles wird in einer Übersichtskarte angezeigt. Waterstrats Praxis-Tipp für die Meldungen der Handwerksbetriebe: „Verzichten Sie auf die handwerklichen Berufsbezeichnungen, sondern locken Sie die jungen Menschen einfach mal mit Tätigkeitsbegriffen, ,Fräsen, Bohren, Hämmern‘, das ist konkret und macht Lust, etwas auszuprobieren.“
„Machen Sie sich sichtbar“
Kerstin Hoffmann ist Konrektorin der Parzival-Mittelschule Amorbach, Vorstandsmitglied des Arbeitskreises Schule-Wirtschaft sowie SchuleWirtschaft-Expertin im Landkreis Miltenberg. Sie sprach über den „Tag der Betriebe“, den die Mittelschule schon seit Jahren erfolgreich durchführt. „Viele Betriebe sagen aus Zeit- und Personalmangel ab, in die Schule zu kommen. Betriebe haben aber auch danach die Möglichkeit, ihren Betrieb vorzustellen. Auch Schüler in Kleingruppen erkunden die Betriebe.“ Die Frage eines Handwerkers, ob durch diese Aktionen dann auch Schülerinnen und Schüler in diesen Berufen „hängenblieben“, bejahte Hoffmann, es würden sich daraus häufig auch Lehrverträge ergeben.
Sie führte weiter aus, dass das duale System nicht in den Köpfen vieler Eltern sei. Diese würden ausschließlich sehen, dass das Kind bereits in jungen Jahren harte Arbeit leisten muss. Sie nähmen an, dass nach der Ausbildung „Endstation“ sei, auch Weiterbildungsmöglichkeiten würden nicht gesehen. In der Gesellschaft sei aber inzwischen angekommen, „dass wir nicht eine Million BWL-er brauchen, sondern auch Handwerker.“ Hoffmann hält den Girls- und Boys-Day für sehr wichtig in der Berufsorientierung. „Es fehlen leider Angebote. Sprechen Sie Mittelschulen an, wir sind offen, wir wollen Sie haben. Machen Sie sich sichtbar, kommen Sie in die Klassen – das ist mein Appell an Sie“.
Handwerk ist nicht nur Perspektive für Mittelschüler
Landrat Scherf nahm den Faden auf: „Das Handwerk ist der geborene Partner für die Mittelschule, aber Handwerk ist nicht nur Perspektive für Mittelschüler." Zum Tag des Handwerks meinte er, es sei eine Revolution, dass man mittlerweile überhaupt berufliche Orientierung am Gymnasium machen dürfe. 2015/16 habe man aus Würzburg noch gehört „Nein, die sollen studieren“. Berufliche Orientierung motiviere Schülerinnen und Schüler, denn sie sähen, wo sie Mathe und Physik praktisch anwenden können. Auch zeige sie Alternativen auf, was bei 35 % Studienabbrechern sicher auch nötig sei. Für die Generation Z müsse sichtbar werden, dass es Handwerksberufe gibt, die sinnerfüllend sind.
Der gesellschaftliche Stand des Handwerks sei ein Problem. „Die Frage muss sein: Wie kann es gelingen, dass das Handwerk anders wahrgenommen wird? Wenn ich eine von den vielen guten Ideen herausheben müsste, die wir heute entwickelt haben, dann ist es für mich der Ansatz, dass wir positive Vorbilder brauchen. Wir müssen sowohl den Menschen insgesamt als auch gerade den jungen Menschen in den Schulen, die überlegen, welche Ausbildung sie machen oder was sie studieren wollen, diese positiven Vorbilder zeigen. Diejenigen, die einfach ihre Sinnerfüllung im Handwerk gefunden haben oder gerade auch, weil sie die Chance genutzt haben, im Handwerk Führungsaufgaben zu übernehmen oder am Ende sogar selbständige Unternehmer oder Unternehmerinnen geworden sind.“
Sowohl zwischen den Vorträgen als auch danach gab es einen regen Austausch zwischen allen Anwesenden und lobende Rückmeldungen der Handwerkerinnen und Handwerker an die Referentinnen für deren Engagement, das sich in den praxisnahen und kurzweiligen Vorträgen zeigte. Der Wunsch nach gemeinsamer Aktion war präsent, erste konkrete Schritte sollen zeitnah folgen. Kreishandwerksmeisterin Monique Haas: „Nach so einem Abend hat man das Gefühl, man ist nicht mehr alleine. Man hat eine Gemeinschaft, so ein bisschen den Background, eine kleine Lobby, mit der man zusammenarbeiten kann und gemeinsam etwas starten kann.“
Weitere Infos:
Kontakt Silke Waterstrat: https://www.hwk-ufr.de/ansprechpartner/silke-waterstrat-78,0,dadetail_AUSBILDUNG.html?id=309
Tag des Handwerks in Unterfranken: https://tagdeshandwerksunterfranken.de/
Kontakt Claudia Glas: https://www.hwk-ufr.de/ansprechpartner/claudia-glas-78,0,dadetail_AUSBILDUNG.html?id=310
Kontakt Kerstin Hoffmann: https://www.ms-amorbach.de/pages/Schule/Verwaltung.html
Arbeitskreis SchuleWirtschaft Miltenberg: https://www.landkreis-miltenberg.de/Wirtschaft,Bauen-Verkehr/Ausbildung/Schule-Wirtschaft.aspx
News Verlag, Ansprechpartner für das Forum für das Handwerk:
Manfred Scheurich, Leitung Produkte und Dienstleistungen:manfred.scheurich@news-verlag.de
Sabine Rindsfüsser, Redaktionsleitung: sabine.rindsfuesser@news-verlag.de
Bernd Hoffmann, Verkaufsleitung: bernd.hoffmann@news-verlag.de
Autor:Sabine Rindsfüsser aus Miltenberg |
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