Digitale Arbeitswelt bringt viele Veränderungen
Was bedeutet nachholende Digitalisierung? Welche Fördermöglichkeiten gibt es für den Erwerb neuer Kompetenzen in der digitalen Welt? Viele spannende Fragen sind in der Regionalen Fachkräftekonferenz „Chancen nutzen – Qualifizierung für die Arbeitswelt 4.0“ der Regionalen Fachkräfteallianz Bayerischer Untermain am Donnerstag im Bürgerzentrum Elsenfeld beleuchtet worden.
Landrat Jens Marco Scherf stellte das Ziel der Region Bayerischer Untermain heraus, Fachkräfte zu halten und neue Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus der gesamten Metropolregion Frankfurt-Rhein-Main zu gewinnen. In Zeiten des digitalen Wandels gelte es aber auch, die Menschen permanent weiterzubilden und sie auf die sich stetig verändernde Arbeitswelt vorzubereiten. Die fortschreitende Digitalisierung berge eine Fülle von Herausforderungen und erfordere von Unternehmen sowie Arbeitskräften ein Umdenken, sagte Scherf und stellte klar: „Ohne ein Mehr an Qualifizierung werden Arbeitsplätze verloren gehen.“ Bereits 2016 habe man ein eigenes Kompetenznetz Industrie 4.0 an der ZENTEC installiert, auch habe man die Innovationskommission Digitalisierung und Industrie 4.0 Bayerischer Untermain gegründet. Für das Frühjahr 2020 kündigte der Landrat eine „Leitvision Digitalisierung & Industrie 4.0“ an. Scherf ging auch auf die Bedeutung der ZENTEC ein und führte unter anderem die enge Zusammenarbeit mit der TH Aschaffenburg und dem Zentrum für Wissenschaftliche Services (ZeWiS) an, ebenso die starke Verzahnung mit dem neuen Digitalen Gründerzentrum Alte Schlosserei in Aschaffenburg. Über die weiteren Geschäftsbereiche der ZENTEC, die Energieagentur sowie die Initiative Bayerischer Untermain werde außerdem die Vernetzung in den Freistaat Bayern als auch in die Metropolregion FrankfurtRheinMain gewährleistet.
Auch habe man erste Aktionen mit Hilfe des „Paktes für berufliche Weiterbildung 4.0“ unter Federführung der Bayerischen Staatsregierung initiiert.
Welf Schröter, Leiter Forum Soziale Technikgestaltung und Mitbegründer der „Allianz Industrie 4.0 Baden-Württemberg“, blickte im Vortrag „Der Wandel der Arbeitsprozesse benötigt einen Wandel der Kompetenzen – von der nachholenden Digitalisierung zur vorausschauenden Arbeitsgestaltung“ auf den digitalen Wandel. Die Technik, die mobiles Arbeiten, elektronische Aktenführung oder E-Learning ermöglicht, sei längst vorhanden, auch wenn sie heute teilweise als Digitalisierungsfortschritt verkauft wird. Es handele sich vielmehr um eine „nachholende Digitalisierung“, so Schröter. Viele Technologien hätten noch nicht genutzte Potenziale für andere Anwendungen. Man habe die letzten 25 Jahre kollektiv geschlafen, so Schröter.
Früher habe man Werkzeuge genutzt, die sich im Kern nicht verändert haben. Heute würden sich Werkzeuge durch Anwendungen ständig verändern. Die Software nehme neue Daten auf und neue Bewertungen vor. Dabei stelle sich die Frage, wie der Umgang mit Werkzeugen zu erlernen sei, die beispielsweise auch zwischen Betrieben Prozesse steuern möchten. Ablaufende Prozesse seien in der Folge nicht mehr überschaubar und rekonstruierbar. Das erfordere „vorausschauende Arbeitsgestaltung“, einhergehend mit zunehmender Komplexität. Für die Menschen, die den Umgang mit Komplexität nicht erlernt haben, gebe es immensen Weiterbildungsbedarf, so Schröter. Dazu müssten spezielle Lernmodule und Experimentierräume entwickelt werden, in denen Menschen mit der neuesten Technik Erfahrungen sammeln und Prozesswissen aufbauen könnten. Es brauche eine große Diskussion – unter anderem über die Frage, wann die Weichenstellung erfolgen muss, um später im Berufsleben mit der Komplexität umgehen zu können. Aber nicht nur die Qualifizierung der Mitarbeiter und die Suchstrategien für neue Mitarbeiter ändere sich, sondern auch die Mitarbeiterbindung. Qualifizierte würden häufiger gezielt Unternehmen suchen, die veränderungsbereit sind. „Betriebe sind künftig nur überlebensfähig, wenn sie Bereitschaft zur Selbstveränderung besitzen“, mahnte Schröter und empfahl, Fachkräfte als Bausteine der Veränderung zu suchen. Man benötige deshalb Mitarbeiter, die zu Veränderungen bereit sind.
Der Druck zur Selbstveränderung wachse auch, da sich Wertschöpfungsprozesse verschieben. Als Beispiel nannte Schröter eine Caféfiliale, die es Kunden ermöglicht, im Café ihr Badezimmer am Bildschirm zu planen und direkt in Auftrag zu geben. Ob davon regionale Firmen profitieren, sei fraglich. Möglicherweise könnten stattdessen regionale Plattformen aufgebaut werden, um Wertschöpfungsvolumen in der Region zu halten.
Im Anschluss konnten sich die 120 Gäste in zwei Foren sowie beim „Markt der Möglichkeiten“ über Angebote im Bereich der Weiterbildung informieren.
Im Forum I „Weiterbildungsinitiatorin als digitale Bildungsberater*innen“ erläuterte Susanne Trunk (SQG) ihre kostenfreien, unverbindlichen und trägerneutralen Unterstützungs- und Beratungsleistungen. So werden Arbeitnehmer*innen etwa rund um das Förderinstrument „Bayerischer Bildungsscheck“ beraten, das 500 Euro als Pauschalzuschuss für die individuelle berufliche Fortbildung im Bereich Digitalisierung bereitstellt. Trunk erläuterte, welche Weiterbildungsmaßnahmen gefördert werden können und welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen. Sie unterstützt Arbeitgeber*innen etwa bei der systematischen Analyse der Qualifikationsstruktur der Belegschaft. Trunk stellte dar, wie strategische Personalplanung in wenigen Schritten aussehen kann und bot ihre Begleitung bei der individuellen Umsetzung an.
Im Forum II „Qualifizierungschancengesetz – Weiterbildungsförderung für Beschäftigte“ erläuterte Eva Fritsch (Agentur für Arbeit), wie sich die Berufsbilder durch die Digitalisierung am stärksten verändern und was dies für den Einzelnen und das Unternehmen bedeutet. Es gebe keinen Automatismus, dass Berufsbilder generell verschwinden, stattdessen fallen einzelne Tätigkeitsbereiche weg oder verändern sich stark. Dadurch ergäben sich nahezu für Jeden Weiterbildungsmöglichkeiten. Das Qualifizierungschancengesetz ermögliche solche Weiterbildungen. Die Agentur für Arbeit biete zum einen die „Abschlussorientierten Weiterbildungen“, die schrittweise oder direkt zu einem Berufsabschluss führen – ohne Beschränkungen der Betriebsgröße. Zum anderen gebe es die „Anpassungsqualifizierungen“, die das berufliche Wissen stärken oder das Aufgabengebiet erweitern. In einem ersten Schritt sollten sich Unternehmen die Organisation der Aufgaben im Betrieb anschauen und danach die Fördermöglichkeiten. Für eine Beratung stehen die Ansprechpersonen im Arbeitgeberservice oder die beiden Ansprechpersonen für Förderung beruflicher Weiterbildung von Beschäftigten der Agentur für Arbeit in Aschaffenburg bereit. Weitere Informationen zur Veranstaltung unter www.fachkraefte-untermain.de.
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