Betreuerstammtisch hat sich in 20 Jahren bewährt

Was sind eigentlich Berufsbetreuer? In der Bevölkerung herrscht darüber viel Unkenntnis und wer diesen Personenkreis kennt, hegt diesem gegenüber manchmal auch Misstrauen. Dabei helfen diese Menschen von Berufs wegen Menschen, die manche Entscheidungen nicht selbstständig treffen können. Seit 20 Jahren treffen sich die Berufsbetreuer im Landkreis zum regelmäßigen Austausch – ein Anlass, der am Dienstag, 12. April, im Landratsamt gefeiert wurde.

Mit der Veranstaltung wolle man dazu beitragen, die Aufgaben der Berufsbetreuung und der Betreuungsstelle transparent zu machen und Vorurteile abzubauen, sagte stellvertretender Landrat Thomas Zöller bei der Eröffnung der Veranstaltung. Diese Zusammenarbeit von Betreuern und Betreuerinnen mit der Betreuungsstelle im Landratsamt funktioniere hervorragend, stellte er fest. Das monatliche Treffen, der sogenannte Betreuerstammtisch, trage dazu wesentlich bei. Die Betreuer trügen Sorge für die Teilhabe ihrer Klienten an der Gesellschaft und entlasten das Landratsamt personell und finanziell.

Für Uwe Jander, den stellvertretenden Direktor des Obernburger Amtsgerichts, ist die Bezeichnung „Betreuer“ eher irreführend, eigentlich wäre „gerichtlich bestellter Bevollmächtigter“ richtig. Wer keine Vorsorgevollmacht abgeschlossen habe, dem werde per Gesetz ein Betreuer zur Seite gestellt, falls man nicht in der Lage ist, seine Angelegenheiten ausreichend zu bewältigen. Das sei beispielsweise bei psychischen oder seelischen Krankheiten der Fall.
Jeder Fall werde ausgiebig vom Betreuungsgericht geprüft, ehe ein Betreuer – entweder ein Berufsbetreuer oder ein ehrenamtlicher Betreuer – bestellt wird. Dabei werde Jander zufolge entschieden, in welcher Hinsicht Betreuung notwendig ist: etwa in finanzieller oder gesundheitlicher Hinsicht. Dabei sei aber stets der Grundsatz anzuwenden: „Das Wohl des Betroffenen ist maßgeblich.“ Deshalb müsse der Betreuer erst mit seinem Klienten reden, was jeweils passieren soll.
Der Betreuer werde mit einem Ausweis ausgestattet, auf dem abzulesen ist, für welche Aufgaben er Berechtigungen hat (beispielsweise Finanzen, Wohnung, Arbeitsrecht). Der Betreuer werde vom Betreuungsgericht kontrolliert – beispielsweise mit einer Einnahmen-Ausgaben-Aufstellung. Eine irrige Vorstellung sei, dass Familienangehörige für ihren Angehörigen entscheiden könnten, welche Behandlung ein Arzt beispielsweise im Krankenhaus vornehmen soll. „Wenn der Betroffene nicht selbst entscheiden kann und keine Vorsorgevollmacht vorliegt, braucht der Arzt die Einwilligung eines bestellten Betreuers“, so Jander. „Eine Betreuung ist für die meisten Betroffenen nichts Schlechtes“, stellte er am Ende seiner Ausführungen fest, sie sei vielmehr „eine Hilfe, um sich selbst vor Fehlern zu schützen.“

Uwe Burkart (Betreuungsstelle) gab einen Abriss der Geschichte des Betreuungsrechts, das seit den 80er Jahren einige Veränderungen erfahren habe. Seit Januar 1992 beispielsweise sei geregelt, dass die Betroffenen mehr Mitsprache haben, auch werde der unterstützende Charakter der Betreuung hervorgehoben. Zudem seien die Betreuungsbehörden als Fachbehörden eingeführt worden. 1999 habe man drei Betreuerkategorien gebildet, die je nach Fachkenntnissen zwischen 27 und 44 Euro pro Stunde bekommen (einschließlich der Auslagen).
Berufsbetreuer müssten unter anderem ein Führungszeugnis, eine Auskunft aus dem Vollstreckungsportal und eine Selbstauskunft vorlegen, dazu werde in Gesprächen die Eignung thematisiert und geklärt, welches verwertbare Wissen der Bewerber besitzt. Auch der Besuch von Einführungsseminaren und regelmäßiger Kontakt mit der Betreuungsstelle werde vorausgesetzt.

Zurzeit gebe es Burkart zufolge im Landkreis Miltenberg 35 Berufsbetreuer. Jeder müsse mindestens elf Klienten haben. Die Betreuungsstelle sei zurzeit mit drei Fachkräften besetzt, so Burkart, der sich für die gute Zusammenarbeit mit den Betreuern bedankte. Uwe Jander ergänzte, dass es Ende des ersten Quartals 2016 im Landkreis rund 1700 Betreuungsverhältnisse gebe, alleine im ersten Quartal seien 125 neue Verfahren dazu gekommen. Ein Problem sei es, die Gutachten für jeden Fall einzuholen, da es hierfür nicht genügend psychiatrisch geschulte Ärzte im Landkreis gebe. Lange Zeit habe das Gesundheitsamt bei diesen Gutachten geholfen und man hoffe, dass dies auch künftig wieder möglich werde.

Dass die Arbeit als Berufsbetreuer schwierig ist, erklärte Wolfgang Stanger, der diesen Beruf seit vielen Jahren ausübt. Die derzeitigen Berufsbetreuer hätten unterschiedliche Berufe: Sozialpädagogen seien dabei, Arztangestellte, Verwaltungsfachkräfte, Bank- und Industriekaufleute, aber auch Rechtsanwälte und deren Mitarbeiter. Der regelmäßige Stammtisch sei wichtig, um sich auszutauschen und anonyme Fälle zu besprechen. Neue Kollegen erführen hier Unterstützung, auch würden Kontakte gepflegt. Darüber hinaus frage man regelmäßig untereinander ab, wer noch Kapazitäten frei habe und melde dies der Betreuungsstelle. Stanger erzählte einige Beispiele aus der Praxis, mit welchen Problemen und manchmal auch überzogenen Ansprüchen die Betreuer konfrontiert würden.

Leider sei die Vergütung sei dem Jahr 2005 nicht mehr erhöht worden, bedauerte Stanger, pro Fall erhalte man durchschnittlich zwischen 100 und 130 Euro brutto. Man komme bei 30 Fällen also auf rund 3000 Euro brutto, davon müsse man sich komplett selbst versichern, ein Büro mit Hard- und Software finanzieren sowie Fahrtkosten. Angesichts von vielen Stunden im Büro und bei Behörden, Krankenkassen und Krankenhäusern bleibe leider wenig Zeit, um mit dem Klienten mehr Zeit zu verbringen.

Stanger regte an, eine Schulung „Gesetzliche Betreuung“ anzubieten, die auch für Behörden und Krankenhäuser sinnvoll wäre. Schulungen und Vorträge für ehrenamtliche Betreuer und Behördenmitarbeiter schätzte Stanger als sehr hilfreich ein. Dass die gesetzlichen Betreuungen immer komplizierter werden, belegte Stanger mit mehreren Beispielen. Er beklagte unter anderem psychische Belastungen, aber auch Regressforderungen von Behörden oder Angehörigen sowie Gesetzesänderungen. Dennoch sei es erfüllend, die Betreuten zu beraten und deren Probleme zu lösen. Die Zusammenarbeit mit den Betreuern und den Stellen im Landkreis Miltenberg sei gut, zudem sammle sich durch das breit gefächerte Aufgabengebiet sehr viel Wissen an. Er hoffte wie auch stellvertretender Landrat Thomas Zöller, dass die Berufsbetreuer durch die Gründung einer Berufskammer endlich eine Vertretung bekommt, die die Belange dieser Berufsgruppe vertritt.

Die Betreuungstelle des Landkreises Miltenberg ist am Miltenberger Landratsamt angesiedelt und telefonisch unter den Nummern 09371/501-561, -564 und -565 erreichbar. Unter der Internetadresse www.landkreis-miltenberg.de/Bildung,Soziales-Gesundheit/Gesundheitsamt/Betreuungen.aspx stehen zahlreiche Merkblätter zum Herunterladen bereit.

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