Grüne im Gespräch mit den Stadtwerken Buchen
Wärme in Buchen ohne Öl und Gas?

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Buchen. (hb) Im Klimaschutzgesetz von Baden-Württemberg ist verankert, dass im Jahr 2040 Klimaneutralität erreicht werden soll. In der öffentlichen Debatte geht es bei diesem Thema meist um Strom und Verkehr. Da ein kommunaler Wärmeplan nur bei Kreisstädten vorgeschrieben ist, baten lokale Vertreter*innen von Bündnis 90/Die Grünen um ein Gespräch mit den Stadtwerken Buchen.

Kreisvorsitzende Amelie Pfeiffer, Kreisrat Anton Fleischmann, Stadtrat Klaus Lampe und die Kreisvorstandsmitglieder Thomas Schaupp und Horst Berger wurden von den Geschäftsführern Andreas Stein und Matthias Gruber sowie Gerd Herold (Energieberatung / Vertrieb & Marketing) empfangen.

Herr Stein begrüßte die Gäste und machte deutlich, dass er Interesse an einem Ideenaustausch hat, weil Lösungen die in größeren Städten oder in der Rheinebene funktionieren, nicht einfach auf Buchen übertragen werden können. Diesbezüglich habe er als Mitglied in der AG Energie und Klima in der VKU Landesgruppe Baden-Württemberg an vielen Erfahrungsaustauschen teilgenommen. In einer Präsentation stellte er zuerst die Geschäftsbereiche der Stadtwerke Buchen dar. So gelte es Jahr für Jahr mit den Gewinnen der Stadtwerke, vor allem die Bäderverluste des Eigenbetriebs EDB von 800.000 bis eine Million Euro, auszugleichen. Erwirtschaftet wird dies aktuell in den Geschäftsbereichen: Strom, Gas, Wasser, Hochwasserschutz, Glasfaser / IT und mit Beteiligungen an Erneuerbaren Energieanlagen. Auch betreibe man bereits eigene Erneuerbare Energieanlagen u.a den Energiepark Neusass mit 3,2 MW und einer Beteiligung am Windpark Suckow mit 1,9 MW. Die Stadtwerke Buchen sind aber auch als Dienstleistungsunternehmen im Bereich Vertrieb und Errichtung von PV-Anlagen tätig. Seit 2001 wurden in der Region rund 1.100 PV-Anlagen durch die Stadtwerke errichtet.

Was tun, wenn kein Wind weht und es dunkel ist?

Im weiteren Verlauf ging Stein auf die EEG Kennzahlen 2020 auf der Gemarkung Buchen (Odenwald) ein und berichtete von 105 Millionen kWh Gesamteinspeisung. Mit den Windkraftanlagen, die aktuell in Hainstadt gebaut werden, würden damit die erzeugte Jahresarbeit, bezogen auf den Stromverbrauch, bereits eine Quote von 177 % erreichen. Das große Problem der „Dunkelflauten“ belegte er mit dem 02.12.2020, als um 12.00 Uhr bei hoher Netzlast von rund 13 Megawatt (MW), zwar gleichzeitig 20 MW an installierter Wind- und PV-Leistung am Netz waren, aber aufgrund der zu diesem Zeitpunkt herrschenden Dunkelflaute, nur ca. 2% der angeforderten Leistung durch die Erneuerbaren Anlagen gedeckt werden konnte.
Thomas Schaupp, der beruflich PV Anlagen an das Stromnetz anschließt erwiderte: „Genau aus diesem Grund muss das Strom Transportnetz ausgebaut werden, um solche Dunkelflauten vor Ort durch Nordseewind und Spaniens Sonne auszugleichen.“ Große Überkapazitäten seien u.a. auch deshalb dringend nötig.

große Chancen in "kalten Nahwärmenetzen"

Horst Berger lenkte daraufhin die aufkommende Diskussion auf das eigentliche Thema des Abends. „Die Stadtwerke sollten als Energieversorger doch ein ureigenes Interesse haben sich so aufzustellen, damit sie auch ohne den Verkauf von Erdgas Wärmeangebote für die Einwohner Buchens machen können. Große Chancen sehe ich in kalten Nahwärmenetzen gerade im Altbaubereich.“ Hier habe man nur einen geringen Wärmeverlust und könne somit über wesentlich längere Distanzen die Netze betreiben. In den Häusern sorgen dann Wärmepumpen für das Anheben auf das erforderliche Heizniveau. Hierfür ist oft noch eine teilweise Verbesserung des Wärmeschutzes der Gebäude notwendig - aber nicht unbedingt eine Vollsanierung. Stein berichtete, dass er bereits vor der Erschließung des Baugebiets „Marienhöhe“ im Gemeinderat eine Präsentation zum Energiekonzept, auch das Thema „kalte Nahwärmenetze“ mit vorgestellt hatte. Verwundert waren die Vertreter*innen der Grünen, warum diese zukunftsweisenden Ideen nicht weiterverfolgt wurden.
Aufgrund eines notwendigen Anschluss- und Benutzungszwang und engen Zeitplanes zur Ausschreibung sei dies laut Stein ohne Machbarkeitsstudie nicht zielführend gewesen. Er betonte, Ziel der Gasversorgungsleitungen im Baugebiet wären die Mehrfamilienhäuser und eine direkte Verbindung zu der Gasübergabestation am Ende des Baugebietes, zur Verbesserung der Versorgung des Bestandsgebietes. Bei einer PV-Anlagenpflicht ist die Wärmepumpe die bevorzugte Lösung. „Deshalb wurden bei der Einzelhausbebauung die Bauplatzkäufer bzw. Besitzer befragt ob sie eine Gashausanschlussvorstreckung in Grundstück gegen Kostenerstattung wollen. Die Stadtwerke hat einen Gaskonzessionsvertrag mit der Stadt und als Dienstleister führen wir das aus , was im Gemeinderat beschlossen wurde bzw. die Bauherren wünschen und das ist z.B. die Verlegung von Gasleitungen vor allem für die Mehrfamilienhäuser“, führte Stein weiter aus.
Schaupp zeigte grundsätzlich Verständnis, dass man nicht gegen einen Gemeinderatsbeschluss handeln kann. Er betonte allerdings, dass Energieanbieter die Aufgabe hätten weitsichtig in Richtung Klimaneutralität zu beraten, um ein Bewusstsein für die Vorteile der Dekarbonisierung zu schaffen. „Wir als Grüne müssen gemeinsam mit den Energieversorgern klarmachen, dass es kein „weiter so“ mehr geben kann.“
Kalte Nahwärmenetze werden in der Regel gespeist von einem vielfältigen Mix. Z.B. mit Solarthermie, Erdwärme, Industrieabwärme, Biomasse oder überschüssiger elektrischer Energie. Immense Kapazitäten schlummern noch im Biomassekraftwerk für Altholz auf dem Gelände der AWN. Wie Berger bereits vor einem Jahr in seinem Youtube Kanal darstellte, verpufft dort jährlich die Wärmeleistung von rund 100 000 Ster Holz ungenutzt durch den Schornstein.

Warum Wasserstoff zu teuer zum Heizen ist

Großen Raum nahm auch das Thema Wasserstoff ein. Man war sich einig, dass H2 bspw. in der Industrie und zur Speicherung von Überkapazitäten sinnvoll eingesetzt werden kann. Stein berichtete, dass es diesbezüglich bereits erste Überlegungen für ein Pilotprojekt mit lokalen Windkraftanbietern gibt. Hierbei soll auch Überschussstrom von weiteren EEG-Anlagen genutzt werden. Auch sei das Beimischen von 10 – 30 % Wasserstoff zum Erdgas relativ einfach zu realisieren und könne als kurzfristige Maßnahme Erdgasverbrauch senken.
Berger vermisste hierbei die mittelfristige Perspektive. „So werden ja immer noch 70% Erdgas verwendet. Es sollte doch umgehend begonnen werden tragfähige Lösungen zu entwickeln, die uns in knapp 20 Jahren komplett frei von fossilen Energieträgern machen.“
In der Gemeinderatssitzung am 9.März 2020 wurde bereits auch auf die Transformation der Gasnetze verwiesen. Stein vertrat die Ansicht: „Wo heute noch Erdgas fließt, werden es in Zukunft Co2 neutrale Gase, wie Wasserstoff sein. Denn Gas lässt sich einfacher speichern als Strom.“
Schaupp entgegnete, dass bereits eine Studie von Angora Verkehrs- und Energiewende von 2018 zeige, dass nur mit großen Energieverlusten die Umwandlung von Strom in H2 möglich ist. Synthetisches Gas koste demnach mindestens das 10 – fache von Erdgas (ohne Transport). „Wärmepumpen hingegen haben die Kennzahl 3 und sind damit 6 - fach effektiver als Gas. Synthetisches Gas wird zum Heizen nie konkurrenzfähig werden. Jede Investition in Gasinfrastruktur, die nicht in 10 Jahren amortisiert ist, ist rausgeschmissenes Geld.“

Im weiteren Verlauf stellte Stein die Planungen zu Agri-PV Anlagen mit 2,4 MW in Neusass vor. Hier sollen die Solarmodule, die beidseitig Strom produzieren können, senkrecht im Abstand von 10 Metern aufgestellt werden. Vorteile sind die relativ geringe Bodenversiegelung und bei Ost – West Ausrichtung Stromproduktion in den Morgen und Abendstunden. „Dies ist netzdienstlich und reduziert Überspeisungen, die bei klassischen Anlagen in Südausrichtung ggf. zu Abschaltungen führen, wenn der Strom nicht gespeichert werden kann.“

100% Sonnenhaus ohne Energiekosten im Betrieb

Anton Fleischmann, der bereits mehrere Nahwärmeprojekte geplant und umgesetzt hatte, warb für 100% solares Heizen. Er habe Kontakte zu einem Schweizer Unternehmen, das diese Technik seit 30 Jahren erfolgreich betreibt. Interessant sei dies v.a. in Mehrfamilienhäusern, wie das z.B. der Bauträger FASA AG in Chemnitz erfolgreich anwendet. Zentrales Element ist ein immenser Pufferspeicher in der Hausmitte, der durch thermische Solarkollektoren gespeist wird. „Es ist nur eine Frage der Dimensionierung der Kollektorfläche und der Speicherkapazität, um damit sicher durch den Winter zu kommen. Klar sind das erst einmal höhere Investitionskosten, aber im Betrieb fallen keine Energiekosten mehr an.“ Dieses Knowhow könnten die Stadtwerke im Stile von Contracting Lösungen an interessierte Kunden verkaufen.

Stein berichtete von Planungen der Mehrfamilienhausinvestoren auf der Marienhöhe: „KfW 55 -Standard, mit einer Großwärmepumpe und die Besicherung mit Erdgas war bei ihnen zuletzt die bevorzugte Lösung.“
Klaus Lampe wünschte sich, dass die Stadtwerke hierfür doch Angebote für eine klimaneutrale Wärmeversorgung machen sollten. „Da es keine kommunalen Auflagen gibt, besteht die Gefahr, dass ein Investor entgegen den Planungen einfach ausschließlich eine Gasheizung einbaut, was im Invest für ihn deutlich günstiger ist.“ Auch stellte er die Frage, warum im Vorfeld die Energie Agentur Neckar-Odenwald oder andere Fachleute nicht gehört wurden und die Überlegung eines Energieberaters, besser noch eines Gutachters analog dem Radwegekonzept, um alle vorgebrachten guten Ideen auf Umsetzbarkeit zu prüfen und Vorschläge zu machen.
Gerd Herold bedauerte, dass alle finanziell gleichbehandelt würden, egal wie viel oder wenig man als Privatperson in Klimaschutz investiere. Amelie Pfeiffer betonte darauf hin, dass sich dies durch die von den Grünen forcierte Anhebung der CO2 Bepreisung bald ändern werde.
Abschließend war das Neubaugebiet „Brennwiese“ Thema. Die Konzeption zeigt, dass heutzutage gar keine Gasleitungen mehr gebaut werden müssten. Auch die seit 2009 erhobenen Verbrauchsdaten der städtischen Gebäude sollten ausgewertet und öffentlich transparent dargestellt werden, um überprüfbar die Schrittweise CO2 Reduzierung bis 2040 anzupacken. Am Ende lud Matthias Gruber Schaupp ein, die Stadtwerke bei der Erstellung von Stromkonzepten mit seiner „grünen Sichtweise“ zu bereichern.

Kreisvorsitzende Pfeiffer bedankte sich für den regen Austausch mit den Worten: „Als nächsten dringenden Schritt sollten Quartieranalysen gemacht werden, um für alle Bereiche von Buchen und den Gemeinden passgenaue CO2 neutrale Wärmelösungen zu konzipieren. Wir von der Politik müssen und werden das entsprechend flankieren z.B. mit einer Vortragsreihe. Jede*r – auch Kommunen – müssen ihren Beitrag leisten. Seit Putins Angriffskrieg ist alles noch einmal klarer: Wir müssen uns schleunigst von Kohle, Öl und Erdgas trennen.“

Autor:

Horst Berger aus Buchen

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