Gegen Rassismus
HSG ist nun „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“
Als 99. Schule in Unterfranken darf sich das Hermann-Staudinger-Gymnasium (HSG) Erlenbach seit Dienstag, 18. Oktober, „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ nennen. Über 70 Prozent der Schüler*innen, der Lehrer*innen, der Hausmeister und des Reinigungspersonals hatten sich zuvor schriftlich verpflichtet, Rassismus couragiert entgegenzutreten.
In der vollen Aula zeigte sich, dass die gesamte Schule hinter der Selbstverpflichtung steht. Die Bezeichnung ist allerdings weder Auszeichnung noch Preis oder Belohnung für vergangene Projekte, vielmehr ist sie eine dauerhafte Verpflichtung, sich gegen Diskriminierung und Rassismus einzusetzen. Auch wenn sich die Schule diesem Ziel verpflichtet sieht, so ist es dennoch kein Selbstläufer: Immer wieder kommen neue Schülergenerationen nach und auch sie müssen für diese Selbstverpflichtung gewonnen werden, sonst nützt das schönste Schild an der Schulfassade nichts.
Nach der Begrüßung durch Moderatorin Karla Gohlke wies Schulleiterin Christine Büttner darauf hin, dass die Veranstaltung quasi ein „Doppelpunkt“ sei – in der Hinsicht, dass nun etwas kommen müsse. „Ihr habt abgestimmt, dass wir uns Schule ohne Rassismus nennen wollen, nun müsst ihr auch mitmachen“, sagte sie. Das aber sei nur der Anfang, Eintreten gegen Rassismus müsse gelebt werden. „Ich glaube, dass das nicht so schwer werden wird, denn wir haben das ja bislang immer praktiziert“, gab sich die Schulleiterin
zuversichtlich.
„Ihr verpflichtet euch, für Werte einzustehen und etwas gegen Rassismus zu tun“, sagte Landrat Jens Marco Scherf, das sei „das Wertvollste, was wir in unserer Gesellschaft überhaupt haben können.“ Was Rassismus bedeuten könne, sei in einem Buch von Shida Bayzar hervorragend dargestellt, „Drei Kameradinnen“. Darin werde vom Erwachsensein erzählt und davon, was es heißt, aufgrund der eigenen Herkunft immer und überall infrage gestellt zu werden. Zu was Rassismus führen kann, habe man in Hanau erlebt, wo neun junge Menschen – alle mit ausländischen Namen, aber hier geboren – ermordet worden seien. Der Mörder habe ihnen, die hier ihre Heimat hatten, ihr Lebensrecht abgesprochen, so Scherf erschüttert. „Rassismus ist die größte Bedrohung für unser Zusammenleben“, zitierte er den ehemaligen Bundesinnenminister Horst Seehofer und stimmte ihm zu. Alle Menschen müssten sich im Kampf gegen Rassismus einbringen, jeder Mensch habe die gleiche Würde. Dass sich die Schulfamilie gegen Rassismus positioniert, sei sehr bedeutsam.
Sechs Schülerinnen trugen anschließend in unterschiedlichen Sprachen John Lennons Lied „Imagine“ vor – ein Lied, das auch nach 50 Jahren aktuell ist und in dem eine Gesellschaft, im Frieden vereint, herbeigesehnt wird. Damit soll gezeigt werden, wie viele Sprachen die Schüler*innen am HSG sprechen. In einer Podiumsdiskussion sprachen Moderation Gohlke sowie die Schüler*innen Lilli, Fabio und Nathan mit Volker Hofmann (Rotary-Club) und Nico Hillecke (Regionalkoordinator „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“) über Rassismus im Alltag. Laut Hillecke sei es nicht selbstverständlich, dass sich junge Menschen gegen Rassismus engagieren, für Volker Hofmann passt dieses Engagement genau zu den Zielen der Rotarier, sich für ein gemeinsames Miteinander einzusetzen. Auch wenn die jungen Leute auf der Bühne bislang keinerlei negative Erlebnisse im Zusammenhang mit Rassimus hatten, so stellte Nico Hillecke doch klar: Was für den einen eine flapsig gemeinte Bemerkung ist, überschreitet beim Gegenüber womöglich eine Grenze. Rassismus beginne immer dann, wenn Menschen andere wegen
ihrer Hautfarbe, ihre sexuellen Orientierung oder wegen ihres Geschlechts heruntersetzen.
Dass am HSG vieles gut läuft, konnten die Schüler*innen auf der Bühne auch belegen: mit Spendenläufen für einen guten Zweck, mit Tutoren, die in den Willkommensklassen ukrainischen Flüchtlingskindern helfen und mit dem Schüleraustausch mit Frankreich und Polen, der der Völkerverständigung dient.
Mohammed Missaoui, ehemaliger Schülersprecher, erklärte den Ehrengästen, wie der Einsatz gegen Rassismus in der Schule Fahrt aufgenommen habe. Demnach hätten die Morde in Hanau die ganze Schule geschockt und man sei auf die Bildungsinitiative Ferhat Unvar aufmerksam geworden. In Religion und Ethik habe man das Thema Rassismus diskutiert, wichtige Themen angesprochen und in einem intensiven Podiumsgespräch darüber diskutiert. Die Bildungsinitiative habe man in der Folge finanziell unterstützt – etwa mit einem Spendenlauf, bei dem über 10.000 Euro gesammelt wurden. Der Rotary-Club habe gerne geholfen, ergänzte Volker Hofmann, Präsident der Obernburger Rotarier. Er wies auf viele Aktionen hin, mit denen der 33 Menschen starke Club regionale und überregionale Projekte unterstützt – unabhängig und ohne politische oder religiöse Anschauungen.
Bevor Nico Hillecke das Schild „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ überreichte, bescheinigte er dem HSG, die 3879. Schule in Deutschland, die 793. in Bayern und die 99. In Unterfranken zu sein, die sich dieser Aktion anschließt. „Ihr tragt dazu bei, mehr Menschlichkeit in die Gesellschaft zu bringen“ bescheinigte er der Schule. „Hinschauen und nicht wegsehen, wenn Menschen diskriminiert werden“, das sei von nun an das Motto der gesamten Schulfamilie.
Wie wichtig der Einsatz gegen Rassismus ist, zeigte sich, als Serpil Temiz Unvar und Özge Özdemir die Bildungsinitiative Ferhat Unvar (www.bildungsinitiative-ferhatunvar.de ) vorstellten. Die war von Serpil Temiz Unvar gegründet worden, der Mutter des in Hanau ermordeten Ferhat Unvar. Ferhat habe von klein auf Rassismus erlebt, erzählte seine Mutter, niemand habe ihm helfen können. Die im November 2020 gegründete Bildungsinitiative wolle allen Kindern, Jugendlichen, jungen Erwachsenen und deren
Eltern, die rassistische Erfahrungen machen, eine Anlaufstelle bieten. So wurde ein Ort des Austauschs geschaffen, wo das Erleben von Rassismus und Diskriminierung jeglicher Art reflektiert wird. Die Initiative bietet aktive Workshops und will dabei auch Schulen integrieren. „Die jungen Menschen geben uns Kraft, weiterzumachen“, sagte Unvar und Özge Özdemir freute sich über die weitere Zusammenarbeit mit dem HSG.
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