Klausurtagung
Konzept für Anlaufstelle für von sexueller Gewalt betroffene Kinder und Jugendliche in Auftrag gegeben

In seiner jüngsten Klausurtagung hat sich der Begleitende und Beratende Ausschuss zur Jugendhilfeplanung dafür ausgesprochen, ein Konzept für eine Anlaufstelle für Kinder und Jugendliche im Landkreis zu entwickeln, die von sexualisierter Gewalt betroffen sind. Der Jugendhilfeausschuss stimmte diesem Vorschlag am Montag einstimmig zu und beauftragte die Jugendhilfeplanung mit der Entwicklung eines solchen Konzepts.

Ursula Weimer legte dar, dass es kein explizites Angebot hierfür im Landkreis gibt, speziell nicht für junge Menschen unter 16 Jahren. Lange Fahrtwege und Wartezeiten warteten auf Hilfesuchende. Dass es Fälle gibt, sei unstrittig, auch nähmen sexualisierte Übergriffe unter Gleichaltrigen zu und auch erfahrene Fachkräfte stießen an ihre Grenzen. Es bestehe Handlungsbedarf, stellte sie fest. Vorstellbar seien etwa Beratungsangebote bei der Erziehungsberatung des Landkreises, die Installation einer Beratungsstelle im Landkreis mit Trägern aus der Region 1 (Sefra, pro familia) oder Beratungsangebote im Jugendamt. Der Ausschuss folgte der Empfehlung und legte fest, dass eine Anlaufstelle geschaffen werden soll, die auch die Säulen Beratung, Prävention, Qualifizierung und Vernetzung von Fachkräften beinhalten soll. Dazu sollen Gespräche mit freien Trägern geführt werden.

Weiter wurde in der Klausurtagung über den Stand des Themenschwerpunkts „Angebote der Jugendhilfeplanung flexibler und individueller gestalten“ gesprochen, etwa über die Umsetzung der „Sozialen Gruppenarbeit“. Priorisiert wurden hier sozial vernachlässigte Mädchen ab der sechsten Klasse sowie Kinder mit von Sucht oder psychischer Krankheit belasteten Eltern. Thematisiert wurden weiter die nächsten Planungsschritte in Sachen „Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung in der Grundschule“. Eine Steuerungsgruppe wurde gebildet, deren Kreis erweitert werden soll. Die jährliche Bedarfsabfrage zur Kindertagesbetreuung in den Gemeinden sei bereits für den Bereich Grundschule erweitert worden, so Weimer. Auch hier müsse man sich dem Problem stellen, dass ein gesetzlicher Anspruch formuliert wurde, andererseits sei auch hier ein Fachkräftemangel zu verzeichnen. In der Klausurtagung wurde die Arbeit der Fachstelle für Familienangelegenheiten gelobt, die während der Corona-Pandemie sehr gute Arbeit geleistet habe – auch wenn die Zahl der Kontakte stark rückläufig gewesen sei. Digitalangebote hätten dazu geführt, dass dennoch viele Menschen niedrigschwellig erreicht wurden, freute sich Weimer. Zu überlegen sei, ob man neben den Familienstützpunkten Nord und Süd einen weiteren solchen Stützpunkt installieren oder mehr Veranstaltungen in der Fläche anbieten sollte.

Jeweils einstimmig sagte der Ausschuss Ja zu drei Bedarfsanerkennungen für Jugendsozialarbeit an Schulen. Das betrifft die Theresia-Gerhardinger-Realschule in Amorbach (30 Stunden pro Woche; Landkreisanteil 16.300 Euro pro Jahr), die Grundschule in Dorfprozelten (vom 1. Januar 2023 an 19,5 Stunden pro Woche; Landkreisanteil 11.000 Euro pro Jahr) sowie die Mittelschule in Miltenberg. Hier wird die Zahl der Wochenstunden von aktuell 19,5 auf 29,5 erhöht.
Der Bedarf wurde anerkannt, aufgrund der Förderrichtlinien (zu geringe Schülerzahl) finanziert der
Landkreis die Aufstockung aber nicht mit. Schulrat Michael Brummer informierte über die „Inklusive Region Aschaffenburg-Miltenberg“.

Die beiden Landkreise waren vom Freistaat ausgewählt worden mit dem Ziel, sich für mehr Inklusion an Schulen einzusetzen. Um die Inklusive Region mit Leben zu erfüllen, müssten Brummer zufolge Bildungseinrichtungen und Schulen kooperieren, die Bildungsangebote vernetzt, Handlungsstrategien entwickelt und die bereits vorhandenen Ressourcen zusammengeführt und abgestimmt werden. Vorrangiges Ziel sei es, alle Bereiche des Lebens im Blick zu behalten, sagte der Schulrat. Dies sei möglich, wenn man zusammenarbeite, zeigte er sich überzeugt und nannte als mittelfristiges Ziel, die Konzeption inklusiven Handelns an Schulen, Förderschulen und Förderzentren weiterzuentwickeln und gemeinsame Konzepte von Schule, Kinder- und Jugendhilfe umzusetzen. Langfristig gelte es, ein regionales Leitbild Inklusion an Bildungseinrichtungen zu erarbeiten, sagte Brummer, die Schulen vor Ort sollten eigenverantwortlich pädagogische Konzepte entwickeln. Als Bereicherung empfand Brunner die Tatsache, dass der Landkreis Ressourcen bereitstellt, indem etwa die Inklusionsbeauftragte Nadja Schillikowski und Anna-Lena Klassert (Bildungsmanagement) mitwirken. Landrat Jens Marco Scherf unterstützte den Inklusionsgedanken ausdrücklich und stellte fest, dass für ihn eine realistische Umsetzung nur auf Ebene des Landkreises Miltenberg funktioniere. Dabei gelte es aber auch, sich regelmäßig mit dem Landkreis Aschaffenburg auszutauschen.

Wie der Fachdienst Wirtschaftliche Jugendhilfe arbeitet, erklärten Christine Balles und Pia Bachmann. Sie arbeiten im Sachgebiet Kinder, Jugend und Familie und stellen die finanziellen Mittel für den festgestellten Jugendhilfebedarf laut SGB VIII bereit. Sie haben somit auch eine steuernde Funktion. Balles und Bachmann überprüfen die finanzielle Situation der Eltern, Kinder und Jugendlichen und bewilligen Leistungen, wenn darauf ein Rechtsanspruch besteht. Das umfasst beispielsweise ambulante Hilfen zur Erziehung sowie teilstationäre und stationäre Maßnahmen. Auch die Übernahme von Kindergartenbeiträgen wird in der wirtschaftlichen Jugendhilfe bewilligt, wenn darauf ein Anspruch besteht. Zum Aufgabenbereich gehört weiter der gesetzliche Jugendschutz. Die wirtschaftliche Jugendhilfe ist dabei für den ordnungsrechtlichen Kinder- und Jugendschutz zuständig. Immer dann, wenn die Polizei in diesem Zusammenhang Ordnungswidrigkeiten anzeigt und dem Jugendamt meldet, setzt die wirtschaftliche Jugendhilfe die Höhe des Bußgelds gemäß des Rahmenkatalogs fest. Dabei hat sie einen gewissen Ermessensspielraum.

Inge Richter (Caritas) informierte über das Projekt „Zeit für Familien“, dessen Konzept von Caritas und Jugendamt erstellt wurde und das Netzwerk „Frühe Hilfen“ ergänzt. „Zeit für Familien“ startete am 1. Oktober 2021 und ist bis Ende 2023 befristet. Das Angebot richtet sich an Familien und Alleinerziehende im Landkreis mit mindestens einem Kind im Alter von bis zu acht Jahren.

Das Angebot soll Ehrenamtliche an Familien vermitteln, wenn diese eine Entlastung in Form von konkreter Unterstützung im Familienleben benötigen. Das betrifft beispielsweise Familien, die kein ausreichendes soziales Netzwerk haben und keine Hilfe von Familie oder Freunden erwarten können. Hilfe könnte etwa geleistet werden bei der Betreuung der Kinder, wenn Eltern eine kurze Auszeit brauchen. Ehrenamtliche können Eltern beim Einkauf, bei der Hausaufgabenbetreuung
oder bei Arztbesuchen unterstützen, ihnen beim Aufbau von Netzwerken oder der Kontaktanbahnung mit anderen Eltern und Kindern helfen. Diese Unterstützung kann wöchentlich bis zu vier Stunden bis zu einer Dauer von 18 Monaten – im Einzelfall auch bis zu 24 Monate - in Anspruch genommen werden. Die Hilfe kostet fünf Euro pro Stunde, eine individuelle Ermäßigung ist im Einzelfall möglich. Allerdings, so Richter, sei „Zeit für Familien“ kein Notruf, kein Vermittlungsdienst für Haushaltshilfen oder Babysitter und auch kein Ersatz für Fachkräfte, vielmehr sei das Projekt gleichzustellen mit Hilfen von Familien, Freunden oder Nachbarn – quasi eine moderne Nachbarschaftshilfe. Wer diese Hilfe braucht, wendet sich an die Koordinatorin Inge Richter, die nach einem Telefongespräch alles weitere veranlasst. Zurzeit betreuen 22 Ehrenamtliche, darunter vier Männer, 18 Familien.

Soll sich der Landkreis Miltenberg für ein Pilotprojekt des Freistaats zur Vorbereitung der vom Bund gesetzlich ab 1.1.2024 verpflichteten Stelle eines Verfahrenslotsens bewerben? Landrat Jens Marco Scherf bat den Ausschuss um ein Meinungsbild und bis auf einen Kreisrat stimmte das 4 Gremium der Bewerbung zu. Diese Stelle ist ab dem 1. Januar 2024 für alle Jugendämter in Deutschland verpflichtend, so der Landrat, zuvor allerdings wolle der Freistaat in zehn Landkreisen eine solche Stelle konzeptionell erproben, da die Aufgabenstellung unklar sei. Der Freistaat würde die kompletten Personalkosten vom 1. Oktober 2022 bis 31. Dezember 2023 übernehmen, so Scherf. Der oder die Stelleninhaber*in soll Menschen auf dem Weg durch die komplexen Hilfesysteme zu den passenden Sozialleistungen begleiten, führte der Landrat aus. Scherf fände es gut, wenn man diesen Prozess aktiv mitbegleiten und damit Gestaltungsmöglichkeiten aktiv nutzen würde, wozu der Ausschuss grünes Licht für eine Interessenbekundung gab.

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