Referate, Austausch und Exkursion beim Gewässer-Nachbarschaftstag
Um die Gemeinden beim fachgerechten und wirtschaftlichen Unterhalt und dem Ausbau der Gewässer dritter Ordnung zu unterstützen, gibt es seit 2002 die Gewässer-Nachbarschaften Bayern. Erstmals seit 2018 konnte am Donnerstag, 15. Juni, wieder einmal ein Nachbarschaftstag für den Landkreis Miltenberg angeboten werden. Fachleute aus Landkreisverwaltung und Gemeinden nahmen das Angebot gerne an, hörten im Collenberger Rathaus drei Referate und tauschten sich aus. Eine Exkursion in das Fechenbachtal rundete den Tag ab.
Moderiert wurde der Tag von Michael Keilbach, Nachbarschaftsberater der Gewässernachbarschaft und Mitarbeiter der fachkundigen Stelle für Wasserwirtschaft am Landratsamt. „Wir wissen um die Wichtigkeit der Gewässer“, sagte Collenbergs Bürgermeister Andreas Freiburg zu Beginn der Veranstaltung und verwies auf das „Kleinod Fechenbachtal“, das an diesem Tag mehrfach Thema war. Für Landrat Jens
Marco Scherf ist die Verantwortung der Kommunen für die Gewässer dritter Ordnung eine wichtige Aufgabe. Eine intakte Natur sei wichtig, auch damit Menschen sich entspannen und die Ruhe genießen können. Der Erhalt der Landschaft funktioniere nur im Schulterschluss von Regierung, Landratsamt, Gemeinden und Landschaftspflegeverband (LPV), zeigte er sich überzeugt und lobte den LPV für dessen wichtige Rolle beim Erhalt der Kulturlandschaft. Wie wichtig es ist, sich um die Gewässer zu kümmern, verdeutlichte Michael Keilbach mit Zahlen: Von 100.000 Kilometern Fließgewässer in Bayern sind sage und schreibe 90.000 Gewässer dritter Ordnung und liegen somit in Verantwortung der Kommunen. Dafür gebe es allerdings auch Fördermittel, wusste Keilbach und leitete so zum Vortrag von Dr. Anne-Kathrin Jackel (Regierung von Unterfranken) über, die das Beratungsangebot „Auf zu lebenswerten Bächen“ vorstellte, das speziell für ökologische Maßnahmen an kleinen Fließgewässern konzipiert wurde.
Naturnahe Bäche seien vielfältige Lebensräume, hätten keinerlei Hindernisse (Wehre oder
Schwellen), böten abgeschattete Bereiche und hätten durch flache Ufer Verbindungen zu Auen, so die Fachfrau. Oft sei es mit geringem Aufwand möglich, Bäche so zu gestalten, dass sie für Lebewesen ein attraktiver Lebensraum sind. „Eine Renaturierung bietet viele Vorteile“, sagt Jackel und nannte unter anderem die Schaffung notwendiger Rückhalteräume bei Starkregen, eine kühlende Wirkung innerorts und den Schutz der Biodiversität. Die EU-Wasserrahmenrichtlinie verpflichte dazu, alle Oberflächengewässer bis zum Jahr 2027 in einen guten Zustand zu versetzen, erklärte sie. Dafür gebe es aber auch vielfältige Förderungen. Bis zu 75 Prozent gebe es beispielsweise für die Herstellung und die Verbesserung der Durchgängigkeit des Gewässers, indem Hindernisse für kleine Fische – etwa Staubereiche – entfernt werden. Mit Förderung könne man auch rechnen, wenn man die massiven Sicherungen des Ufers oder der Sohle reduziert, in geeigneten Bereichen Totholz zur Verbesserung der Gewässerstruktur einbringt, einen standortgerechten Ufersaum herstellt oder ingenieurbiologische Maßnahmen zu einer naturnahen Ufer- und Böschungssicherung umsetzt. Weitere Fördermöglichkeiten böten das Amt für Landwirtschaft und Ernährung, die Städtebauförderung und der Naturschutz, so Jackel. Im Landkreis Miltenberg werde man die von der EU vorgegebenen Ziele für Gewässer bis 2027 vermutlich erreichen, glaubt sie. Bereits jetzt seien zwei Bäche im Südspessart in sehr gutem Zustand, etliche Bäche im Odenwald in gutem Zustand. Beim Rest der Bäche – zumeist im nördlichen Landkreis – sei noch viel zu tun. Den Zustand der Bäche könne man unter www.umweltatlas.bayern.de einsehen. Für Fragen stehe das Sachgebiet Wasserwirtschaft an der Regierung von Unterfranken zur Verfügung, so Jackel.
Ulrich Müller (Untere Naturschutzbehörde) ging auf „Naturschutz an Gewässern“ ein. Demnach sind „alle Handlungen, die zu einer Zerstörung oder einer sonstigen erheblichen Beeinträchtigung von Biotopen führen, verboten.“ Gesetzlich geschützt sind demnach natürliche oder naturnahe Bereiche von fließenden und stehenden Binnengewässern einschließlich ihrer Ufer und der uferbegleitenden Vegetation, Verlandungsbereiche sowie Altarme und regelmäßig überschwemmte Bereiche. Was ein natürliches Gewässer auszeichnet, sind unter anderem Bereiche mit gewundenem, auch verzweigtem Lauf, kleinräumigen Wechseln von Uferrelief, Gewässertiefe und Breite, natürlichem Uferbewuchs und fehlenden technischen Eingriffen. Wichtig zu wissen: Auch die Uferstreifen sind gesetzlich geschützt! So darf nicht gerodet, gefällt oder abgeschnitten werden, eine garten- und ackerbauliche Nutzung ist in einem fünf Meter breiten Streifen entlang des Gewässers untersagt. Diese Gewässerrandstreifen schützen Arten und Lebensräume, vernetzen Lebensräume und schützen Gewässer vor dem Eintrag von Stoffen. Aber auch gehölzfreie Gewässerabschnitte seien wichtige Lebensräume – etwa für den Eisvogel oder Libellen. Für Maßnahmen an Gewässern gebe es diverse Fördermöglichkeiten – gemäß der Landschaftspflege- und Naturpark-Richtlinie, dem Vertragsnaturschutzprogramm und dem Europäischen Fonds für Regionalentwicklung. Teresa Bachmann (LPV) bereitete die Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf die
nachmittägliche Exkursion in das Fechenbachtal vor und vermittelte Wissenswertes über dieses Tal, das seit 1987 ein geschützter Landschaftsbestandteil ist. Ab 1989 pflegte der LPV das Areal, seit 2005 beweidete ein ortsansässiger Schäfer das Gebiet, das in einigen Bereichen mit standortfremden Fichtenbeständen besetzt war und dem eine zunehmende Verbuschung drohte. 2018 kam die Idee auf, das Tal im Rahmen eines Ersatzgeldprojekts aufzuwerten, denn von einem naturnahen offenen Wiesental war fast nichts mehr zu sehen. Dazu brauchte man aber möglichst viele Flächen. 2019 hat man Bachmann zufolge 22 Kaufverträge (2,13 Hektar) und 20 Pachtverträge (9,92 Hektar) abgeschlossen, so dass der LPV auf fast 90 Prozent der Flächen Zugriff hat. 2019 wurde das Projekt als Ersatzgeldprojekt genehmigt, so dass man mit Erstpflegemaßnahmen beginnen konnte: Entfernung der Fichtenbestände und Sukzessionsgehölze, abschnittsweise Verjüngung der bachbegleitenden Erlen, Verjüngung und Teilentnahme von Haselsträuchern, Mahd von Brachflächen und Entfernung von Gehölzen, damit das Areal durchgängig beweidet werden kann. Weitere Nachpflegearbeiten wurden in den Folgejahren geleistet und laufen aktuell noch, so dass man heute wieder ein offenes Wiesental sehen kann. Wie Bachmann weiter sagte, wolle man das Tal durch extensive Beweidung auf Dauer offenhalten – allerdings mit Rindern anstelle von Schafen. Auch der Biber habe sich im Tal angesiedelt und gestalte es mit, so Bachmann. Bei der anschließenden Exkursion bekamen die Gäste einen Einblick in das Tal und konnten an mehreren Stellen Biberdämme und kleine Stillgewässer, die der Biber gebaut hat, bewundern.
Weitere Informationen zu den Gewässernachbarschaften im Internet unter www.gn-bayern.de.
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