Erfolgreiches „New Work“-Prinzip
„Meine Station“ hat Vorbildcharakter

Das Pilotprojekt „Meine Station“ ist eine von den Zusammenarbeitenden selbst organisierte Station, bei der bedürfnisorientiertes Arbeiten im Vordergrund steht. | Foto: Klinikum Aschaffenburg-Alzenau
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  • Das Pilotprojekt „Meine Station“ ist eine von den Zusammenarbeitenden selbst organisierte Station, bei der bedürfnisorientiertes Arbeiten im Vordergrund steht.
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Ein Pilotprojekt auf der chirurgischen Station im Klinikum Aschaffenburg-Alzenau befindet sich derzeit in der Umsetzung und sollte Schule machen.

„Was muss ich denn tun, um bei einem erneuten Krankenhausaufenthalt wieder auf diese Station zu kommen?" Fragen wie diese hört Prof. Dr. Friedrich Hubertus Schmitz-Winnenthal immer wieder. Sie motivieren ihn dazu, sein Herzensprojekt fortzuführen und geben ihm die Bestätigung, dass er auf dem richtigen Weg ist. Schmitz-Winnenthal ist Chefarzt der Chirurgischen Klinik I (CK I) am Klinikum Aschaffenburg-Alzenau und Projektinitiator des Pilotprojekts „Meine Station“.

Überlastetes Pflegepersonal

Im Alltag von Kliniken und Praxen ist der Mangel von Pflegekräften und Ärzten längst angekommen. Die Folge ist überlastetes Personal, das die anfallende Arbeit auf immer weniger Schultern verteilen muss. Immer wieder geben Pflegekräfte aufgrund von Stress und Überforderung und auch aufgrund der Tatsache, dass ihre Tätigkeit nicht die erhoffte Anerkennung erfährt, ihren Beruf sogar ganz auf und steigen aus der Pflege aus. Auch das ist leider keine Seltenheit.

Es geht auch anders

Dass es auch anders geht, zeigt ein Pilotprojekt, das am Klinikum Aschaffenburg-Alzenau seit Anfang 2023 sehr erfolgreich läuft. Prof. Dr. Friedrich Hubertus Schmitz-Winnenthal hat dort „Meine Station“ initiiert, ein Vorreiter-Projekt im Sinn von „New Work“. Was hat es damit auf sich?

Die Hintergründe

Prof. Dr. Friedrich Hubertus Schmitz-Winnenthal, Chefarzt der Chirurgischen Klinik I (CK I) und Projektinitiator des Pilotprojekts „Meine Station“: „Die Erfahrungen, die wir bisher mit ´Meine Station´ gemacht haben, sind sehr gut.“ | Foto: Klinikum Aschaffenburg-Alzenau
  • Prof. Dr. Friedrich Hubertus Schmitz-Winnenthal, Chefarzt der Chirurgischen Klinik I (CK I) und Projektinitiator des Pilotprojekts „Meine Station“: „Die Erfahrungen, die wir bisher mit ´Meine Station´ gemacht haben, sind sehr gut.“
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„Die Art und Weise, wie wir Patienten behandeln und wie wir Medizin machen, funktioniert nicht mehr so richtig“, erklärt Schmitz-Winnenthal. „Die Medizin entwickelt sich stets weiter, wir arbeiten aber immer noch in denselben Systemen. Dazu zählen unter anderem strenge Hierarchien, die von Chefärzten über Oberärzte, Fachärzte bis zu Assistenzärzten reichen und in der Pflege von der Pflegedienstleitung über die Stationsleitung und die Krankenschwestern bis zu den Pflegehelfern. Das wird den Bedürfnissen der Menschen nicht mehr gerecht. Wir sehen das daran, dass mehr und mehr Beschäftigte aus den medizinischen und pflegerischen Berufen aussteigen. Das ist unglaublich schade, weil die Berufe in der Medizin und Pflege so wundervoll sind. Wenn man einmal erfahren hat, wie die Medizin helfen und Hoffnung geben kann, dann ist das Licht, in dem die Mitarbeiter sich selbst wahrnehmen, auch zum Teil das Format, in dem sie arbeiten, schwierig und nicht immer zuträglich für die wertschätzende Arbeit, die diese Menschen tatsächlich leisten. Wenn diese Leute dann den Job verlassen, können wir die Behandlungen nicht mehr vollumfänglich durchführen, weil uns die Fachleute dafür fehlen. Ich beobachte das seit langem mit Sorge.“

Die Lösung: bedürfnisorientiertes Arbeiten

„Schon vor einigen Jahren habe ich mich daher auf die Suche gemacht“, führt Schmitz-Winnenthal weiter aus. „Ich habe mir die Frage gestellt, wie wir den Wert dieses Berufes wieder spürbar machen können. Ich bin dabei auf das Thema bedürfnisorientiertes Arbeiten gestoßen, das zum großen Feld der so genannten ´New Work-Formate´ zählt. ´Das könnte funktionieren´, dachte ich mir und initiierte ´Meine Station´, unser Pilotprojekt.“

Das Ziel: bessere Arbeitsbedingungen

Das Ziel von „Meine Station“ ist es, die Arbeitsbedingungen im Klinikum zu verbessern. Das Stationsteam gestaltet die Arbeit überwiegend selbst, trifft Entscheidungen gemeinsam und arbeitet bedürfnisorientiert. Diese Vorgehensweise ist zum Teil different zu klassisch aufgebauten Stationen, aber der Erfolg gibt den Initiatoren recht. Die Teammitglieder wurden für dieses Pilotprojekt von Experten vorbereitet und lernten unter anderem Selbstorganisation, gewaltfreie Kommunikation sowie rollen- und spannungsbasiertes Arbeiten. Die verbesserten Arbeitsbedingungen und die gute Arbeitsatmosphäre wiederum wirken sich positiv auf das Berufsbild und vor allem die Patientenversorgung aus.

So funktioniert „Meine Station“

„Meine Station“ ist eine von den Zusammenarbeitenden selbst organisierte Station, bei der bedürfnisorientiertes Arbeiten im Vordergrund steht. Das heißt, dass die Beschäftigten – und nicht die Patientinnen und Patienten, denen das Projekt „nur“ zugutekommt – sich Gedanken über ihre eigenen Bedürfnisse machen, um ihren Job gut und gerne machen zu können. Alle Stationsmitarbeiter formulieren selbst Schritte, wie ihre Bedürfnisse im Job erfüllt werden können. So kommt ein Veränderungsprozess in Gang. „Teilweise sind es nur kleine Veränderungen, die aber einen großen Unterschied machen können“, erläutert Schmitz-Winnenthal. „So hat unter anderem die Verlegung der Visite ins Untersuchungszimmer unsere Patientinnen und Patienten zunächst sehr überrascht, dann aber zur aktiven Mitarbeit ermutigt. Diese Veränderung wiederum entlastet das Personal, das dadurch Zeit für andere Dinge gewinnt.“

Bisher gute Erfahrungen

„Die Erfahrungen, die wir bisher mit ´Meine Station´ gemacht haben, sind sehr gut“, hebt Schmitz-Winnenthal weiter hervor. „Ich sehe das daran, dass wir immer mehr Veränderungen umsetzen.“ Dabei entstehen durch die Veränderungen keine Kompromisse, betont der Chefarzt, sondern Win-Win-Situationen, wovon alle Team-Mitglieder profitieren. „Natürlich gibt es auch Probleme und wir überlegen, wie wir diese beheben können. Dadurch, dass wir vieles selbst in der Hand haben, können wir aber sehr viel bewegen. Das macht unglaublich viel Spaß!“

„Meine Station“ selbst organisiert

Simone Gehrlich, Krankenschwester aus Großheubach: „Ich fühle mich wieder deutlich wohler in meinem Beruf, seitdem ich auf ´Meine Station´ arbeite.“ | Foto: privat
  • Simone Gehrlich, Krankenschwester aus Großheubach: „Ich fühle mich wieder deutlich wohler in meinem Beruf, seitdem ich auf ´Meine Station´ arbeite.“
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Simone Gehrlich aus Großheubach ist im Team von „Meine Station“ und von Anfang an dabei. „Das Pilotprojekt läuft seit Sommer 2022“, erzählt sie. „Im Herbst letzten Jahres hatten wir drei intensive Schulungswochenenden, in denen wir zur Selbstorganisation nach dem ´Loop Approach-Modell´ geschult wurden. Der Stationsbetrieb hat am 1. Februar 2023 begonnen. Die Station stand vorher leer, so dass wir alles komplett selbst organisiert haben von der Ausstattung über die Material- bis zur Medikamentenbestellung.“

Veränderungen zum Wohl aller

Für das Projekt hat Simone Gehrlich sich entschieden, wieder ins Klinikum zu gehen. „Ich bin Krankenschwester, habe aber vorher bei einem Arzt gearbeitet. Für mich war klar, dass ich nur für ein Projekt in meinen Beruf zurückkehre, bei dem ich etwas verändern kann. Das ist hier auf unserer Station der Fall. Daher habe ich gewechselt.“ Sie fühlt sich seitdem wieder deutlich wohler in ihrem Beruf und konnte erfahren, dass auch die Patientinnen und Patienten von „Meine Station“ profitieren. „Wir arbeiten mit flachen Hierarchien. Dadurch können wir uns ganz andere Strukturen schaffen. Wir wollen beispielsweise die Patientinnen und Patienten möglichst schnell mobil bekommen und nehmen sie daher in die Selbstverantwortung. Sie erhalten einen Visitentermin und werden in einem Arztzimmer visitiert. Das ist diskreter und wir erleben die Patienten durch diese Vorgehensweise besser vorbereitet. Einige haben einen Zettel dabei mit Fragen, die sie stellen möchten. Was auch immer möglich ist, sind Angehörigengespräche, die in der Visite mitgemacht werden. Das schafft Klarheit im Umfeld der Patienten. Zusätzlich schulen wir unsere Patientinnen und Patienten, bevor sie zum stationären Aufenthalt kommen. Das unterscheidet uns ebenfalls von anderen Stationen. All diejenigen mit geplanten OPs kommen zur Aufklärung ohnehin einige Tage für das EKG, zum Röntgen und das Anästhesie-Gespräch ins Klinikum. In diesem Zusammenhang erklären wir das Konzept unserer Station und zeigen, wie nach der OP bauchschonend aufgestanden wird. Sie bekommen einen Atemtrainer mit, da es wichtig ist, die Lunge gut zu belüften, und erhalten eine Packliste. Wenn Patienten vorher schon stark an Gewicht abgebaut haben, erhalten sie im Vorfeld eine Ernährungsberatung, um den Körper für den Eingriff zu kräftigen. Unsere Patientinnen und Patienten kommen besser vorbereitet zum stationären Aufenthalt, sind entspannter, angstfreier und machen sich weniger Sorgen.“

Ein gutes Gefühl bei der Arbeit

„Was bei uns ganz wichtig ist und über allem steht, ist die Frage ´Was brauchst du?´ bzw. ´Was braucht ihr, um besser arbeiten zu können?´ Ich muss mir selbst Gedanken machen, was ich brauche, damit ich meine Arbeit vollumfänglich machen und zufrieden heimgehen kann“, so Simone Gehrlich abschließend. „Das haben wir in unseren Alltag übernommen, und es gibt ein gutes Gefühl. Diese Rückmeldung bekommen wir auch von den Patientinnen und Patienten. Ich spüre, dass wir uns auf dem richtigen Weg befinden. Auch wenn es viel Arbeit ist und viel Energie fordert, weiß ich, dass die Patientinnen und Patienten davon profitieren.“

Ausweitung geplant

Bisher konzentriert sich „Meine Station“ nur auf die Pilotstation. Die Urologische Ambulanz des Klinikums hat jedoch schon einige Formate übernommen und gute Erfahren damit gemacht. „Daher ist unser Plan, das Format von ´Meine Station´ weiter auszubauen“, ist Schmitz-Winnenthal zuversichtlich. „Und es gibt auch schon Interesse von weiteren Kliniken.“ Für „Meine Station“ erhofft sich Schmitz-Winnenthal, dass es mit diesem System gelingt, nachhaltig gute Medizin zu machen, die sowohl den Mitarbeitern als auch den Patientinnen und Patienten eine bessere Versorgung ermöglicht.

Auszeichnung für „Meine Station“

Das Pilotprojekt „Meine Station“ hat auch über die Grenzen Aschaffenburgs hinaus großen Eindruck gemacht. Der frühere Gesundheitsminister Klaus Holetschek hat dem Team des Pilotprojekts Mitte September dieses Jahres die Barbara-Stamm-Medaille verliehen. Mit dieser Auszeichnung erfährt die wichtige Pionierarbeit, die das Team von „Meine Station“ jeden Tag leistet, eine große Wertschätzung und Würdigung.

Judith Gerlach, Bayerische Staatsministerin für Gesundheit, Pflege und Prävention: „Das Pilotprojekt ‚Meine Station‘ ist einzigartig und voller Innovation.“ | Foto: Foto: Anne Hufnagl, StMD
  • Judith Gerlach, Bayerische Staatsministerin für Gesundheit, Pflege und Prävention: „Das Pilotprojekt ‚Meine Station‘ ist einzigartig und voller Innovation.“
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Auch die aus dem Landkreis Aschaffenburg stammende bayerische Gesundheitsministerin Judith Gerlach kennt das Projekt persönlich. Sie betont: „Das Pilotprojekt ‚Meine Station‘ ist einzigartig und voller Innovation. Solche Projekte sind genau das, was wir jetzt brauchen, um die Personalsituation in den Krankenhäusern zu verbessern. Das Klinikum Aschaffenburg-Alzenau schafft die Grundlage dafür, dass die Pflegekräfte die Wertschätzung erhalten, die sie verdienen, und gerne zur Arbeit kommen. Das Stationsteam auf der allgemeinchirurgischen Station gestaltet die Arbeitsbedingungen überwiegend selbst. Die Dienstpläne werden gemeinschaftlich erstellt. Dadurch können die Bedürfnisse des Einzelnen besser berücksichtigt werden.“

Lesen Sie zu diesem Thema auch folgenden Beitrag:
Werben für den Pflegeberuf - »Let’s talk about care«

»Let’s talk about care«, szenische Darstellung mit Talk-Runde im JEG Elsenfeld.
Autor:

Andrea Kaller-Fichtmüller aus Miltenberg

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