Es reicht! Mainfränkische Bauarbeiter lehnen Schlichterspruch ab

Altes verschwindet und macht Platz für Neues, das schwere Baugerät knabbert langsam daran - hier auf einer Großbaustelle im Rhein-Main-Gebiet. Schwer zu knabbern haben auch die 850.000 Beschäftigten im Bauhauptgewerbe, ein guter Tarifabschluss lässt weiterhin auf sich warten... | Foto: Andrea Faggiano
  • Altes verschwindet und macht Platz für Neues, das schwere Baugerät knabbert langsam daran - hier auf einer Großbaustelle im Rhein-Main-Gebiet. Schwer zu knabbern haben auch die 850.000 Beschäftigten im Bauhauptgewerbe, ein guter Tarifabschluss lässt weiterhin auf sich warten...
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Die Tarifverhandlungen im Bauhauptgewerbe gerieten ins Stocken. Prof. Dr. Rainer Schlegel, Vorsitzender Richter am Bundessozialgericht, fällte im Rahmen des Schlichtungsverfahrens am Donnerstag, den 03. 09. 2020 den Schlichterspruch: 500,- € netto Corona-Prämie (Azubis: 250,- €); 2,1 % Lohnerhöhung ab dem 01. 01. 2021 im Westen (Ost: 2,2 %); 0,5 % Wegezeitentschädigung ab dem 01. 10. 2020. Für die Lehrlinge, pro Monat mehr: 40,- € im ersten; 30,- € im zweiten; 20,- € im dritten Lehrjahr.

Das Signal der Bereitschaft, die bisherigen Leistungen der rund 850.000 Beschäftigten würdigen zu wollen, wurde in der Öffentlichkeit von beiden Tarifvertragsparteien regelrecht als Durchbruch gefeiert.

Dem gegenüber standen aber auch die Forderungen: 6,8 % mehr Lohn ab dem 01.05.2020 (jedoch mind. 230,- €); 100,- € pro Lehrjahr mehr pro Monat für Lehrlinge; eine angemessene Wegezeitentschädigung.

Die Basis hat nun die Möglichkeit, bis zum 18. 09. 2020 – Ende der Erklärungspflicht - Stellung zu beziehen.
Der Einladung zur offenen Diskussion der IG BAU Würzburg-Mainfranken nach Langendorf (Kreis Bad Kissingen) sind am Donnerstag, den 10. 09. 2020 22 Beschäftigten aus 7 mittelständischen Betrieben gefolgt.
Gewerkschaftssekretär Michael Langer stellte die Ergebnisse der Verhandlungen vor und bat die Anwesenden um die Mitteilung ihrer Sichtweise.

Die Wut über den aus ihrer Sicht schlechten Ausgang wurde laut ausgesprochen: Die IG BAU zeigt keine Flagge, sei nicht mutig genug und sie vertritt die Interessen der Mitglieder kaum.
Dabei drohten viele aus der Organisation auszusteigen, sollte der Schlichterspruch angenommen werden.

Michael Langer versuchte in seiner Moderation stets daran zu erinnern, dass der angestrebte Prozess demokratisch erfolgt und dass der Schlichterspruch nur dann nicht akzeptiert werden kann, wenn die Basis hierzu auch bereit für den Arbeitskampf – für den Streik - stünde.

Das Wort Streik löste bei den Beteiligten den Knoten: Ja, sie sind dafür bereit und sie können es kaum erwarten.

Die Enttäuschung über das Verhalten der Arbeitgeberverbände ist riesig: Die Umsätze aber auch Gewinne seien gestiegen, die Löhne nicht. Die Auftragsbücher sind seit Jahren voll, die Kassen aber leer? Für alles hätten die Arbeitgeber eine Ausrede und die aktuelle Wirtschafssituation im Allgemeinen komme genau gut gelegen, um dem Märchenbuch der Ausreden den Titel zu verleihen: CORONA ist an allem schuld.

Andrea Faggiano aus Obernburg, Mitglied der Bundestarifkommission, stand an diesem Abend als Gast Rede und Antwort. Schwer unter Beschuss geraten musste er mehrmals betonen, wie schwierig die Tarifverhandlungen gelaufen sind.
Er erläuterte die Abläufe – von Beginn an- und erklärte, auch er sei mit dem Ergebnis nicht zufrieden. Er versicherte dennoch, der Bundesvorstand der IG BAU, die Verhandlungskommission und die rund 160 Mitglieder der Bundestarifkommission geben im unerwarteten Corona-Jahr trotzdem ihr Bestes, um das Wohle der BauarbeiterInnen zu sichern und auszubauen. Die Schlichtung sei doch schon der erste Schritt für einen Kompromiss.

Das Alles half nicht, die Anwesenden übertönten teilweise seine Ansprache und äußerten wutentbrannt: Es reicht. Man muss Flagge zeigen. Nicht mit uns.
Die Pläne für Aktionen wären schon in der Schublade: von Blockieren der Autobahnknoten A3 und A7 bei Würzburg, das Herz der Infrastruktur Deutschlands und Europas läge genau hier – als Zeichen der Bedeutung der Wegezeiten = Lebenszeiten – bis hin zum Bestreiken der eigenen aber auch Fremdbetrieben.

Michael Langer und Andrea Faggiano mussten mehrmals tief Luft holen und die Bauarbeiter beruhigen. Vergebens.

Lautstark wurde nach einer Abstimmung verlangt. Andrea Faggiano als gewählten Delegierten für die Region Würzburg-Mainfranken solle bei der anstehenden Konferenz am Vorabend des Endes der Erklärungspflicht, Mittwoch 16. 09. 2020, das Ergebnis vertreten. Daran sei er gebunden.
Einstimmig sprachen sie sich für die Ablehnung des Schlichterspruchs aus.

Die Diskussion wurde in ermahnenden Tönen beendet: Die Franken lassen sich nicht unterkriegen, notfalls fahren sie jetzt und sofort nach Berlin- sie kennen den Weg dorthin sehr gut, dazu bauen sie ja die Autobahnen...

Autor:

Andrea Faggiano aus Obernburg am Main

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