Verabschiedet
Kreistag im Landkreis Miltenberg sagt Ja zum Haushalt 2023
Mehrheitlich hat der Kreistag am Montag, 24. Juli, den Haushalt 2023 verabschiedet – einschließlich des Investitionsprogramms, des Finanzplans, des Stellenplans, der Haushaltssatzung sowie der Kreditermächtigung in Höhe von 10,9 Millionen Euro.
In seiner Haushaltsrede verwies Landrat Jens Marco Scherf auf Krisen wie den Ukraine-Krieg mit Folgen für die Flüchtlingsaufnahme und die Integration, die gestiegenen Bedarfe im Jugendhilfebereich, die kriegsbedingte Energiekrise und auch die Inflation. Alle diese Faktoren brächten höheren Druck auf den Kreishaushalt, aber auch die Einnahme- und Ausgabenpolitik von Bund und Land zeige, dass vor allem an der kommunalen Finanzausstattung gespart werde. So stagnierten die Schlüsselzuweisungen seit 2020, rechnete Scherf vor. Bürgergeld, Wohngeld, Deutschlandticket, Unterbringung und Versorgung Geflüchteter, Ganztagsbetreuung im Grundschulalter, Rückabwicklung von Corona-Bescheiden, digitale Verwaltung und vieles mehr – die Kommunen müssten verlässlich liefern, „aber Bund und Land vergessen die Leistungsfähigkeit ihrer Kommunen!“ Zu den Aufgabenmehrungen zähle auch die Bewältigung der Folgen der Klimakrise, verwies der Landrat etwa auf die Klimaneutralstellung der Verwaltung, die kommunale Wärmeplanung sowie die Ausstattung des örtlichen und überörtlichen
Katastrophenschutzes im Rahmen der Klimafolgenstrategie. Für Scherf ist der Haushalt 2023 „Ausdruck des entschiedenen Gestaltungswillens auch bei erschwerten Rahmenbedingungen, ein Zeichen des Mutes und der Gestaltungskraft des Landkreises Miltenberg.“ Der Kreis investiere in die Zukunft, so Scherf, „wir packen die Aufgaben an!“
Kreistag und Verwaltung könnten die Energiewende gemeinsam meistern, zeigte Scherf beispielhaft mit Verweis auf eine Arbeitsgruppe zur Energiewende, eine Tagung mit Energieversorgern und Großabnehmern und einer hieraus mündenden einstimmigen Erklärung des Kreistags im Dezember 2022. Mit der Gründung des REW, des Regionalen Energiewerks, übernähmen die Gemeinden in vorbildlicher Weise Verantwortung, lobte Scherf, ebenso mit den Aktivitäten zum Energiesparen, zur Klimaanpassung und zur kommunalen Wärmeplanung. Auch das Landratsamt leiste seinen Beitrag zur
Dekarbonisierung: etwa mit der Teilnahme am European Energy Award, der Umsetzung des Photovoltaik-Programms, der Unterstützung des Transformationsprozesses der Industrie über die Zentec, der Fortführung des Radwegebaus sowie der Radwegeförderung und dem 7,5-Millionen-Euro-Projekt „Gute Luft für unsere Schulen“. Der Haushalt basiere auf der überdurchschnittlichen Steigerung der Umlagekraft des Landkreises um 9,1 Prozent, die vor allem dem Anstieg von Gewerbe- und Einkommensteuer auf 177 Millionen Euro zu verdanken sei. Es sei gut, dass der Landkreis in den letzten Jahren investiert habe, auch die Umsetzung des neuen Glasbodens in der Untermainhalle befand Scherf für nachhaltig und gut. Dieser Boden sei kein „Prestigeobjekt“, er sei vielmehr das „Vorzeigeprojekt des Landkreises in Sachen Sportund Bildung, Effizienz und Nachhaltigkeit.“
Wer den Haushalt ablehne, sage Nein zu den Investitionen und zur Generalsanierung der Berufsschule, stellte er fest. Der Haushalt stehe „für einen klaren Kompass und strategisches Handeln“, was sich etwa durch die Auflösung der MIL GbR mit einem außerordentlichen Ertrag von 1,58 Millionen Euro durch den Verkauf des Gründerzentrum- Gebäudes zeige. Für ZENTEC-Themen brauche es kein solches Gebäude, sondern eine Einheit, die Start-Ups betreut, den Transformations-Prozess unterstützt und Regionalentwicklung betreibt.
Investitionen seien gerade jetzt richtig und wichtig, verwies der Landrat unter anderem auf den Bau der Sporthalle der Main-Limes-Realschule (4,35 Millionen Euro) und die Digitalisierung der Schulen (2,1 Millionen Euro). „Wir arbeiten den Investitionsbedarf an den Schulen konsequent ab, um den Rücken frei zu bekommen für die Aufgabe des Jahrzehnts, die Generalsanierung der Berufsschule Miltenberg-Obernburg“, so Scherf: „Wir wanken nicht, wir stehen zur beruflichen Bildung, zu Industrie und Handwerk, zu Bildungschancen der Jugend und zur Zukunft von Industrie und Gewerbe, von Handel und
Dienstleistung.“
Finanziert würden die Investitionen nicht durch Rücklagen, denn diese Vorsorge habe der Bayerische Gemeindetag im Landkreis eindrücklich nicht gewollt. Vielmehr solle sich der Kreis das Geld dann holen, wenn er es brauche. Daher gehe man laut Scherf den schmerzhaften, aber richtigen Weg über die Fremd-Finanzierung. So müsse man die Nettokreditaufnahme nutzen und die Schulden bis Ende 2023 auf etwa 26 Millionen Euro anheben. Auch in den folgenden Jahren stiegen die Schulden, um die Gemeinden nicht
über Gebühr zu belasten. „Die in der Mittelfristplanung hinterlegte Kreisumlagen-Erhöhung dient größtenteils nicht der Finanzierung der Investitionen“, stellte Jens Marco Scherf klar, vielmehr brauche man das Geld zum Ausgleich im Verwaltungshaushalt. Ein um 3,8 Millionen Euro höherer Zuschussbedarf in Jugendhilfe und Sozialhilfe, eine um 3 Millionen Euro höhere Zuführung an den Bezirk und 3,5 Millionen Euro, um zusätzliche staatliche Aufgaben zu finanzieren, die nicht erstattet werden – das allein seien rund 10 Millionen Euro, rechnete der Landrat vor. Er erwarte keinen Blankoscheck für die Generalsanierung der Berufsschule, stellte er klar und versprach, in der weiteren Planung auf die wirtschaftliche Umsetzung zu achten.
Eindrücklich stellte sich Scherf hinter das Personal im Landratsamt, das mindestens seit 2015 in vielen Bereichen mit Leidenschaft und Hingabe arbeite, oft am Limit und darüber hinaus. Die pauschale und dauerhafte Kritik mache ihn deshalb sprachlos, gestand er ein, solche Kritik zeuge von Mangel an Verständnis und Vertrauen in die Arbeit der Verwaltung.
Für die CSU stellte Armin Bohnhoff fest, dass 42 Prozent der Gemeinden eine angespannte Finanzlage hätten und die Einnahmesituation sich weiter verschlechtern werde. Er erkannte beim Landkreis keinen Sparwillen und forderte den Landrat auf, nicht von anderen hierzu Vorschläge zu verlangen, sondern diese selbst vorzulegen. „Die CSU hilft aber gerne“, so Bohnhoff. Jeder müsse den Gürtel enger schnallen, die angekündigte Steigerung der Kreisumlage sei für die CSU „nicht machbar“. Den Glasboden in der Untermainhalle bezeichnete er als „Luxusprojekt“. Es müsse auch nicht für jedes Thema ein Beauftragter eingestellt werden, befand er, das sei weder effizient noch finanzierbar. Den Anstieg der Personalkosten und der Stellenzahl in den letzten Jahren bezeichnete er als bedenklich, es brauche daher eine konsequente Aufgabenkritik und Projekte zur Effizienzsteigerung. Für die CSU ist der Neubau der Berufsschule nur durch Einsparungen an anderer Stelle möglich.
Thomas Zöller sah für die Freien Wähler den Haushalt mit einem lachenden und weinenden Auge. Beim Personal sehe man kaum Einsparmöglichkeiten, da man zum einen viele Aufgaben „von oben“ delegiert bekomme, zum anderen seien Personalmehrungen meist einmütig in den Ausschüssen beschlossen worden. Mit einer Mehrung von 13,65 Stellen liege man im Vergleich zu anderen Landkreisen noch gut, so Zöller. Die Erhöhung der Kreisumlage in den nächsten Jahren werde notwendig sein, die Kommunen würden aber hart verhandeln und sicher Lösungen finden. Die rund 22 Millionen Euro Investitionen, hauptsächlich für die Schulen, seien eine gute Investition in die Zukunft.
Für Bündnis 90/Die Grünen bezeichnete Ansgar Stich den Haushalt als „verantwortungsbewussten Entwurf“. Nun müsse der Landkreis für die geplanten Investitionen Kredite aufnehmen, da sich der Landkreis aufgrund des Wunsches der Gemeinden dann Geld holen solle, wenn er es braucht. Wer dem Haushalt zustimmt, bekomme unter anderem funktionsfähige Behörden und Ämter, eine Antwort auf das
Vorgehen von Bund und Land, die etwa im ÖPNV immer weniger erstatten, eine Weiterführung der freiwilligen Leistung der Radwegeförderung, eine nachhaltige Lösung in Sachen Hallenboden bei der Untermainhalle, den Neubau der Zweifachturnhalle an der Main-Limes-Realschule Obernburg und den realen Startschuss zur schnellstmöglichen und dringendst notwendigen Generalsanierung der Berufsschulen.
„Die bequemen Jahre sind vorbei“, stellte Karlheinz Paulus für die SPD-Fraktion fest und verwies unter anderem auf die hohen Energiepreise. Zur Personaldiskussion stellte er fest, dass die neuen Stellen notwendig seien, auch Investitionen wie in die Berufsschule bezeichnete er als wichtig. Letzteres Vorhaben dürfe man nicht weiter hinauszögern. Auch der Klimawandel sei eine Herkulesaufgabe, wies er auf die notwendige Ausstattung der Wehren für die Bewältigung von Waldbränden hin. Die Gründung des Regionalen Energiewerks sei eine richtige Entscheidung. Auch Paulus kritisierte die mangelhafte Erstattung von Kosten durch Bund und Land.
Günther Oettinger stimmte für die Neue Mitte dem Haushalt vollinhaltlich zu. Der Zuwachs an Personalstellen sei „gut nachvollziehbar“, sagte er. Man habe in den letzten Jahren die Schulden konsequent abgebaut, nun hole man neues Geld für Investitionen herein. „Das Geld wird nicht konsumiert, sondern investiert“, argumentierte Oettinger und lobte die Investitionen, die fast ausschließlich Schulen betreffen. Der Sozialhaushalt bereite Sorgen, gab er zu, aber auch diese Vorgaben kämen ausschließlich „von oben“.
Für die FDP bedauerte Markus Krebs, dass Land und Bund immer mehr Aufgaben an die Kommunen delegieren, ohne die finanziellen Mittel bereitzustellen. Man müsse auf allen Ebenen daran arbeiten, dass sich das ändert. Wenn die Differenz von 3,5 Millionen Euro pro Jahr erstattet würde, sähe der Haushalt anders aus. Der Schuldenstand sei über die letzten Jahre immer weiter gesunken und die FDP hätte gerne gesehen, dass dies so weiter geht. Aber es gebe es wie in jedem Unternehmen auch im Landkreis die Phase, in der man investieren müsse, um langfristig erfolgreich zu sein. Mit Investitionen von 22 Millionen Euro in diesem Jahr schaffe man einen langfristigen Mehrwert für die Bevölkerung, so Krebs. Es gelte dennoch, jede Maßnahme und jede neue Stelle kritisch zu überprüfen.
„Der Haushalt ist gut gemacht“, sagte Regina Frey für die ÖDP, dennoch sah sie den Stellenplan kritisch. Die Arbeitsgruppe zur Stellenplanentwicklung habe ihrer Meinung nach die Erwartungen nicht erfüllt. Eine weiter wachsende Verwaltung sei nicht leistbar, zeigte sie sich überzeugt und forderte die Straffung der Verwaltung. Die Frage sei, ob jeder Mitarbeiter die richtige Aufgabe habe, sagte sie und kritisierte etwa die geplante weitere Stelle in der Zulassungsstelle. Auch bei externen Gutachten sah sie noch Einsparpotenzial. Der ÖDP wäre es zudem am liebsten, wenn der Umlagesatz über längere Zeit gleichbleiben würde, damit auch Rücklagen gebildet werden können.
Kurz aus dem Kreistag:
Einstimmig sprach sich der Kreistag darüber hinaus dafür aus, so wie es bereits der Ausschuss für Natur- und Umweltschutz empfohlen hatte, auf der Kreismülldeponie in Guggenberg eine Anlage zur regenerativ-thermischen Oxidation (RTO) zu errichten. Diese Anlage, bayernweit ein Novum, soll die Deponie binnen zehn Jahren fast komplett entgasen, so dass kein klimaschädliches Methan mehr in die Atmosphäre entweicht. Die Baukosten belaufen sich auf geschätzt 1,2 Millionen Euro, die geförderte Summe beträgt
720.000 Euro.
Schlachthof: Auf die Frage aus dem Gremium, was der Landkreis im Hinblick auf die skandalösen Zustände im Schlachthof Aschaffenburg tun kann, antwortete der Landrat, dass der Kreis selbst darauf keinen Einfluss habe. Das Veterinäramt stehe jedoch im Austausch mit den Kollegen in Aschaffenburg und fordere Dokumente und Aufnahmen hierzu an. Wichtig ist laut Landrat, dass die über 20 noch selbst schlachtenden Betriebe im Landkreis Miltenberg nicht durch diesen Fall in Misskredit gezogen werden dürfen. Die Aufklärung der Vorfälle sei daher extrem wichtig – auch für die Tierhalter und Schlachtbetriebe im Landkreis Miltenberg.
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