Gesundheit
Ideen für eine besser Kinderarztversorgung ausgetauscht

Was kann man gegen den Kinderarztmangel im Landkreis Miltenberg tun? Bei einem Treffen in Dorfprozelten wurden mehrere Ideen diskutiert, wie zumindest mittelfristig eine Besserung erreicht werden kann. | Foto: Winfried Zang
  • Was kann man gegen den Kinderarztmangel im Landkreis Miltenberg tun? Bei einem Treffen in Dorfprozelten wurden mehrere Ideen diskutiert, wie zumindest mittelfristig eine Besserung erreicht werden kann.
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Wie kann im Landkreis Miltenberg eine umfassende kinderärztliche Versorgung gewährleistet werden? Diese Frage stand im Mittelpunkt eines Treffens von Akteuren aus Politik, Landratsamt, Ärzteschaft und betroffenen Müttern am Dienstag, 23. Juli, im Gasthaus „Stern“ in Dorfprozelten. Die Initiative hierzu war vom Bundestagsabgeordneten Alexander Hoffmann, Parlamentarischer Geschäftsführer der CSU im Bundestag, und dem Mitglied des Gesundheitsausschusses im Bundestag, Emmi Zeulner, ausgegangen,
unterstützt vom Landkreis Miltenberg mit Landrat Jens Marco Scherf an der Spitze.

Dass es um die kinderärztliche Versorgung im Kreis nicht gut bestellt ist, ist seit mehreren Jahren kein Geheimnis. Davon kündeten nicht nur die Meldungen einiger Mütter, die mit ihren Kindern sogar nach Würzburg fahren. Das Thema beschäftigt gerade im Südspessart alle Gemeinden, die seit Schließung des Wertheimer Krankenhauses und des Medizinischen Versorgungszentrums in Kreuzwertheim zudem die sonstige Gesundheitsversorgung in Gefahr sehen. Kein Wunder also, dass sich die Ortsoberhäupter von Altenbuch (Andreas Amend), Collenberg (Andreas Freiburg), Dorfprozelten (Lisa Steger), Faulbach (Wolfgang Hörnig) und Stadtprozelten (Walter Adamek in Vertretung von Rainer Kroth) engagiert an der Diskussion beteiligten. Auch das Landratsamt war in Person von Landrat Scherfs Büroleiterin Susanne Seidel, der Leiterin des Gesundheitsamts Regina Roloff sowie Isabella Zerritsch und Nicole Meschkov
(Gesundheitsregion Plus) vertreten. Adam Hofstätter (Kassenärztliche Vereinigung), das Ärzte-Ehepaar Linke sowie der Landtagsabgeordnete Martin Stock schalteten sich ebenfalls in die Diskussion ein.

Die Problemlage sei sehr früh von Seiten des Landratsamts erkannt worden, stellte Hoffmann fest, so hätten Landrat Jens Marco Scherf und er bereits seit 2015 engagiert um mehr Arztsitze gekämpft. Das bestätigte Regina Roloff, Leiterin des Gesundheitsamts, die die Anstrengungen seit dem Jahr 2015 auflistete. Der Landkreis sei in Bezug auf die Kinderarztsitze laut Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach sogar „drohend unterversorgt“. Die Gesundheitsregion Plus stehe im Kontakt mit allen Akteuren des Gesundheitswesens, versicherte Leiterin Isabella Zerritsch. Man habe etwa ein Famulaturprogramm auf den Weg gebracht, der Nachwuchsmediziner:innen in den Landkreis bringen soll. Auch die Gründung eines unterfränkischen Weiterbildungsverbunds für Kinderärzte sei angedacht. Die Kassenärztliche Vereinigung ringe seit Jahren um eine bessere Versorgung, versicherte Adam Hofstätter, man habe
sogar ein Förderprogramm aufgelegt. Für die 2,5 freien Kinderarztsitze im Kreis gebe es
aber keine Nachfrage, bedauerte er.

Mediziner Thomas Linke hat mit Sorge beobachtet, dass die Großeltern-Generation zunehmend wegfällt. Die habe immer wieder Tipps zur Kindergesundheit parat gehabt, so dass häufig kein Besuch beim Kinderarzt notwendig war. Linke, der mit seiner Frau Julia eine Allgemeinarztpraxis in Niedernberg betreibt, hat sich bereiterklärt, die U-Untersuchungen von Kindern zu erledigen. Lediglich bei Kindern mit schweren Behinderungen, die einen Facharzt bräuchten, verweise man Eltern an andere Stellen. Emmi Zeulner sparte gegenüber dem Ehepaar nicht mit Lob, „denn Sie tun mehr als Sie
müssen.“

Doch was kann man gegen den Kinderarztmangel tun? Emmi Zeulner, gelernte Gesundheits- und Krankenpflegerin, fand, dass man durchaus „außerhalb des Systems“denken müsse – alles andere habe bislang nicht viel gebracht. Sie stellte mehrere Ideen vor, die sie mit dem Gremium auf Machbarkeit abglich. Ein Vorschlag lautete beispielsweise, mit der Universitätsklinik Würzburg über eine Institutsambulanz im Landkreis Miltenberg zu reden. Dabei würde ein Facharzt mehrere Ärzte in Weiterbildung anleiten. Dieser Vorschlag fand allgemeine Zustimmung, so dass Zeulner den Landtagsabgeordneten Martin Stock bat, dieses Thema an möglichst hoher Stelle in München anzusprechen. Der sicherte zu, dieses Anliegen mit Markus Blume, dem Staatsminister für Wissenschaft und Kunst, zu besprechen, in dessen Ressort auch die Universitätskliniken fallen. Zeulner versprach, ihn hierbei in München zu unterstützen. Auch die Unikliniken in Frankfurt oder Heidelberg könne man ansprechen, schlug Zeulner vor.

Eine weitere Idee der Gesundheitsexpertin: eine „umgekehrte Ausschreibung“. Das bedeutet nichts anderes, als dass ein Arzt ein gewisses Jahreseinkommen garantiert bekommt, damit er in einer Kommune praktiziert. Mediziner Linke plädierte dafür, einen solchen Schritt vorher mit der Ärzteschaft abzusprechen und glaubt an Widerstand der Ärzteschaft. Ein ähnliches Modell wäre eine Art Eigeneinrichtung der Kassenärztlichen Vereinigung. Für Hoffmann wäre das am Ende immer noch günstiger, als wenn Hilfesuchende in teureren Einrichtungen wie der Uniklinik oder der Krankenhaus-Notaufnahme „aufschlagen“.

Den Vorschlag, die Ärzteschaft des Öffentlichen Gesundheitsdienstes mit einzubeziehen bei den U-Untersuchungen, sah Regina Roloff skeptisch: Das Gesundheitsamt sei mit der U9-Untersuchung beschäftigt, mehr sei nicht leistbar. In Miltenberg habe man noch das Glück, über eine Kinderärztin mit einer Halbtagsstelle zu verfügen, sonst wäre auch das nicht möglich. Könnte man dann nicht mehr Hausärzte in die U-Untersuchungen einbeziehen, so wie es die Praxis Linke tut? Dafür bräuchte es mehr Ärzte, die Spezialkenntnisse der Gesundheit ihrer jungen Klientel hätten. Aber auch dafür gäbe es eine Lösung, wie Thomas Linke sagte: Kostenfreie Kurse für Allgemeinärzte über Kinderkrankheiten anbieten, dann würde sich vielleicht manch einer überzeugen lassen.

Auch zusätzliche finanzielle Anreize seien nötig, verwies Julia Linke auf die derzeitige Gebührenordnung. Zudem, glaubt Thomas Linke, hätten manche Ärzte schlichtweg Angst, aufgrund mangelnder Erfahrung in der Behandlung von Kindern vor dem Richter zu landen.

Aber auch die Eltern könnte man besser informieren im Umgang mit Kinderkrankheiten, lautete ein weiterer Vorschlag – eventuell in Kooperation von Schulen mit Ärzten oder Gesundheitsfachkräften. Könnte man nicht auch ältere, pensionierte Ärzte aus dem Pool der Kassenärztlichen Vereinigung einbeziehen, die entsprechende Kenntnisse haben? Die gesetzlichen Regelungen gäben das bislang nicht her, schränkte Adam Hofstätter ein. Die Kassenärztliche Vereinigung sei aber grundsätzlich dazu bereit, alles für eine ausreichende Kinderarztversorgung zu tun, versicherte Hofstätter. Realistisch gesehen müsse man aber sagen, dass es nicht ausreichend Kinderärzte gibt. Daher wurde hinterfragt, ob man die strengen Zulassungsbeschränkungen für ein Medizinstudium nicht lockern könnte, damit mittel- und langfristig wieder mehr Kinderärzte ausgebildet werden können.

Ideen gibt es also viele, aber kurzfristig ist wohl keine zu realisieren. Dennoch ging vom Dorfprozeltener Treffen die Botschaft aus, dass Politik und die im Gesundheitswesen Tätigen alles tun, damit zumindest mittelfristig die kinderärztliche Versorgung wieder ausreicht.

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