DGB Pressekonferenz
Wirtschaftskrise aus Sicht der Beschäftigten

Foto: Copyright Eray Koyuncu/TV Mainfranken
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Zu den Auswirkungen der Wirtschaftskrise aus Sicht der Beschäftigten hat der DGB Unterfranken zu einer Pressekonferenz im Aschaffenburger Gewerkschaftshaus geladen.
Es folgen einige O-Tone der TeilnehmerInnen an der PK sowie eine inhaltliche Einordnung.

-Frank Firsching, DGB Unterfranken, Regionsgeschäftsführer
„Diese Arbeitgeberwünsche aus der Zeit der Industrialisierung des 19. Jahrhunderts sind ein skrupelloser Angriff auf die Gesundheit der Beschäftigten. Jetzt ist gesellschaftlicher Zusammenhalt gefragt und kein Egoismus zu Lasten anderer. Mit uns ist gesellschaftlicher Rückschritt von der sozialen in die freie Marktwirtschaft unter dem Vorwand der Krisenbewältigung nicht zu machen. Wir werden erbitterten Widerstand leisten.“

- Percy Scheidler, IG Metall Aschaffenburg, Geschäftsführer
„Wir kämpfen um jeden Arbeitsplatz und fordern die Unternehmen auf, sich an Tarifverträge zu halten.“

Holger Kempf, IG BCE Mainfranken, Geschäftsführer
„Wenn ein Unternehmen am Industriecenter Obernburg in Schieflage gerät, hat das unmittelbare Auswirkungen auf die anderen Unternehmen am Standort. Wir stehen mit den Unternehmen in Verhandlungen, um die Interessen der Beschäftigten zu wahren.“

- Marlis Mergenthal, IG BCE Mainfranken, Gewerkschaftssekretärin
„Bei Sappi in Stockstadt werden 170 Vollzeitstellen gestrichen. Das hat gravierende Auswirkungen auf die Beschäftigten, von denen viele bei Sappi gelernt haben und seit vielen Jahren dort arbeiten.“

Monika Hartl, GEW Kreisvorsitzende Aschaffenburg-Miltenberg
„Verschiedene Gemeinden waren sehr finderisch mit dem Einsatz ihrer ErzieherInnen, JugendpflegerInnen, SozialpädagogInnen. Sie leisteten in der Zeit der Schließung vielfach andere Dienste, sei es im Kinderheim, im Sozialamt oder im Gesundheitsamt, aber auch Fortbildungen, „Basteln to go“ und Telefonbetreuung waren an der Tagesordnung.“


Björn Wortmann, DGB Kreisvorsitzender Aschaffenburg-Miltenberg

„Schon über 13 Millionen Euro sind dieses Jahr an Kurzarbeitergeld in die Region geflossen. Das sichert Existenzen und Kaufkraft in der Region. Wir haben die Zukunftsperspektiven der jüngeren Generation im Blick. Jüngere sind mehr von Niedriglöhnen und Befristung betroffen. Wir fordern die Unternehmen in der Region auf, Auszubildende nach Abschluss der Ausbildung zu übernehmen und das Ausbildungsangebot aufrecht zu halten.“

Medizinisch, gesellschaftlich und wirtschaftlich betrachtet ist die Corona-Pandemie eine Katastrophe, keine Frage. Doch haben Krisen die Angewohnheit die Schwachstellen in Gesellschaften schonungslos aufzudecken.
Ohne zu vergessen die eigenen Probleme zu benennen und anzugehen, lohnt dabei ein vergleichender Blick. International betrachtet darf festgestellt werden, dass Deutschland bisher relativ gut durch die Pandemie ge-kommen ist. Das liegt nicht zuletzt an einem selbstverwalteten guten Gesundheitssystem, an Politikerinnen und Politikern die vernünftige Entscheidungen treffen und an funktionierenden Sozialsystemen, die den Menschen Sicherheit geben.
Betrachten wir uns das Geschehen in den USA dürfen wir getrost feststellen, dass die freie Marktwirtschaft der sozialen Marktwirtschaft besonders in Krisensituationen hoffnungslos unterlegen ist. Kommt ein rechtspopulis-tischer narzisstischer Präsident dazu wird die Lage nahezu aussichtslos. Überhaupt fällt im internationalen Vergleich auf, dass rechtspopulistische und rechtsextreme Staatenlenker in der Pandemiebekämpfung aus-nahmslos versagen.

Arbeitsmarktlage:
Von einem vergleichsweise niedrigen Niveau aus stieg die Arbeitslosigkeit am bayerischen Untermain im Juni 2020 gegenüber dem Vorjahresmonat um etwa 2700 Personen auf 9006 Personen kräftig an, wobei die Ar-beitslosenquote mit 4,2% immer noch moderat daher kommt. Im Landkreis Miltenberg stieg die Arbeitslosigkeit gegenüber dem Vorjahresmonat mit 48,4% am stärksten an. Zu den Arbeitslosen müssen noch rund 2500 Personen in Unterbeschäftigung hinzugezählt werden, sodass derzeit rund 11.500 Menschen in der Region bayerischer Untermain arbeitssuchend gemeldet sind. Schon vor Corona war der Transformationsdruck auf Beschäftigung aufgrund von Digitalisierung, Mobilitäts- und Energiewende stark zu spüren. Corona wirkt nun wie ein Brandbeschleuniger.
Die Dramatik der Situation spielgelt sich am bayerischen Untermain aktuell weniger anhand der Arbeitslosen-zahlen als an der Anzahl der Beschäftigten in Kurzarbeit wieder. So wurden seit März in 4424 Betrieben Kurzarbeit für 67.670 Beschäftigte angemeldet. Auch wenn nach den Abrechnungen letztlich für weniger Beschäftigte längerfristige Kurzarbeit nötig war, bleibt der Wert unerreicht.

Ergänzende Informationen: Beschäftigte in Arbeitnehmerüberlassung: 3.433
Begonnene sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse - Befristungsanteil 35,8%
24.000 Menschen verdienen in der Region in Vollzeit weniger als 2500€ brutto. Bei 67% Lohnersatzleistung durch KuG: ca. 1100€ Netto/monatlich
Seit Jahresbeginn wurden 13,297 Mio. EUR KuG ausgezahlt; zum Vergleich im Vorjahreszeitraum nur 329,4 TEUR.

Junge Generation/Ausbildungsmarkt
Junge U25 besonders von Befristung betroffen: 50% befristet.
Vor allem die Jüngeren vom Anstieg der Arbeitslosigkeit betroffen. Im Agenturbezirk Aschaffenburg sind 1.071 junge Menschen unter 25 Jahren arbeitslos gemeldet 64,8 Prozent oder 421 Personen mehr als im Juni 2019. Viele junge Menschen beenden in diesen Tagen ihre Ausbildung oder das Studium und sind auf der Suche nach einer neuen Beschäftigung. Aufgrund der aktuellen Lage kann nicht immer unmittelbar Anschluss gefun-den werden.
Noch ohne große Verwerfungen zeigt sich der Ausbildungsmarkt trotz der wirtschaftlichen Krisenlage überra-schend robust. In der Arbeitsagentur Aschaffenburg fallen auf 2118 BewerberInnen bis dato 2463 Ausbil-dungsstellen. Bewerber -7,0 %, Ausbildungsstellen -8,0 % im Vergleich zum Vorjahr.

Kommentierung politischer Arbeitgeberforderungen:

Mit einem 11-Punkte-Plan will die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw) die Rechte von Beschäftigten beschneiden. Sie fordert von der Politik die Abschaffung der täglichen Höchstarbeitszeit von 10 Stunden und die Aufweichung der täglichen Ruhezeit von 11 Stunden. Zudem sollen Arbeitsverträge künftig grundlos min-destens drei Jahre befristet werden.
Frank Firsching: „Diese Arbeitgeberwünsche aus der Zeit der Industrialisierung des 19. Jahrhunderts sind ein skrupelloser Angriff auf die Gesundheit der Beschäftigten. Jetzt ist gesellschaftlicher Zusammenhalt gefragt und kein Egoismus zu Lasten anderer. Mit uns ist gesellschaftlicher Rückschritt von der sozialen in die freie Marktwirtschaft unter dem Vorwand der Krisenbewältigung nicht zu machen. Wir werden erbitterten Wider-stand leisten.“

DGB Positionen zum Konjunkturprogramm:
Auf 130 Milliarden Euro summiert sich das beschlossene Konjunkturpaket der Bundesregierung. In vielen Punk-ten entspricht es den Vorschlägen des DGB. Familien werden gefördert, Stromkosten reduziert, kommunale Haushalte unterstützt. Unternehmen erhalten mehr Anreize für Investitionen, die Arbeitsplätze sichern und erhalten sollen. Ausdrücklich begrüßen wir die Ausbildungsprämie als klares Bekenntnis der Politik zur dualen Berufsausbildung.
Ob die 20 Milliarden schwere befristete Senkung der Mehrwertsteuer tatsächlich hilft den Konjunkturmotor anspringen zu lassen darf bezweifelt werden. Erste Untersuchungen zeigen, dass die Senkung vielfach nicht an die Verbraucher weitergegeben wird. Konsumgutscheine für die Verbraucher hätten für den Einzelhandel einen höheren Wirkungsgrad erzielt.
Zugleich fehlt jede Steuerungswirkung beispielsweise beim Autokauf. Denn die höchste Ersparnis entsteht beim Kauf von hochmotorigen und teuren Modellen. Umwelt- und Klimaprämien für den Kauf von energiesparen-den Produkten wären alternativ zielgenauer und besser.
Staatshilfen an Unternehmen müssen an Bedingungen geknüpft werden. Als Mindestvoraussetzungen gelten für den DGB eine Beschäftigungs- und Standortgarantie für alle Beschäftigten. Hinzu kommen qualitative Bedingungen wie Tariftreue, Mitbestimmung und weitere Kriterien.
Stille Beteiligungen des Staates an Unternehmen müssen Mitsprachemöglichkeiten des Geldgebers beinhalten.

Weitere Ansätze
- Ausbau des Kurzarbeitergeldes
- Sozial-ökologisch ausgerichtete Kaufprämien
- Stärkung der Sozialversicherungssysteme
- Konjunkturprogramm für Bayern, ergänzend zu den Programmen des Bundes

Frank Firsching
DGB Regionsgeschäftsführer
Unterfranken

Autor:

Björn Wortmann aus Aschaffenburg

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