75 Jahre Gründung des ADGB
Vor 75 Jahren wurde in Aschaffenburg der allgemeine deutsche Gewerkschaftsbund als erster Bund nach Ende des Zweiten Weltkrieges in Bayern gegründet.
In folgenden die Ansprache von DGB Kreisverbandsvorsitzenden Björn Wortmann:
Am 31. Mai 2020 jährt sich die Gründung des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes in Aschaffenburg als erste hiesige Gewerkschaft in Bayern nach Ende des zweiten Weltkrieges zum 75. Mal.
Der 31. Mai 1945 ist der Tag des Neubeginns der gewerkschaftlichen Aktivitäten nach Ende des zweiten Weltkrieges hier in Aschaffenburg und somit auch in Bayern. Die alliierten Streitkräfte beendeten die Terrorherrschaft der Nationalsozialisten nach über sechs Jahren Krieg.
Wir halten die Erinnerung wach an die Opfer und an diejenigen, die Widerstand gegen die Nazis geleistet haben, darunter auch viele Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter. Eugen Ostheimer, Jean Stock, Bernhard Junker, Johann Meier und Georg Niebler, um nur einige Namen zu nennen, waren als Gewerkschafter und somit für die Nationalsozialisten politische Systemgegner in Konzentrationslagern verbracht.
Als Deutscher Gewerkschaftsbund setzen wir uns daher mit Nachdruck für Frieden und Demokratie und gegen Rechtsradikalismus und Fremdenfeindlichkeit ein, weil uns die Geschichte dazu verpflichtet. Nicht zuletzt die Terroranschläge in Hanau, Halle, Kassel, die innerhalb von 9 Monaten, stattgefunden haben, zeigen: Deutschland hat ein Problem mit Rechtsradikalen und wir als Gewerkschafter werden immer wachsam sein und gegen rechtes Gedankengut aufstehen!
Am 3. April 1945 hisste die Festung Aschaffenburg die weiße Fahne. Hugo Häusner übergab als amtlicher Vertreter des NS-Oberbürgermeisters Wilhelm Wohlgemut die Stadt den siegreich vorrückenden Amerikanern. Nationalsozialisten wurden aus dem Verwaltungsapparat entfernt, alle Nazigesetze und –Bestimmungen für ungültig erklärt. Ein Neubeginn war möglich.
Jean Stock (SPD) wurde neuer OB von AB. Jean Stock war ehem. Stadtrat und Abgeordneter des bay. Landtags, Häftling im KZ Dachau und Arbeitersekretär der freien Gewerkschaften bis 1922. Die Militärregierung ließ Stock wissen, dass dem Zusammenschluss der Arbeiterschaft in Gewerkschaften nichts im Wege stünde. Im Gegenteil:
Gewerkschaften als einzige politische Gruppierung seien zu erlauben und sogar ausdrücklich zu fördern.
So kam es, dass Bernhard Junker, Hugo Karpf und Eugen Ostheimer den Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbund (ADGB) am 31. Mai 1945 als erste hiesige Gewerkschaft in Bayern nach Ende des zweiten Weltkrieges gründeten. Uns heute Erinnerung und Verpflichtung zugleich!
Junker wurde zum ersten Vorsitzenden, Karpf zum Kassier und Ostheimer zum Geschäftsführer gewählt. Die drei Persönlichkeiten prägten das politische Leben in Aschaffenburg und auch auf überregionaler Ebene nachhaltig.
Hier in dem Haus in der Elisenstraße 7 in AB haben sich engagierte Gewerkschafter getroffen, um im Sinne der Einheitsgewerkschaft den Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbund zu gründen.
– frei zugänglich für jeden Betriebsangehörigen, Arbeiter oder Angestellter, ohne Rücksicht auf Religionszugehörigkeit und Abstammung oder Parteizugehörigkeit.Sie haben sich deshalb hier getroffen, weil das frühere Gewerkschaftshaus in Elisenstr. 23 in den letzten Kriegstagen bis auf die Grundmauern zerstört wurde. Zuvor wurde es enteignet und von der DAF verkauft. Hier in der Elisentstraße 7 war das ehem. Amtsgebäude der DAF.
Es wäre zu erwarten, dass 31. Mai 1945 die Stunde Null sei. Mitnichten.
Gewerkschaften in der Nachkriegszeit waren keine neuen Gebilde, sondern sie hatten ihre Wurzeln schon in der Weimarer Republik. Vor 1933 gab es eine rührige und erfolgreiche Arbeiterbewegung. Nach 12 Jahren Agonie und Zerschlagung (1933-1945) fanden sich die Gewerkschafter wieder zusammen, die zuvor schon ihre Kraft und ihren Idealismus in die Gewerkschaftsarbeit eingebracht hatten. Sie sind ihrem früheren Engagement treu geblieben, sie hatten dafür bezahlen müssen und waren es, die sofort die Chance ergriffen, den Gewerkschaftsgedanken wieder zu beleben.
Aus ihren Erfahrungen heraus mit dem Faschismus wurde hier in AB der Grundstein für eine neue Gewerkschaftsbewegung gesetzt. Ziel war es die Einheitsgewerkschaft zu realisieren, der wir heute noch verpflichtet sind!
Zitat aus dem Statut des ADGB:
„Der ADGB erstrebt die Bereinigung aller Betriebe und Körperschaften von nazistischen und militaristischen Einflüssen und tritt gemäß den Überlieferungen der alten deutschen Gewerkschaften für Völkerfrieden und Völkerfreiheit ein. Der ADGB vertritt die Interessen seiner Mitglieder in wirtschaftlichen, sozialen und arbeitsrechtlichen Fragen, steht ihnen mit Rat und Tat zur Seite und erstrebt die Gleichberechtigung und Mitbestimmung der Arbeitnehmerschaft auf sämtlichen Gebieten der Wirtschaft“
In Würdigung dieser Tatsache und dieser ersten Gründung enthüllen wir heute hier die Schaukästen. Daher haben wir hier in Aschaffenburg eine besondere Verantwortung und Tradition, die wir bewahren und wert schätzen.
Gut zwei Jahre später wurde im März 1947 Lorenz Hagen zum Präsidenten des bayerischen Gewerkschaftsbundes gewählt. Damals waren schon 400.000 Menschen in Gewerkschaften organisiert. Heute sind es rund 800.000.
Wieder zwei Jahre später wurde am 13. Oktober 1949 die Gründungsurkunde des Deutsche Gewerkschaftsbunds in München unterzeichnet. Auf der Versammlung wurde Hans Böckler zum Vorsitzenden gewählt. Eine Kopie der Originalurkunde ist im Schaukasten ausgestellt
Am 4. Juni 1950 fand die erste Generalversammlung des DGB AB statt, auf der Heinrich Altehage von den 49 Delegierten einstimmig zum geschäftsführenden Vorsitzenden gewählt wurde. Zehn Gewerkschaften mit rund 22.000 Mitgliedern sollten schließlich dem DGB Kreisverband AB angehören.
Der DGB sollte die wirtschafts- und sozialpolitischen Forderungen nach Mitbestimmung, Vergesellschaftung der Schlüsselindustrien und Wirtschaftsplanung in einem wirtschaftsdemokratischen Deutschland verwirklichen!
Ich erinnere an dieser Stelle nur daran, dass der gesellschaftliche Wohlstand auch dem Engagement der Gewerkschaften zu verdanken ist. Ich erinnere daran, dass wir heute von unzähligen Regelungen profitieren, die in langen Arbeitskämpfen erstritten werden mussten. Ich erinnere exemplarisch an den 16 wöchigen Streik der Metallarbeiter in Schleswig Holstein 1956/57. Dort wurde die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall erstritten!
Bis heute hat sich viel verändert, die Herausforderungen und die Forderungen nach guter Arbeit für die Menschen sind dieselben. Unsere gewerkschaftlichen Grundwerte wie Solidarität, Einsatz für bessere Arbeits- und Lebensbedingungen und Mitbestimmung für die Menschen sind in diesen Krisenzeiten in der Pandemie aktueller denn je!
In Zeiten, in denen wir in der Region über 10.000 Arbeitslose zählen. 53000 von Kurzarbeit potentiell betroffen sind, Klimawandel, Digitalisierung, Transformation die Betriebe und Menschen erreichen, ist Geschlossenheit zu demonstrieren und gemeinsam ein solidarisches Miteinander inner- und außerhalb des Betriebes zu fördern und die Arbeit der Zukunft zu gestalten, wichtiger denn je!
Damals wie heute gilt es, sich für die Menschen, die in der Region eine Bildungseinrichtung besuchen, arbeiten, wohnen kurz als Mensch leben, einzusetzen. Damit die Menschen ein Leben in Würde leben können und von ihrem Verdienst ein sorgenfreies Leben führen können.
Die ersten Schritte zu mehr Gerechtigkeit sind gemacht. Aber wir müssen viele weitere Schritte gehen.
Und diejenigen - insbesondere von der CDU/CSU und der FDP- , die heute all den Menschen in systemrelevanten Berufen arbeiten, den LKW Fahrern, Verkäufer, Pflegern, Reinigungskräften, die den Laden am Laufen halten, applaudieren, denen sage ich:
Finger weg von der Verschiebung der Einführung der Grundrente gar Streichung, Finger weg vom Aussetzen der Erhöhung des Mindestlohns.
Gerade diese Beschäftigten in diesen Branchen haben keine hohen Vergütungen, arbeiten viel in Teilzeit, profitieren von Grundrente und Mindestlohn. Erst applaudieren, dann die dringend gebrauchten sozialen Verbesserungen kürzen, aussetzen, gar streichen, das geht nicht, das ist mit uns nicht zu machen!
Auch der vbw sieht gerade seine Zeit gekommen, um in Krisenzeiten die Errungenschaften der Arbeiterbewegung wie das Arbeitszeitgesetz anzupacken und Höchstarbeitszeiten auszuweiten, Erholungszeiten zu kürzen und Befristungen auszuweiten. Das ist mit uns nicht zu machen. Die Arbeitnehmer brauchen in diesen Coronakrisenzeiten mehr Schutz und nicht weniger!
Deswegen ein herzlicher Gruß von hier an unsere Gründungsväter nach oben in den Himmel oder wo sie gerade sind. Wir führen euer Erbe weiter immer! In unserem Zentrum all unseren Handelns bleibt der Mensch und dass er ein gutes Leben führen kann! Ganz egal, ob er ein roter oder ein schwarzer ist. Wir als DGB sind im Sinne der Einheitsgewerkschaft partei- und konfessionsunabhängig, setzen uns aber immer parteiisch für die Beschäftigten und die Menschen in der Region ein, die vielleicht keine so laute Stimme haben.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Autor:Björn Wortmann aus Aschaffenburg |
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