Wirtschaftsförderung in der Region bayerischer Untermain neu aufstellen
DGB fordert einen Transformationsrat
Im Vorfeld der nächsten Sitzung des Wirtschaftsförderungsausschuss der Stadt Aschaffenburg am 29. Juli 2020 fordert der DGB Kreisverband Aschaffenburg, einen regionalen Transformationsrat zu gründen.
Schon vor der Coronakrise war durch die Mobilitäts- und Energiewende und die Digitalisierung der Druck auf Beschäftigung und Wertschöpfung in der Region vorhanden. Die Krise wirkt nun in diesem Transformationsprozess wie ein Brandbeschleuniger und erzeugt enorme Verwerfungen auf dem Arbeits- und Ausbildungsmarkt. „Krisen sollten auch als Chancen verstanden werden, gemeinsame Wege aus der Krise heraus zu finden. Diese Wege sollten beteiligungsorientiert und mitbestimmt gefunden werden, um sie auf ein breites Fundament zu stellen und die Akzeptanz bei den Menschen zu erhöhen. Denn die Rahmenbedingungen für Wirtschaftswachstum und Wertschöpfung verändern sich nicht zuletzt durch den Klimawandel und endliche Ressourcen“, sagt DGB Kreisverbandsvorsitzender Björn Wortmann.
Der Transformationsrat soll branchenspezifisch Handlungsfelder und –empfehlungen entwickeln, um Beschäftigung und Wohlstand in der Region nachhaltig zu sichern. Der DGB schlägt vor, dass der Transformationsrat themen- und branchenbezogen aus Sozialpartnern und Interessenvertretungen, Unternehmern, Kommunen, Institutionen und zivilgesellschaftlichen Gruppen und Verbänden besteht.
„Es bedarf einer aktiven regionalen Wirtschafts- und Strukturpolitik, die Perspektiven für die Wirtschaftsregion bayerischer Untermain und die Menschen, die hier eine Bildungseinrichtung besuchen, wohnen, arbeiten und leben, entwickelt. Wir werden uns aktiv in Debatte um Wirtschaftsförderung, Gute Arbeit und Gutes Leben in einer prosperierenden Region bayerischer Untermain einbringen und leisten mit diesem Papier einen ersten Beitrag“, so Wortmann abschließend.
Ausgangssituation
Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass der regionale Arbeitsmarkt im bayernweiten Vergleich in Krisenzeiten von höherer Arbeitslosigkeit betroffen ist und in prosperierenden Zeiten eine geringere Arbeitslosenquote aufweist. Das hängt - stark verkürzt - zum einen damit zusammen, dass relativ viel Wertschöpfung über Export, und somit konjunkturabhängig ist, erzielt wird und zum anderen, dass in den letzten Jahren atypische Beschäftigung wie bspw. Zeit- und Leiharbeit und Befristungen gestiegen ist.
Die Wirtschaftsregion als Industrieregion ist geprägt von Maschinenbau, Metallerzeugung und –bearbeitung, Automobilzulieferung, Papier und Holzbearbeitung. Der Dienstleistungs- und Gesundheitssektor sowie die Logistikbranche sind in den letzten Jahren gewachsen. Insgesamt zählt die Region rund 144.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte, darunter 56.000 in der Produktion und 88.000 im Dienstleistungssektor. Derzeit ist für rund 70.000 Beschäftigte Kurzarbeit angemeldet und 11.500 Menschen sind arbeitslos (inkl. Unterbeschäftigung).
„Ziel muss es sein, die Welle von 70.000 potenziell von Kurzarbeit betroffenen Beschäftigten, so weit wie möglich abflachen zu lassen, damit diese nicht mit voller Wucht nach Auslaufen des Kurzarbeitergelds bricht und tausende Menschen arbeitslos werden“, sagt Wortmann.
Auf entsicherten Arbeitsmärkten trifft die schwere wirtschaftliche Krise Geringverdienende und prekär Beschäftigte besonders. Rund 35% aller Neuanstellungen erfolgen in der Region befristet, es gibt einen großen Niedriglohnsektor: rund 25.000 Beschäftigte verdienen in Vollzeit monatlich weniger als 2500€ Brutto. 14.000 Beschäftigte in der Region haben keinen Berufsabschluss und 25.000 Menschen arbeiten als Helfer. Vor der Coronakrise hat das Institut für Arbeitsmarktforschung IAB in einer Studie ermittelt, dass schon heute die Tätigkeit von rund 44.000 Beschäftigten in der Region bayerischer Untermain theoretisch substituierbar ist. Daher haben wir uns dafür eingesetzt, dass die Stelle einer Weiterbildungsinitiatorin für die Region geschaffen wird, die nun bei der SQG Strukturwandel und Qualifizierung g GmbH angesiedelt ist. Denn Weiterbildung und Qualifizierung der Beschäftigten sind im Transformationsprozess wichtige Bausteine. Die Analyse der aktuellen Situation sollte in den Kontext der Strukturumbrüche, die es auch ohne Corona gegeben hätte, gestellt und ggf. differenziert erfolgen. Die Bundes- und die Landesregierung sowie die Europäische Union hat umfassende Konjunkturpakete beschlossen, um die Wirtschaft zu stützen. „Diese Maßnahmen begrüßen wir als DGB ausdrücklich. Jetzt geht es um den passgenauen Einsatz der Mittel, um Investitionen und Anschubfinanzierung, damit diese auch nachhaltig in der Region wirken. Ein Transformationsrat könnte sich aktiv durch Empfehlungen für konkrete Handlungsfelder in die Debatte einbringen“, so Wortmann abschließend.
Konkrete Handlungsfelder für die Region bayerischer Untermain
aus Sicht des Deutschen Gewerkschaftsbunds Aschaffenburg-Miltenberg
Gute Arbeit
Wirtschaftsförderung
- Transformationsrat gründen, der den Transformationsprozess themen- und branchenspezifisch in der Region aktiv begleitet und Handlungsfelder und –empfehlungen erarbeitet
- Entwicklung eines gemeinsamen Leitbilds: Was sind gemeinsame Perspektiven für die Region?
- Mittel/Programme der Konjunkturpakete in der Region nutzen
- EU Förderungen: ESF-EFRE-ESIF- Mittel?
- Regionaler Investitionsfonds gründen als Ergänzung zu staatlichen Krediten und Soforthilfen
- Evaluation der bis dato geflossenen Soforthilfen in der Region
- Vergabe von öffentlichen Aufträgen nur an tarifgebundene Unternehmen
- Einsatz von Sub-Sub- Unternehmen bei Ausschreibung restriktiv regeln bzw. ausschließen
- Wiederbelebung Strukturberichterstattung
- Wie viel Gestaltungsspielraum, welche Entscheidungsbefugnisse, welche Inhabergeführten Unternehmen/KMU, welche Konzernstrukturen gibt es noch vor Ort. Welche Märkte werden bedient? Evaluation regionaler Wertschöpfungsketten: Rolle des bayerischen Untermain in der Metropolregion Frankfurt Rhein/Main?
- Keine Ausweitung von Sonntagsöffnungen: Die Menschen können auch sonntags nicht mehr ausgeben als sie verdienen
- Handelnde Akteure/Allianzen einbinden: Fachkräfteallianz, Innovationskommission, Zentec, Gründungszentrum, Bildungsregion: Projekte, Rollen und Aufgaben? Synergien nutzen
Gutes Leben
Bildung
- (Allgemeinbildende/Berufs-/Fach-/Hoch/Volkshoch-) Schulen/Kinderbetreuung in öffentlicher Hand: Infrastruktur und künftige (Aus-)bildungsangebote und –berufe: was haben wir in der Region, was braucht es?
- Ausbau und Stärkung der Technischen Hochschule
- Vernetzung/“Runder Tisch“ Weiterbildung/Bildungsträger: Bedarf und Perspektive/Beschäftigungsperspektiven über Weiterbildung sichern
- Weiterbildungspreis „Transformation“ ausloben
- „Runder Tisch“: Zukunftsperspektiven für die junge Generation
Infrastruktur / Verkehr
- Aktive Flächenpolitik: gezielte Industriepolitik der aktiven Kommune, bestehende Industriegebiete nicht umwidmen, Analyse Industrie- und Gewerbeflächen, konkrete Konversions-, Umbau- und Innovationsaktivtäten entwickeln
- Sozialen Wohnungsbau forcieren
- Verkehrsinfrastruktur evaluieren und verbessern: Schiene, Wasser, Straße
- ÖPNV und Schichtzeiten besser abstimmen / Fahrradschnellweg / Ringbuslinie Stadt AB / RMV Ticket für die Region bayerischer Untermain / ICE Halt
- Ertüchtigung der Bahnstrecke von und nach Aschaffenburg über Nilkheim und den Hafen, Anbindung Groß- und Kleinostheim sowie in den Odenwald
Autor:Björn Wortmann aus Aschaffenburg |
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