Tagebuch meiner Urlaubsvertretung
Was macht eigentlich ein/e Bürgermeister/in?

Handy „auf laut“? - Check.
Schließlich könnte z.B. ein Feuerwehreinsatz erfordern, dass die Stadt sich um die Unterbringung von Personen kümmert. Auch in vielen anderen Fällen muss schnell gehandelt werden können.

Darauf hat mich der 1. Bürgermeister u.a. nochmals vor dem Urlaubsantritt sensibilisiert. Über viele weitere Themen, die gerade anstehen, haben wir natürlich auch gesprochen. Bislang hatte ich als 3. Bürgermeisterin an vereinzelten Tagen Vertretung oder habe im Namen der Stadt an Veranstaltungen teilgenommen und Grußworte übermittelt. Und dann war es soweit: Meine erste ganze Arbeitswoche als Bürgermeisterstellvertreterin hatte begonnen.

Dienstag, 7.6.22, 6 Uhr: Es ist noch ein bisschen unwirklich. Im Kopf gehe ich die To Do‘s für den Tag durch. Der Tag wird lang, aber ich freue mich.

Dienstag, 7.6.22, 8 Uhr
Fahrrad anketten, Helm abziehen, Tür aufschließen. Eine kurze Runde durch das Rathaus. „Guten Morgen! Diese Woche bin ich im Haus. Wie war das lange Pfingstwochenende?“ Bei den freundlichen Kolleg:innen fühle ich mich sofort herzlich aufgenommen. Eine neue Mitarbeiterin hat heute ihren ersten Arbeitstag. „Herzlich Willkommen und alles Gute. Auf gute Zusammenarbeit.“

Handy immer noch „auf laut“? - Ja, Gott sei Dank. - Check.

Und dann klingelt es auch schon direkt. Aber nicht bei mir. Schließlich gibt es auch ein Vorzimmer für das Bürgermeisterbüro. Daran musste ich mich erst gewöhnen. Das Anliegen des Anrufers konnte wohl hausintern geklärt werden.

Also ran ans Tagesgeschäft. Erstmal keine dringlichen E-Mails? Dann also ein kurzer Blick in die Zeitung. Ist ein Bericht besonders relevant für Obernburg oder Eisenbach? Dann ankreuzen, damit er im Rathaus archiviert wird. Zu besonders vielen Seiten komme ich im ersten Aufschlag nicht. Es steht erstmal der nächste Termin an.

8:30 Uhr: wöchentliches Update mit den Fachbereichsleitungen. Wegen Urlaub sind nicht alle da, daher kurzer Austausch auf dem Flur. Es kommt ja später auch noch der Termin mit der erweiterten Inforunde.

9 Uhr: Jetzt kommt aber ein Anruf rein, wo es eine Entscheidung aus dem Bürgermeisterzimmer braucht.

Dann: Im Vorzimmer landet eine Presseanfrage. Beantwortung bitte möglichst bis zum Nachmittag. Ein paar Stichpunkte schreibe ich schon mal auf, dann sollte ich erst mal den nächsten Termin vorbereiten.

10 Uhr: Videokonferenz zum wöchentlichen Austausch mit Hauptamt, Kämmerei, Bauamt, Personalamt, Bauhof, Gebäudeunterhalt, Stadtmarketing. Was ist los in Obernburg und Eisenbach, was wurde erledigt, woran wird gearbeitet, was ist wichtig, was brauchen wir diese Woche?

10:30 Uhr: Die Post ist fertig. Insgesamt drei Mappen gibt es jeden Tag von Hauptamt, Kämmerei und Bauamt mit unzählbar vielen verschiedenen Sachverhalten. (Krankmeldungen, Infos zu Gewerbesteuereingängen, Urlaubsanträge, Auszahlungsanordnungen, Laborergebnisse der Trinkwasseruntersuchung, Bestätigung über den Erhalt von Fördermitteln, Bewerbungen, Arbeitsvertragsangelegenheiten, Verlängerungen des Nutzrechts von Grabstätten, Sitzungsunterlagen für die Stadträt:innen, Entwürfe für das nächste Amtsblatt, Gewerbeneuanmeldungen, Einladungen, Fachzeitschriften usw.)

Auf jedem Papier ist ein Eingangsstempel, der/die Bürgermeister/in macht dort einen Sichtvermerk. In grün, das ist die Farbe des Amtschefs.

Manche Sachverhalte sind zur direkten Weiterbearbeitung durch die zuständigen Mitarbeiter. Aber bei manchen ist eine direkte Rücksprache oder persönliches Kümmern erforderlich. Doch welches Thema ist wie einzuordnen? Ohne die wöchentliche Routine ist es mir wichtig, mir viel Zeit dafür zu nehmen, um die Post verantwortungsvoll zu erledigen.

11 Uhr, 12 Uhr, ein paar Recherchen, ein paar Rücksprachen, das ein- oder andere Telefonat… wo ist die Zeit hin? 12:30 Uhr: Pause und Mittagessen, ein paar kurze Gespräche in der Innenstadt.

13:30 Uhr: Das Pressestatement wartet, fertiggestellt zu werden. Oh, da liegen auch zwei neue Unterschriftenmappen auf dem Schreibtisch. Einige Unterschriften sind erforderlich. Auch hier - ohne die wöchentliche Routine - gehe ich die Vorgänge lieber einmal zu oft durch.

14, 15, 16 Uhr, ein paar Recherchen, ein paar Rücksprachen, das ein- oder andere Telefonat… wo ist die Zeit hin?

17 Uhr: Das Pressestatement ist raus. Zwei Geburtstagskindern darf ich jetzt im Namen der Stadt gratulieren (75, 80, 85, 90, 95 Jahre und dann jedes Jahr sowie Ehejubiläen). Neben einem Glückwunschschreiben bekommen sie je eine Flasche Obernburger Apfelsaft und Apfelwein. Der Transport im Fahrradkorb war erst etwas wackelig, aber dann konnte ich die Präsente sicher verstauen. Den Dienstwagen hätte ich nehmen können. Aber das hebe ich mir für schlechtes Wetter auf. Darf es ein Kaffee und ein Stück Kuchen sein? Ich werde liebevoll und freudig empfangen, stehe Rede und Antwort und notiere mir die Anliegen der Jubilare.

18:15 Uhr: Jetzt aber schnell weiter. Zum ersten Mal wechsle ich heute zum Auto: es geht nach Klingenberg zu einer Generalversammlung um 19 Uhr. Spannende Einblicke, inspirierende Vorträge, ein Grußwort im Namen der Stadt Obernburg, Dankesworte und Gratulationen. Dann noch gute Gespräche beim Abendessen in der Versammlungsstätte. Das schmeckt heute besonders gut.

22:30 Uhr: Endlich zuhause. Kurze Nachricht an meine Liebsten: „Der Tag war spannend, erfüllend und hat viel Spaß gemacht. Aber für heute bin ich platt.“

Mi, 8./ Do, 9./ Fr, 10.6.22: Die nächsten Tage folgen einem ähnlichen Schema. Ich besuche noch den Bauhof, habe Vor-Ort-Termine im Stadtgebiet, halte Rücksprache mit vielen Rathaus-Mitarbeiter:innen. Besonders freue ich mich über das Feedback einiger Bürger:innen, deren Anliegen wir direkt klären konnten. Neben dem Verwaltungsalltag ist es dann natürlich noch besonders wichtig, verschiedenste Themen voranzutreiben und dafür zu sorgen, dass die Beschlüsse des Stadtrats umgesetzt werden. Es war keine Sitzungswoche, diese Termine gibt es sonst auch noch. Am Wochenende kommen außerdem viele weitere Veranstaltungen dazu. Als ehrenamtliche Stadträt:innen haben wir solche Termine auch.

Am Donnerstag hatte ich mir noch von 7-15 Uhr die Zeit genommen, um mir ein Bild vom Alltag in einer unserer Kinderkrippen zu machen. Aber das ist Stoff genug für einen neuen Artikel.

Mir war es wichtig, ein Gefühl dafür zu erzeugen, welche Aufgaben zu denen unserer Rathauschefs gehören und euch mit auf meine Reise zu nehmen.

Vielleicht hilft dem ein oder anderen dieser Auszug aus den Erfahrungen meiner Urlaubsvertretung, um so wie es auch mir nach dieser Woche ging, ebenfalls besser zu verstehen, was unsere Bürgermeister:innen den Tag über machen. Vielleicht konnte ich damit die sprichwörtliche Türe zum Rathaus für den ein oder anderen öffnen. Schließlich wird die Gemeinde durch das Bürgermeisteramt vertreten und die Gemeinde, das bist auch du.

Autor:

Jessica Klug aus Obernburg am Main

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