„Wo keine Freiheit ist, wird jede Lust getötet“ (aus der 8. Szene aus Goethes Werk „Die Laune des Verliebten“)
Querdenker69-Demo in Frankfurt: Auf dem Weg nach Absurdistan?

Zu Fuße des Goethe-Denkmals fand die Abschluss-Kundgebung zur Querdenker69-Demonstration am 14.11.2020 in Frankfurt statt  | Foto: Privat
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  • Zu Fuße des Goethe-Denkmals fand die Abschluss-Kundgebung zur Querdenker69-Demonstration am 14.11.2020 in Frankfurt statt
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Am Samstag, den 14.11.2020 fand in Frankfurt am Main, ausgerechnet zu Fuße des berühmtesten Sohnes der Stadt, Johann Wolfgang von Goethe und unweit des Johannes-Gutenberg-Denkmals die Abschluss-Kundgebung der Querdenker69-Demonstration statt.

Die Freiheit-, die Grund- und Menschenrechte sind stets zu verteidigen, sobald diese in Gefahr sind.
Mit dieser durchaus edlen Absicht treffen sich seit geraumer Zeit GegnerInnen und KritikerInnen der Corona-Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie. Was aber hier geboten wurde glich mehr einem Drama des Dichterfürsten Goethe als der Tatsache, es handelt sich um was Gutes.

Ein geschmackloses, bizarres Schauspiel insgesamt- doch der Reihe nach...

Die Auflagen

Die Auflagen der Stadt Frankfurt zur Durchführung der Demonstration entsprachen voll und ganz den staatlichen Vorgaben: die Mindestabstände von 1,5 m bei nichtbeweglichen Teilnehmenden bzw. 2,00 m im Rahmen der Bewegung selbst sowie das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung seien einzuhalten.

Der Versammlungsort am Goetheplatz war durch Barrieren eingezäunt, die „aktiven“ Teilnehmenden mussten/sollten hier hinein und standen unter strenger Beobachtung der Ordnungskräfte, damit diese die Einhaltung der Vorgaben überwachten.

In den angrenzenden Zonen außerhalb der Einfriedigung versammelten sich GegendemonstrantInnen, Schaulustigen und die Polizeikräfte. Ein Augenmerk auf die Einhaltung der Vorgaben? Fehlanzeige, hier durfte man sich frei bewegen, aufhalten und selbst beim Vorbei-Laufen waren die besagten 2,00 m uninteressant: Freie Flächen für freie Bürger!

Einige Anwesenden kritisierten den tatsächlichen Umstand, die PolizistInnen stünden in Gruppen- die Einhaltung der Mindestabstände waren so nicht wahrzunehmen, wie diese von den eingekesselten Personen wiederum bedingungslos erwartet wurde.

Das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung fand überwiegend Akzeptanz. Renitente VerweigerInnen wurden gezielt angesprochen – und nicht nur von der Polizei, sondern vielmehr interessanterweise von den anwesenden Mitmenschen. Mal mehr, mal weniger mit Diskussionen verbunden.

Auf der Zeil, unweit des Ortes des Geschehens, war quirliges Leben angesagt: Lange Schlangen vor den Geschäften zeugten vom Treiben der Gesellschaft in die ungehinderte Konsumierung der Gütern. Trotz und mit Corona.

Die Mitwirkenden

Um ca. 15:00 Uhr füllte sich der Platz nach und nach. Der Demo-Zug schritt aufgrund von Blockaden mit halbstündiger Verspätung mühsam voran. Zwischen „besorgten“ BürgerInnen, Gesellschaftsexoten und interessierten Menschen ließ sich die Wartezeit dank der aus Lautsprechern kommend chilligen Musik gut ertragen.

Provokation und Spannung überwiegten sichtlich: Bei der Ankunft der Maßnahmen-KritikerInnen und beim Start der Kundgebung wurden Parolen skandiert, die in einer Demokratie eigentlich nichts zu suchen haben- unabhängig der Nichtakzeptanz der Argumente, die bald auf der Bühne präsentiert werden sollten.

Und diese Parolen und teilweise Beleidigungen kamen ausgerechnet aus den Lagern der GegendemonstrantInnen her, die mit aller mündlichen Gewalt versuchten, die Kundgebung zu stören und zum Fall zu bringen.

Protagonisten? Antagonisten? Es war nicht einfach, sie zu ermitteln. Zumindest von den GegnerInnen der Kundgebung sei eine zivilisierte Auseinandersetzung mit der Thematik anzustreben. Sie sei zu erwarten, aber hier suchte man diese vergebens, während die anderen – das musste man leider bzw. wider Erwarten so feststellen- sich vorbildlich und friedlich benahmen und nicht auf die ProvokateurInnen reagierten oder gar eingingen...

Die Polizei leistete äußerst professionelle Aufklärungsarbeit, appellierte fortwährend immer wieder an die Teilnehmenden, sich an den Vorgaben zu halten, damit die Versammlung weiterhin stattfinden durfte.
Und die Presse? Dazu mehr im letzten Kapitel...

Das Schauspiel

Frankye, Moderator der Veranstaltung und nach eigenen Angaben weder politisch noch religiös aktiv, stellte anfangs seinen Plädoyer und seine Intentionen vor: Er mache das Alles nur zum Wohle seiner Tochter und zum Schutz der Menschen, die bedingungslos für die Grundrechte und die Freiheit einstehen.
Soweit, so gut – dagegen sei ja nichts einzuwenden. Aktivismus ist kein Fremdwort.

Die Kundgebung begann mit der Präsentation der vielen Auflagen, die dem Veranstalter auferlegt wurden. Der kritisierte Umstand, man habe einen so großen Platz (Goetheplatz, Rathenauplatz, Roßmarkt) durch die erfolgte Einzäunung so verkleinert, dass die Auflagen kaum eingehalten werden können, wäre berechtigt gewesen, wenn der Veranstalter dies im Vorfeld es nicht gewusst hätte. Daher war diese Darlegung, um für Verständnis zu werben, falls die Abstände nicht eingehalten werden würden, unpassend. Ebenfalls unpassend war beim Thema Maskentragen die Bezugnahme auf das Grundgesetz und das dort verankerte Vermummungsverbot.
Pflegekräfte und Ärzte lachen zu recht darüber...

Dem Aufzählen der Unmengen an gesetzlichen Unstimmigkeiten in Bezug auf die Maßnahmen stand zum Glück der Zeitfaktor gegenüber. Ja, es stimmt, einige Grundrechte sind temporär eingeschränkt worden – die Politik hat dies allerdings mit der Prämisse initiiert und vollzogen, nur so ließe sich die Pandemie eindämmen. Für die einen ist dies inakzeptabel, für die anderen ist es selbstverständlich: Gesundheit geht vor.

Auf der Bühne standen als Programmpunkt zwei junge Männer, die in einem vermeintlich witzigen Dialog versuchten, die Vorteile und Nachteile der Maßnahmen zu eruieren. Dabei trug der eine aus Überzeugung eine Mund-Nasen-Bedeckung, der andere wiederum keine- aus Prinzip.

Der System-Verweigerer wollte ihn davon überzeugen, dass die Maske nichts bringe.

Es erfolgten Argumentationen und Stellungnahmen, bei denen selbst der in Bronze gegossen Goethe versuchte, sich vom Sockel zu lösen und das Weite zu suchen. Und Gutenberg sicher die Buchdruckerfindung rückgängig machen würde, wenn er gewusst hätte, wofür Bücher geschrieben werden.

Das Wort Virus komme aus dem Lateinischen und bedeutet Tiergift. Dies ist so korrekt. Aber skurril wird es dann, das Virus als Veränderung der molekularen Zusammensetzung des Menschen selbst anzusehen = Viren und Bakterien seien ohnehin Teil des menschlichen Körpers; oder beim Behaupten, Menschen werden insbesondere im Herbst und Winter krank, weil die Außentemperaturen runtergehen und der Körper diese Differenz mit der Steigerung der eigenen Temperatur ausgleicht – ergo, man bekommt Fieber, weil man die eigene Körpertemperatur an der Außentemperatur anpasst?!

Schließlich kam es wie es kommen musste und wie man es sonst aus dem Fernseher kennt: Wenn man tatsächlich krank wird, dann... weil man den 5G-Strahlungen ausgesetzt ist! Und das alles sei nur ein Plan, weil man uns alle impfen will. Bill Gates und Konsorten lassen herzlich grüßen...

Die Buh-Rufe und Gelächter einiger Anwesenden, welche sich somit offen dazu outeten und sich selbst diffamierten, als noch nicht profunde Kenner der Materie zu gelten, bereiteten den beiden Akteuren die passende Vorlage vor, das Wort einer Ärztin zu erteilen, welche sich darum bemühen wollte, die beinahe gut gelungene Parodie des Querdenkens mit wissenschaftlichen Fakten zu flankieren.
Doch dazu sollte es nicht mehr kommen...

The show must go on? Auf dem Weg nach Absurdistan

Die Veranstaltung wurde schließlich nach mehrmaligen Ermahnungen durch die Polizei vorzeitig aufgelöst. Als Begründung nannte diese die Nichteinhaltung der Auflagen. Die DemonstrantInnen hätten den Ort sofort zu verlassen, was die meisten auch unverzüglich taten.

Der „harte Kern“ blieb jedoch und konzentrierte sich, die Spannung stieg umso mehr, als der Wasserwerfer sich auf seinen Einsatz vorbereitete und langsam aber gezielt auf die AktivistInnen zufuhr.

Der genaue Angriffspunkt schien der anwesenden Presse bekannt zu sein: Diese stellte sich um, positionierte sich nun mit ihren Kameras direkt und erstaunlicherweise genau dort, wo der Wasserwerfer zur Entspannung der Situation beitragen sollte.

Mehrmalige Ansprachen und Appelle der Polizei brachten keine Einsicht, die kalte Dusche versetzte alle aktiven und passiven Anwesenden in eine kurze Schockstarre, auf die dann unzählige Buhrufe folgten. Nur noch zwei Fragen gingen durch die Menschenmenge: Ist es wirklich passiert? Hat die Polizei als örtliche, unmittelbare Staatsvertretung tatsächlich gegen friedliche DemonstrantInnen ihre Faust gestreckt?

Eine Sternstunde der Demokratie war dieser Samstagnachmittag sicher nicht. Auf dem Weg nach Absurdistan scheinen nicht nur die Corona-LeugnerInnen und Maßnahmen-KritikerInnen zu sein...

Der wundervolle Goethe, allgegenwärtiger Herr über diesen Platz, schrieb in seinem Werk „Die Laune des Verliebten“: Wo keine Freiheit ist, wird jede Lust getötet.

Die Lust auf Toleranz des Andersdenkens, auf Akzeptanz des Andersseins und auf die Wahrnehmung aber auch Gewährung der Grundrechte fiel wortwörtlich ins Wasser.
An diesem Tag hätte man diesen berühmten Satz umschreiben können: Wo keine Lust ist, wird jede Freiheit getötet!

Autor:

Andrea Faggiano aus Obernburg am Main

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