Gedanken der Woche 19, im Dante-Jahr 2021
IDAHOBIT2021: Wenn „Normalsein“ zur Ausnahme mutiert und „Anderssein“ als Regel gilt? Zuhause unter Fremden...
Horst (Name geändert) steckt in – so seine Aussage- seinen besten Jahren. Er ist 49, aus Obernburg, betreibt regelmäßig Sport und ist „fit wie ein Turnschuh“.
Im kleinen Ort kennt man sich gut, man schätzt ihn für sein Engagement in der Gesellschaft.
Horst ist glücklich verheiratet und hat eine Tochter, die gerade Abitur macht.
Alles ganz normal also? Aber Moment mal, was ist überhaupt „normal“?
Mögliche Erklärungen: Schicksale zwischen Norm, Normal und Menschsein
Horst hat – so weiter im Gespräch- eine kleine Schwäche: Er steht eigentlich auf Frauen, fühlt sich aber ab und an zu Männern hingezogen und führt ein Doppelleben, wofür er sich "etwas schämt".
Man trifft sich zumeist in Hotels in Frankfurt, Darmstadt oder auch mal in Stuttgart.
In Corona-Zeiten war dies schwieriger, da Hotelübernachtungen für das private Vergnügen nicht gestattet sind. Aber nicht für ihn: Als Mitarbeiter im Außendienst lässt es sich einrichten. Aus beruflichen Gründen, ganz klar...
Niemand würde ihn ja verstehen- so er in seiner Ausführung. Das sei schließlich nicht normal. Und außerdem haben viele seiner FreundInnen, zumeist männlich, sich mal mehr, mal weniger abfällig geäußert zu diesem Thema.
Und man macht Witze, er lacht gerne mit und reißt sogar welche. Die Normalität des Alltags lässt keine Ausnahmen zu.
Florian (Name geändert) ist gerade 18 geworden, er kommt aus Eisenbach her. Florian spielt gerne und hervorragend Klavier und hat an der benachbarten Musikschule einige Auszeichnungen hierfür erhalten.
Als er 16 war hat er eine Freundin gehabt, bis er irgendwann feststellte, es ist mehr Freundschaft als Liebe. Als „richtige“ Liebe, wie er mal betonte.
Jungs fand er schon immer attraktiv, aber sich in einem verlieben? Niemals, das kam nicht in Frage.
Bis er eines Tages im Internet nach bestimmten Plattformen suchte und er nach und nach „Typen“ kennenlernte, die er mal hübsch, mal nett und mal richtig richtig sexy fand. Ein Licht ging nun auf!
Florian ist jetzt 18 und lebt sein Leben, sein homosexuelles Leben, im Verborgenen. „Mutter weiß aber Bescheid“.
Ob er sich vorstellen könnte, eines Tages mit einem Mann Hand in Hand durch Obernburg zu laufen? „Nein, Obernburg ist viel zu klein dafür“- so seine Antwort.
Man fragte nach: Zu klein, wofür?
„ Um das zu verstehen: Man wird nicht zu dem, was man ist. Man ist einfach! Ich will mich nicht rechtfertigen und will schon mal gar nicht eine Attraktion, eine Jahrmarkt-Figur, die Tunte im Ort sein!“
IDAHOBIT 2021: Zwei Beispiele für die Wichtigkeit dieses Tages
Sowohl Florian als auch Horst begrüßen die Initiative sehr, dass am heutigen Tage, 17.05.2021, unter anderem am Obernburger Rathaus die LGBTQ-Flagge gehisst wurde.
Um klar zu machen: Es ist normal, anders zu sein! Und man braucht weder Rechtfertigungen noch Entschuldigungen dafür.
Florian hatte es auf den Punkt gebracht: MAN IST EINFACH!
Im geflügelten Worte darf man sich im Dante-Jahr 2021 die künstlerische Freiheit nehmen, dem aktuellen Geschehen ein paar Reime zu widmen – bleiben Sie bei der Lektüre behütet!
Was die Menschen an Angst haben und hatten
Dass „Normal“ zur Ausnahme mutiert,
Dass das Anderssein die Regel wird, dass sie dachten
Sie werden irgendwie auch so, ganz ungeniert!
„Ich liebe Frauen, weil ich ein Mann bin
Weil ich blau mag, deshalb bin ich es auch“
Der Mann, der Standhafte aller Wesen, das macht doch Sinn
Dass ich der bin, der ich bin- ok, manchmal stehe ich aber auf dem Schlauch!
Wie kann eine Frau eine Frau lieben?
Mann-Mann-Frau, Frau-Frau-Mann, Frau mit Mann und Frau, welche keine ist- und umgekehrt?
Blickt noch einer durch? Was bist du denn also? Das ist wohl übertrieben,
pervers und komisch. Mein Bild ist ja endgültig verzerrt!
Nun, ganz im Ernst, da schuf uns Gott einst bedacht
Dass wir doch Menschen sind
Es sei also egal, ob Mann, Frau, Divers und anders! Habe genug nachgedacht
Und festgestellt: Liebe ist Glück, was man anfassen kann. Ohne Gegenwind!
Zuhause unter Fremden bist du nur dann
Wenn du selbst nicht zu dir stehst. Und wenn nicht jetzt, wann?
Sag´ es mir bitte: Du, DU bist doch der Mann...
Autor:Andrea Faggiano aus Obernburg am Main |
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