Obernburger Märchensonntag 2021: Dänemark lässt grüßen!
Die kleine Meerjungfrau in Obernburg –eine Lektüre, die Wellen und Herzen höher schlagen lässt...
Der diesjährige Märchensonntag in Obernburg (19.09.2021) war auch diesmal ein voller Erfolg.
Leuchtende Kinderaugen, glückliche Familien und fabelhafte Storys standen im wunderschönen Rosengarten der Kochsmühle auf dem Tagesprogramm, welches bereits um 12:30 Uhr mit dem Werk „Nora Note: Ein Kinderkonzert!“ begann und um 14:00 Uhr mit dem kleinen Schauspiel "Das häßliche Entlein" fortgesetzt wurde.
Um 17:00 Uhr eröffnete sich der imaginäre Vorhang für das letzte und große Schauspiel „Die kleine Meerjungfrau“, frei nach dem berühmtesten Sohn Dänemarks Hans Christian Andersen, neu interpretiert und in die Moderne transportiert durch den hiesigen Vereinsvorsitzenden der Granatsplitter e.V. Andrea Faggiano.
Schon die ersten Melodientakte zu Beginn der Vorstellung ließen die ZuschauerInnen darauf einstimmen, was sie nun in diesen 45 Minuten erwarten würde: Sehnsüchte, Erinnerungen und Hoffnungen.
Mit dem weltberühmten Lied „All by myself“ von Celine Dion betritt Arielle, längst älter geworden, still und ernst und dennoch jovial verkörpert durch Katharina Fath, die Seebühne – der Brunnen des Rosengartens lässt sich wunderbar als eine solche in das Geschehen einbinden.
Platz nimmt sie neben der Statue des Apollos, Gott der Poesie, der Dichtung und der Schönheit, der ihr während des gesamten Schauspiels wohlwollend zur Seite steht.
Arielle schwelgt in Erinnerungen an ihrer Kindheit und an ihrer Jugendzeit: Wie sehr fieberte sie dem eigenen 15. Geburtstag entgegen – dem Tag, an dem sie endlich volljährig wurde!
Und so tauchen nach und nach ihre Gedanken als Bühnenbilder am Horizont auf: ihren Schwestern Anisha (Lisa Brand), Elma (Theresa Rohe) und Niara (Marie Brand) kann und will die junge Arielle – meisterhaft durch Elena Stephan gespielt – nicht glauben: Die Menschen sind nicht böse.
Andrea Oberle als liebevolle Oma Ava muss immer wieder schlichten. Und aufklären: Arielle darf den Menschen nie vertrauen.
Die Jüngste aller Neptuns Töchter bleibt in ihrem jugendhaften und fast naiven Umstand befangen: Sie will es genauer wissen und der Tag ist nun gekommen: Sie wird 15, und die Melodie von Celine Dion erwärmt erneut das Herz des Publikums...
Prinz Miro: Eine Schlüsselfigur des eigenen Ichs oder nur Abbild der eigenen Erwartungen?
Aus dem Schlosssaal ertönen die grölenden Stimmen: Prinz Miro – wunderbar durch Erik Schlett verkörpert – wird heute 18 Jahre alt und somit volljährig!
Zeit für eine Party und so überraschen seine besten Freunde Finn und Sven den jungen Mann mit einer Seefahrt, die es in sich hat: die Insel Bornholm ist nicht mehr weit!
Miro ist nicht beeindruckt von der Idee, aber Finn – Elias Stephan fühlt sich sichtlich sehr wohl in dieser Rolle –lässt sich das nicht zweimal sagen: Er übernimmt blitzartig das Ruder und los geht´s!
Sven – durch Adam Landgraf souverän verinnerlicht – kann und will diesem Schauspiel nicht mehr beiwohnen: Prinz Miro muss das Steuerruder bekommen, es sei schließlich sein Geburtstag!
Widerwillig stimmt Finn Sven zu und der junge Prinz hat mit Freude das Kommando.
Am Deck lässt es sich gut feiern, Sven und Finn sind außer Rande und Bande und lenken Miro immer wieder ab: Der dichte Nebel und die gute Laune geben dem Trio leider den Rest, der Fels ist nicht mehr zu übersehen, so nah ist er am Schiff!
„Mann über Bord!“ – der Schiffbruch ist vollendet.
Die junge Arielle rettet den wunderschönen Jüngling, sie erweckt ihn zum Leben – oder sie erweckt ihre eigenen Erwartungen nur, nichtwissend, ob die Gefühle angenommen werden?
Miro ist schwach und dennoch kann er laut nach seinen Freunden rufen, die herbei eilen und ihn wieder ans Ufer bringen. Doch der Prinz ist verwirrt: Wer war SIE, die ihn gerettet hat?
Mit dem Lied „Dancing with a stranger“ von Sam Smith wird dieses Geheimnis noch geheimnisvoller...
Die Meerjungfrau ist an diesem Punkt endgültig verloren, sie ist verliebt: Die Liebe lässt alles vergessen, jetzt auch noch die Liebe zum eigenen Vater, der alles sieht und fühlt.
„Gerettet habe ich ihn! Und verloren bin ich nun!“ Die Tragödie beginnt...
Entschlossen widerspricht Arielle Neptun – so sehr hat sie sich verliebt und sie glaubt, Miro fühlt und spürt dasselbe und die Zeit ist reif: Sie will ein Mensch werden!
Oma Ava klärt die Anwesenden ein weiteres Mal auf: Sie kann nur dann ein solches Wesen werden, wenn der Prinz sie heiratet. Und dazu gibt sie den fatalen Ratschlag, Arielle solle zur Hexe Circe gehen, die ihr dabei helfen kann.
Neptun – Anian Höll überzeugt das Publikum immer wieder – hat es endgültig satt: Sollte sie dies tun, so sei sie ihre Tochter nimmermehr!
Elma, Niara und Anisha sind entsetzt. Und die ersten Strophen aus der Arie „Die Königin der Nacht“ aus Mozarts Oper „Die Zauberflöte“ entfalten ihre Wirkung an diesem sonnigen Sonntag im Rosengarten voll und ganz –welch´ ein Hörspektakel für die ZuschauerInnen! Andrea Oberle als Oma Ava sorgt mit ihrer Gesangseinlage und den hohen Tönen für einen Gänsehaut-Moment!
Die Tragödie nimmt ihren Lauf: die junge und die alte Arielle laufen Hand in Hand ins Verderben, in das Reich der Hexe Circe.
Sie wartet sehnsüchtig: Marlén Schmidt, zum ersten Mal überhaupt auf einer Theaterbühne, ist so überzeugend furchterregend, dass sie die anwesenden Kinder minutenlang sichtlich regungslos da stehen lässt. Ein Kompliment, im Angesicht der schwierigen und wichtigen Schlüsselrolle, die der Autor Andrea Faggiano für sie konzipiert hat!
Und zum weiteren Verlauf der Geschichte: Die Meerjungfrau will es wissen und Circe hat die Antwort.
Einen Zaubertrank erhält die arme Verliebte und die Hexe geht triumphierend, johlend durch das Publikum. Sie lässt Spinnen regnen und sie hat, was sie haben wollte: Die schöne Stimme des Meereswesens!
Die ältere und die junge Kreatur lassen sich fallen, die Seele der jungen Arielle wird auf den Platz neben dem Apollo sich wieder finden.
Und der Körper der älteren Arielle wird vom Prinzen und seinen Kumpels am Strand entdeckt.
Reden? Fehlanzeige, sie kann das nicht mehr. Aber sie freut sich, an der Seite Miros stehen zu dürfen und glaubt, er liebe sie genau so, wie sie ihn liebt. Und schöne Beine hat sie jetzt auch noch, extra für ihn: Miro ist hin und weg von der Schönheit der Meeresprinzessin!
Zurück auf den Boden der Tatsachen wird der Adlige allerdings von Sven und Finn geholt: Das Hochzeitshemd muss er anprobieren, die Hochzeit mit Prinzessin Lea dürfe er wohl nicht vergessen haben?
Was ein Jammer: Liebe kann verdammt weh tun!
Die Meerjungfrau ist zutiefst traurig, weint und weiß um ihr Schicksal: Heiratet Prinz Miro sie nicht, so wird sie endgültig zu Meeresschaum werden!
Der Prinz versteht zwar nicht, worum es geht, aber er kann sie trösten und verspricht: Sie wird die Einzige sein, die vor seinem Schlafzimmer schlafen darf!
Die Liebe ist ein seltsames Spiel, das wissen auch die drei kühnen Schwestern von Arielle.
Anisha, Elma und Niara – allesamt sehr gut von Lisa Brand, Theresa Rohe und Marie Brand verkörpert – wollen die Jüngste retten. Sie überreichen ihr ein Schwert, damit soll die unsterblich Verliebte den Jüngling töten und sein Blut muss über ihre Beine fließen. Dann ist sie gerettet, dann ist sie wieder eine Meerjungfrau und kann zu ihnen zurück kommen.
Doch die Ärmste aller Ärmsten hat Mitleid mit Miro: Nicht er sei schließlich an ihrem Schicksal schuld. Sie erkennt es endlich, und darum geht es in diesem Märchen: Jeder von uns hält sein Schicksal selbst in der Hand!
Und so lässt sie das Schwert fallen.
Die junge und die alte Meerjungfrau, Protagonistin und Antagonistin in Einem, sind bereit, den Schritt der Eigenverantwortung zu wagen: Es ist vorbei, sie fallen zu Boden und sterben im qualvollsten Tod, den man sich selbst bescheren kann – durch Selbstmord.
Entsetzt stehen alle Meereskreaturen da – ob König oder Prinzessin, keine Regung und kein Zucken mehr – das Leben grüßt, jeden Tag.
Und der Tod grüßt, jede Nacht. Um Mitternacht, als der neue Tag anbricht, an dem neues Leben entsteht.
Der Obernburger Theaterverein Die Granatsplitter sagt an: Die Magie des Theaters liegt in der Faszination der Worte. In der Sensation der Taten. In der Emotion des Publikums.
Diese drei Grundelemente lassen nicht mehr auf sich warten, jede gute Geschichte hat eine positive Seite: Die alte Arielle wird auferstehen und die schönste Königin aller Zeiten werden- Die Königin der Nacht. Die Königin der Sterne.
Sie alleine schenke Leben, wann immer sie will. Und mit den grandiosen Takten aus dem Song „Love tonight“ von Shouse machen sie und der Verein ihre Versprechung wahr: Alle werden nach und nach zum Leben wieder erweckt.
Und wir alle, alle miteinander, streben nach dem endgültigen Glück und nach dem leuchtenden Sieg über dem Tod hinaus. Wir strecken den linken Arm nach oben und sehen unserem Schicksal entgegen: als Stern für immer und ewig am Firmament...
Die Musik wird leiser, der Applaus – des Künstlers Brot –lauter.
Obernburger Märchensonntag: wenn Träume Realität werden!
Wir sehen uns gerne nächstes Jahr wieder...
Autor:Andrea Faggiano aus Obernburg am Main |
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