Obernburger Märchensonntag 2021: Das eigene ICH wird zum DU!
Das häßliche Entlein in Obernburg – die Biographie eines Autors wird in Szene gesetzt

Die Entleinmutter (Andrea Oberle) ist verzweifelt, das letzte und dickste Ei will nicht platzen! Aber es ist doch soweit, da steht es: Das häßliche Entlein (Anian Höll, rechts) | Foto: Theaterverein Die Granatsplitter e.V. / Dominik Pagio
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  • Die Entleinmutter (Andrea Oberle) ist verzweifelt, das letzte und dickste Ei will nicht platzen! Aber es ist doch soweit, da steht es: Das häßliche Entlein (Anian Höll, rechts)
  • Foto: Theaterverein Die Granatsplitter e.V. / Dominik Pagio
  • hochgeladen von Andrea Faggiano

Der alljährlich wiederkehrende Obernburger Märchensonntag wurde heuer am 19.09.2021 gefeiert.
Das theatralische Programm wird seit dem Jahr 2018 vom hiesigen Theaterverein Die Granatsplitter e.V. auf den Beinen gestellt, dank der sehr guten Zusammenarbeit mit dem StadtMarketing-Verein!

Neben dem Werk „Nora Note: Ein Kinderkonzert!“ (gemeinsam mit dem Musikverein Obernburg) und dem großen Schauspiel "Die kleine Meerjungfrau"(frei nach Hans Christian Andersen) gab es im Rosengarten der Kochsmühle um 14:00 Uhr die Uraufführung des kleinen Schauspiels „Das häßliche Entlein“ zu feiern.

Die Biographie eines Autors, die Geschichte hinter dem Märchen
Das Märchen „Das häßliche Entlein“ ist nicht nur eine von vielen Geschichten aus dem Repertoire der Fabeln. Dieses Märchen ist vielmehr die Biographie des dänischen Autors Hans Christian Andersen, der sein Leben meisterhaft darin Revue passieren lässt.
Und so gab es für den Verein die schwierige Aufgabe, zum einen das Märchen kindsgerecht und detailgetreu auf die Bühne zu bringen. Zum anderen wollte der Regisseur und erster Vereinsvorsitzender Andrea Faggiano die Geschichte des Schriftstellers als zeitgenössische, kritische Darstellung aufführen.
Die Story hat es in sich, der Verein lässt sie zwischen Handpuppen und Schauspiel aufleben: Die zwei Küken sind schon da, aber das dritte, das größte Ei will nicht platzen. Die Entleinmutter – glaubhaft, liebevoll und souverän durch Andrea Oberle verkörpert- gibt nicht nach und setzt all ihre Geduld auf das letzte Ei.

Wäre da aber nicht die alte, stolze Ente – fabelhaft und grandios von Katharina Fath gespielt -, die ihr diese Idee ausreden will. Das ist ein dickes Ei, da kann irgendwas nicht stimmen.
Und plötzlich knackt es. Was steht aber jetzt da? Ein Riesenentlein!
Für die Entleinmutter gibt es keine Zweifeln: Das Entlein sei groß, außer Frage, aber es wird schon wieder. Und es steht prächtig und elegant, was ein wundervolles Wesen! Das ist es, ihr Kind.
Aber die alte Ente, aus spanischem Geblüt, speit Feuer: Oh nein, das steht weder prächtig noch elegant. Und häßlich sei das Entlein allemal! Und groß, verdammt groß. Es muss gepufft werden, die Stolze macht sich ans Werk und stürzt sich auf den Armen – Anian Höll glänzt in seiner schauspielerischen Abwehrleistung!

Weg mit dem häßlichen Geschöpf, nieder mit ihm! Es wird von den vermeintlich eigenen Verwandten schlussendlich verstoßen.
Und so muss das Entlein weiter ziehen. Durch Felder, am See entlang, wo es von einer Bäuerin (Andrea Oberle) entdeckt wird.
Sie freut sich auf die fette Beute und nimmt es mit auf ihren Bauernhof.

Das Leben kann verdammt unfair sein: wie gewonnen, so zerronnen!
Auf dem Hof und im Stall warten der fiese Kater – was ein Talent, der junge Leon Tjart!- und die böswillige Henne – Theresa Rohe wirkt überzeugend und ihre Leistung ist sehr gut- auf das Entlein.

Was bildet es sich bloß ein, dieses häßliche Ding? Es kommt schließlich einfach so in ihre Stube, kann weder schnurren und Funken sprühen, noch kann es Eier legen und macht sich breit auf ihre Kosten?
Und schön schwimmen auf dem See will es auch noch, das undankbare Wesen!

Nicht mit den beiden! Sie machen ihm unmissverständlich klar, worauf es im Leben ankommt: Ohne Leistung keine Gegenleistung.

Das Entlein hat zu gehen, Punkt.

Und so geht die arme Kreatur, der Winter naht und die Jagd wird eröffnet. Man hört sie, die Schüsse!
Und der Winter wird kälter und kälter. Und wieder und immer wieder fallen die Schüsse.
Da sitzt es, regungslos am See: Wohin mit sich, wenn keiner es will? Wer baut dich auf, wenn du am Boden liegst? Wer ist für dich da, wenn du Hilfe brauchst?

Im tiefsten Tal seiner Biographie steckt der Andersen nun: Seine Depression entfaltet sich literarisch in diesem Werk und lässt den Leser nicht mehr los.
Ja, der dänische Autor litt unter seinem Aussehen sehr. Er war nicht hübsch, das wusste er. Und am Anfang seiner schriftstellerischen Karriere musste er viel Spott und Hohn einstecken. Seine Bücher ließen sich weder verlegen noch verkaufen.
Aber er wusste auch: Er hat ein gutes Herz. Kein stolzes, aber ein gutes Herz.
Und er würde irgendwann auf jemanden treffen, bei dem es sich gelohnt hätte, nicht aufzugeben.

Ein Jäger – gut gespielt durch Jeremias Weis- entdeckt das häßliche Entlein, welches erschöpft und frierend am See sitzt. Er dachte, er hätte es getroffen. Es sei eine Ente, aber es ist sie nicht. Es ist ein Schwan, das schönste Tier, welches auf einem See schwimmen kann!
Und so nimmt es mit, päppelt es auf und lässt es wieder gehen: Der schöne Schwan hat ein Recht darauf!

Hans Christian Andersen wird von einem bedeutenden Verleger entdeckt, der sein Talent erkennt und ihn moralisch aufbaut. Er will ihn groß rausbringen und schon bald wird Dänemark ein Land unter vielen sein: Andersen besucht halb Europa und macht sich einen Namen.
Kehrt irgendwann zurück und wird zur literarischen Ikone, er wird zur Legende. Seine Bücher, Märchen, Zitate und Poesien sind in den Schulen beinahe Pflichtprogramm geworden.
Und das gute Herz, worauf man niemals stolz sein darf, ist der eindeutige Beweis für den anstehenden Frühling seiner Seele.

Er ist wieder da, der Frühling. Und mit ihm kehren die schönen Schwäne zurück.

Sehr früh da sind die zwei, Elena und Arthur (bezaubernd und humorvoll von Elena und Elias Stephan gespielt), die auf die anderen warten mögen.
Und das häßliche Entlein – nun als schönster Schwan weit und breit- hat Angst: Werden Elena und Arthur dies auch so sehen?
So prescht es vor: „Tötet mich, tötet mich nur!“

Aber nein, die Geschichte ist hier am Ende. Die beiden wissen um seine Schönheit, sie erkennen sie an und das Trio feiert sich und das wundervollste Märchen überhaupt: Das Leben!

Getreu dem Zitat von Hans Christian Andersen selbst: Das schönste Märchen ist das Leben selbst!

Autor:

Andrea Faggiano aus Obernburg am Main

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