Ausstellung:
Berührende Fotografien in der „Kunsthalle“ des Landratsamtes

Die Akteure des Abends (v.l.): Landrat Dr. Achim Brötel, Sibylle Ostien und Norbert Weckbach, beide stellvertretende Vorsitzende des Vereins Bezirksmuseums Buchen, Dr. Jürgen Strein, ebenfalls Vorstandsmitglied des Vereins und Pianist Georg Fischer. | Foto: Landratsamt Neckar-Odenwald-Kreis
  • Die Akteure des Abends (v.l.): Landrat Dr. Achim Brötel, Sibylle Ostien und Norbert Weckbach, beide stellvertretende Vorsitzende des Vereins Bezirksmuseums Buchen, Dr. Jürgen Strein, ebenfalls Vorstandsmitglied des Vereins und Pianist Georg Fischer.
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Beeindruckende Porträts jüdischer Mitbürger: Ausstellung „Kurz stillhalten, bitte“ des Bezirksmuseums Buchen wanderte nach Mosbach

Von Sabine Braun

Mosbach/Buchen. Gut zwei Dutzend berührende Porträts und Familienbilder aus der Werkstatt des Buchener Fotografen Karl Weiß (1876 bis 1956) bekommen eine zweite Chance: Die Ausstellung „Kurz stillhalten, bitte!“, erarbeitet vom Bezirksmuseum Buchen, kuratiert von Rebekka Denz und Tilmann Gempp-Friedrich, ist ab sofort im Landratsamt Mosbach zu sehen.

Doch eigentlich sind es die Betrachter, die erstmals oder vielleicht auch noch einmal das Glück haben, die virtuosen Arbeiten des frühen Meisters der Fotografie zu betrachten. Landrat Dr. Achim Brötel und der Schriftführer des Bezirksmuseums Buchen, Dr. Jürgen Strein, informierten bei der Vernissage über die Fotografien und ihren Urheber, vor allem aber über die porträtierten Menschen. Zugleich öffneten beide den Blick auf die größeren Zusammenhänge.

So verwies Landrat Dr. Brötel in seiner Begrüßung darauf, dass genau an der Stelle des Foyers, der „großen Kunsthalle des Landratsamts“, einst die Zigarrenfabrik von Leopold Blum stand. Der jüdische Unternehmer war nach 1933 schweren Repressionen der Nazis ausgesetzt und musste die Fabrik 1938 verkaufen. Einige Mitglieder seiner Familie emigrierten noch rechtzeitig in die USA, andere wurden im KZ ermordet, berichtete der Landrat. Solche „Bezugspunkte“ brauche man, um das Erinnern aufrecht zu erhalten. Und Brötel fand noch weitere Anknüpfungspunkte: Der charmante Junge, der den Betrachter gleich auf mehreren großformatigen Porträts anschaut, mal als Gentleman, mal als Schreiner ausstaffiert, wurde ihm ein persönlicher Freund. Denn der junge Kurt Rosenbaum, sein Porträt zeigt ihn als Sechsjährigen, hat überlebt und brachte es in den USA zu einigem Wohlstand. Doch seine Heimat Hainstadt konnte er nie vergessen, wusste Brötel. Und so sei Rosenbaum, obwohl man ihm und seiner Familie in Hainstadt einst übel mitgespielt habe, im Jahr 2000 zur 1225-Jahr-Feier seines Heimatortes gekommen. Dort lernte ihn der junge Bürgermeister Brötel kennen und schätzen. Ihm nun fotografisch wiederzubegegnen, sei berührend, so der Landrat. Und als Betrachter der Bilder ist man unwillkürlich erleichtert, zu wissen, dass dieses Kind überlebt hat.

Umso bedrückender die Erkenntnis, dass viele andere Porträtierte, die einen da anblicken, unter schlimmsten Umständen entrechtet und ermordet wurden. So rief Brötel auch das Schicksal der Bödigheimerin Susanne Stern in Erinnerung, die vom NSDAP-Ortsgruppenleiter mit drei Schüssen ermordet wurde.

Ein Porträt der resoluten Dame ist im oberen Stockwerk des Hauptgebäudes zu besichtigen. Jürgen Strein informierte, dass die Sonderausstellung zum 80. Jahrestag der Deportation der badischen Juden nach Gurs eines der ambitioniertesten Projekte des Museums gewesen sei. Sie habe jedoch unter keinem guten Stern gestanden. Pandemiebedingt musste die Eröffnung abgesagt werden. Und als die Schau 2020 unter hohen Auflagen und mit Abstandsmarkierungen auf dem Boden öffnete, sei das erwünschte Publikum, die Schulklassen, aus verständlichen Gründen ausgeblieben. Deshalb freuten sich die Aktiven des Bezirksmuseums, dass man die Ausstellung jetzt in Mosbach zeigen dürfe. Und es haben sich bereits Pädagogen mit ihren Schülern angemeldet, weiß der Verantwortliche im Landratsamt, Achim Dörr.

Aufgenommen wurden die Porträts von Bürgern jüdischen Glaubens aus der Region zwischen Buchen, Walldürn und Eubigheim in den 1920er und 1930er Jahren. Die Fotos sind Teil eines „wahren Schatzes“, so Jürgen Strein, der dank der Großzügigkeit der Enkel von Karl Weiß in den Besitz des Museums gekommen sei: Über 9000 Glasplatten, auf die Weiß Menschen und Ereignisse seiner Zeit gebannt hat. Für Strein sind diese Aufnahmen, die Stefan Leis digitalisierte, „nicht weniger als eine illustrierte Kulturgeschichte des badischen Frankenlands“. Rainer Handwerk gelang es, 40 der abgelichteten Personen zu identifizieren, und ihnen wurde die Ausstellung gewidmet. Intention der Kuratoren sei es gewesen, die Porträtierten nicht als Opfer, sondern als „ganz normale“ Buchener zu zeigen, informierte Strein.

Auch er brachte den Zuhörern nicht nur die technischen Seiten der Fotografien, sondern die abgebildeten Menschen näher. Er schilderte das Schicksal des „überintegrierten“ Dichters Jacob Mayer, der in vielen Buchener Vereinsvorständen war, dann aber rasch ausgegrenzt wurde und sich 1939 vereinsamt das Leben nahm. Oder Albrecht Lester: Auch seine unbeschwerte Kindheit in Buchen endete in einer verdüsterten Welt, beschrieb Strein die Lebensgeschichte des Mannes, der mit einem Kindertransport 1939 nach London gelangte.

Begleitet werden die Fotografien von Tafeln, welche die Ausgrenzung der jüdischen Mitbürger und ihre Deportation nach Gurs thematisieren. Ergänzt werden diese durch Informationen, welche die Fotografien in den Kontext der damaligen Gesellschaft und Geschichte stellen einer Welt, die mit den vertriebenen und ermordeten Menschen unterging. Abschließend dankte Brötel dem Pianisten Georg Fischer für die Umrahmung des Abends und Jürgen Strein für die wunderbare Hinführung zu den Bildern und den gezeigten Menschen. Weiter appellierte er an die Vernissage-Gäste, vor den Fotografien innezuhalten und sich faszinieren zu lassen. Und während die Porträtierten für Karl Weiß „kurz stillhalten“ mussten, steht für Brötel angesichts aktueller politischer Entwicklungen fest: „Wir dürfen gerade nicht stillhalten. Nie wieder.“

Info: Die Ausstellung ist noch bis 27. September im Landratsamt in Mosbach, Neckarelzer Straße 7, Gebäude 8, zu sehen. Führungen können über das Bezirksmuseum vereinbart werden (Telefon 06281/8898 oder per Mail an info@bezirksmuseum.de)

Autor:

Landratsamt Neckar-Odenwald-Kreis aus Neckar-Odenwald-Kreis

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