Weihnachtsbrief von Landrat Dr. Achim Brötel
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,
es sind momentan schon besonders herausfordernde Zeiten. Der russische Eroberungsfeldzug in der Ukraine dauert bereits fast drei Jahre lang und wird nach wie vor mit gnadenloser Härte geführt - auch gegen Kinder, Familien und alte Menschen, die sich gar nicht wehren können. Dazu Kriege im Heiligen Land, aber auch an vielen anderen Orten unserer einen Welt. Syrien ist zwar hoffentlich befreit. Der Diktator, der Hunderttausende von Menschenleben auf dem Gewissen hat, flieht aber feige in die Arme seines russischen Schutzpatrons. Ein Völkermörder deckt den anderen - und die Putin-"Versteher", die es unverständlicherweise auch bei uns in Deutschland gibt, schweigen einfach dazu. "Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral", wie es Bertold Brecht formuliert hat.
Die Welt ist in Bewegung. Und: sie wird es wohl auch weiterhin bleiben. Umso wichtiger ist es aber, dass wir in die Flüchtlingsströme endlich wieder mehr Ordnung bringen. Viele Menschen haben momentan einfach den Eindruck, dass wir uns sonst als Staat und Gesellschaft gleichermaßen überfordern oder womöglich noch selbst in Gefahr bringen. Wir kommen aus einer Phase, die sehr stark von Humanität geprägt war. Dazu bekenne ich mich auch weiterhin. Wir dürfen die Humanität jetzt nicht einfach über Bord werfen. Sie ist kein unnötiger Ballast, sondern Teil unseres - auch christlichen - Weltbilds. Trotzdem braucht es künftig aber wieder wesentlich mehr Elemente der Ordnung, der Steuerung und vor allem auch der Begrenzung. Das ist kein Widerspruch, sondern eine geradezu zwangsläufige Fortentwicklung. Allein in den letzten 10 Jahren hat Deutschland rund 2,8 Millionen Asylerstanträge zu verzeichnen gehabt und zusätzlich auch noch mehr als 1,2 Millionen Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine aufgenommen. Irgendwann stößt jedes System aber an seine Grenzen. Da bin ich ganz bei unserem früheren Bundespräsidenten Joachim Gauck, der schon im Herbst 2015 gesagt hat: "Wir wollen helfen. Unser Herz ist weit. Doch unsere Möglichkeiten, sie sind endlich".
Es gibt aber auch noch viele weitere offene Baustellen. Ich denke dabei an die immer deutlicher zutage tretenden Folgen des globalen Klimawandels. Da sind wir alle künftig sicher noch wesentlich mehr gefordert als bisher. Wir müssen uns aber auch gut überlegen, was tatsächlich Sinn macht. Klimaschutz darf sich jedenfalls nicht in bloßem Aktionismus erschöpfen. Das gilt insbesondere mit Blick auf unsere Wirtschaft. Deutschland muss eine starke Wirtschaftsmacht bleiben, in der auch die Rahmenbedingungen für den unternehmerischen Erfolg passen. Anderenfalls setzen wir nämlich nicht nur unseren Wohlstand aufs Spiel, sondern auch unseren Sozialstaat. Wirtschaftlicher Erfolg und soziale Fürsorge sind zwei Seiten derselben Medaille. Diesen Zusammenhang müssen auch die diejenigen begreifen, die die Welt am liebsten nur in "gut" und "schlecht" einteilen. Zwischen "gut" und schlecht" gibt es aber noch viele Zwischentöne. Und: Diese Zwischentöne dürfen nicht länger unter den Tisch fallen. Dort liegen nämlich die eigentlich pragmatischen Lösungsansätze, die unter dem Strich in aller Regel weiter führen.
Mit Blick auf die Zukunft müssen wir vor allem aber auch unser soziales Gefüge im Blick behalten. Solidarität wird immer öfter nur noch als Einbahnstraße verstanden. Etwas, das man zwar von anderen einfordert, aber selbst nicht auch zu geben bereit ist. Und: Wir haben einen Staat, der zunehmend an seine Grenzen stößt, weil er viel zu lang maßlos über seine Verhältnisse gelebt hat und jetzt merkt, dass sowohl die personellen als auch die finanziellen Ressourcen endlich sind. Man kann Probleme auf Dauer nicht einfach mit Geld zudecken. Auch da geht es letztlich um Generationengerechtigkeit. Jeder Euro, der heute auf Pump finanziert wird, belastet nämlich künftige Generationen und schränkt deren Zukunftschancen noch mehr ein.
Deshalb müssen wir der Wahrheit ins Gesicht schauen. Diese Wahrheit ist aber immer noch von einer irrsinnigen Bürokratie geprägt. Auch das kann so nicht weitergehen. Deshalb müssen wir alle Ebenen des Verwaltungshandelns, ausdrücklich auch innerhalb unseres eigenen Landratsamts, dringend darauf überprüfen, was tatsächlich sein muss, was umgekehrt aber auch verzichtbar ist, ohne dass die Welt gleich untergeht. Mehrfaches Absicherungsdenken, ein völlig übersteigertes Streben nach Einzelfallgerechtigkeit bis zur mindestens vierten Nachkommastelle, aber auch die schlichte Komplexität vieler Gesetze und Vorgaben passen einfach nicht mehr in die Zeit. Ich wünsche mir deshalb von allen Beteiligten mehr Mut, um das nicht nur in Worten, sondern endlich auch in Taten wieder auf ein vernünftiges Maß zurückzuführen. Wir müssen deutlich einfacher, deutlich schneller und deutlich digitaler werden. Und: Es darf auch nicht immer am Datenschutz scheitern. Maß und Mitte müssen deshalb auch dort wieder zur Richtschnur werden.
Trotzdem haben wir auch in diesem Jahr wieder viel erreicht. Sinnbildlich dafür steht etwa der Ersatzneubau des Ganztagsgymnasiums Osterburken. Es gibt aber auch noch Vieles zu tun. Unser Hauptaugenmerk muss dabei vor allem der Sicherung gleichwertiger Lebensverhältnisse im ländlichen Raum gelten. Ich denke etwa an den Erhalt unserer Neckar-Odenwald-Kliniken in Mosbach und Buchen. Dafür müssen und dafür werden wir deshalb weiter kämpfen. Dasselbe gilt für den kinderärztlichen Bereitschaftsdienst. Wir dürfen es nicht zulassen, dass wir durch weltfremde Entscheidungen sozusagen in die 60er Jahre zurückkatapultiert werden.
Der Jahreswechsel ist immer zugleich auch mit einem Neustart verbunden. Ein neues Jahr beginnt. Mit neuen Chancen und Hoffnungen, aber auch auf einer bewährten Basis. Diese bewährte Basis sind Sie alle. Die Menschen, die im Neckar-Odenwald-Kreis leben und arbeiten und die sich hier bei uns nach wie vor auf eine wirklich bewundernswerte Weise ehrenamtlich für andere engagieren. Das ist es, was uns bisher stark gemacht hat. Und ich bin sicher: Es wird uns auch künftig in eine gute Zukunft tragen.
Deshalb will ich mit Zeilen schließen, die genau diese Zuversicht verkörpern. Es sind Worte, die der Dichter August Heinrich Hoffmann von Fallersleben bereits 1841 geschrieben hat - übrigens im selben Jahr, in dem er auch den Text für unsere Nationalhymne verfasst hat: "Das alte Jahr vergangen ist, das neue Jahr beginnt. Wir danken Gott zu dieser Frist, wohl uns, dass wir noch sind! Wir sehn aufs alte Jahr zurück und haben neuen Mut: Ein neues Jahr, ein neues Glück! Die Zeit wird immer gut".
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen und Ihren Lieben ein gesegnetes Weihnachtsfest und uns allen dann von Herzen ein gesundes, glückliches und vor allem auch friedvolles neues Jahr 2025 - auf dass auch unsere Zeit immer gut sein wird.
Auf Weihnachtskarten oder Geschenke haben wir erneut verzichtet und stellen den entsprechenden Betrag stattdessen dem Verein "Spielplatzpiraten" für sein kreisweites Jugendhilfeprojekt zur Verfügung. Es war eines der Herzensprojekte der in diesem Jahr leider viel zu früh verstorbenen Marion Pfannenschwarz. Auch ihrem Gedenken soll diese Weihnachtsspende deshalb gewidmet sein.
Ihr
Dr. Achim Brötel
Landrat
Autor:Landratsamt Neckar-Odenwald-Kreis aus Neckar-Odenwald-Kreis |
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