Jugendhilfe in Zeiten des Fachkräftemangels:
Ausschuss beschäftigte sich mit aktuellen Herausforderungen – Zahl unbegleiteter minderjähriger Ausländer steigt wieder
Seckach-Klinge. Ein umfassendes Zahlenwerk zu erzieherischen Hilfen für Kinder und Jugendliche wurde den Mitgliedern des Jugendhilfeausschusses in einer Sitzung vergangene Woche im Bernhardsaal im Kinder- und Jugenddorf Klinge präsentiert. Hierzu begrüßte Landrat Dr. Achim Brötel die Ausschussmitglieder und dankte Vorstand Alexander Gerstlauer für die Bereitstellung der Tagungsräumlichkeiten. Gerstlauer berichtete anschießend über aktuelle Entwicklungen in seiner Einrichtung.
Präsentiert wurden die Ergebnisse der statistischen Auswertungen dann von Kathrin Kratzer, Mitarbeiterin des Kommunalverbands für Jugend und Soziales Baden-Württemberg. Basierend auf einer für das ganze Bundesland angelegten Untersuchung ordnete sie die in den Jahren 2016 bis 2021 gesammelten Daten ein. Entgegen des landesweiten Trends seien im Kreis die Fallzahlen der stationären wie nicht-stationären Hilfen für junge Menschen rückläufig. Innerhalb der nicht-stationären Hilfen setze der Kreis schwerpunktmäßig auf die Sozialpädagogische Familienhilfe. „Vor diesem Hintergrund könnte überprüft werden, ob man niederschwelligere Hilfen im nicht-stationären Bereich weiter stärkt“, stellte Kratzer fest. Dabei unterstrich Kratzer, wie notwendig die Hilfen seien: „Unsere Daten zeigen, dass Kinder, die in bestimmten Lebenslagen aufwachsen, mit deutlich höherer Wahrscheinlichkeit die ergänzende Unterstützung benötigen.“
Bei der kreisspezifischen Analyse skizzierte Katzer, dass grundsätzlich mehr stationäre Hilfen in Anspruch genommen werden, als sie es auf Basis der sozialstrukturellen Daten vermutet hätte. Dies schrieb sie einerseits der „statistischen Erhebungspraxis“ zu, andererseits würden mehr Kinder als im Landesdurchschnitt in Pflegefamilien untergebracht. Kratzer empfahl, mitunter den Ausbau teilstationärer Hilfen zu prüfen.
Gesondert herausgehoben wurde die personelle Ausstattung der Sozialen Dienste, die im oberen Drittel des Landesdurchschnitts liege. Wie in allen Landkreisen seien die Kosten deutlich gestiegen, lägen aber im Kreis mit 385 Euro je Jugendeinwohner noch unter dem Durchschnitt der Landkreise. Die Forschung zeige, dass unter anderem das Aufwachsen mit psychisch kranken Eltern eine wichtige Ursache für die Inanspruchnahme von Leistungen sei, erklärte Kratzer, betonte aber auch, dass die gute personelle Ausstattung zu den vergleichsweise geringen Inanspruchnahme- und Ausgabenwerten beigetragen habe. Dieses Lob für das Engagement vor Ort nahmen Landrat Brötel wie auch Sozialdezernentin Renate Körber gern entgegen.
Abschließend verwies Kratzer darauf, dass man in der Kinder- und Jugendhilfe vor großen Herausforderungen stehe. Neben neuen Aufgaben aus dem Kinder- und Jugendstärkungsgesetz wirke die Corona-Pandemie nach. Ebenso gebe es schwer einzuschätzende Fluchtbewegungen sowie die Gefahr einer inflationsbedingten Armutswelle. „Wie können die vielfältigen Herausforderungen vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels bewältigt werden?“, stellte die Soziologin abschließend eine der Kernfragen, mit der sich das Jugendamt derzeit intensiv beschäftigt.
Lob für die präzise und detaillierte Analyse erhielt die Referentin von Landrat Brötel und den Ausschussmitgliedern. Die Ergebnisse wurden anschließend intensiv diskutiert, wobei man sich einig war, dass man die Jugendhilfe in einigen Bereichen auch hinsichtlich der leistbaren Standards neu denken müsse. Mehrere Ausschussmitglieder verwiesen in diesem Zusammenhang darauf, dass die Zeit dränge und man insbesondere die Personalprobleme inzwischen nicht nur mit Geld lösen könne.
Im Fortgang der Sitzung berichtete Landrat Brötel, dass die Zahl im Neckar-Odenwald-Kreis ankommender unbegleiteter minderjähriger Ausländer weiter angestiegen sei. Im Detail erläuterte der Leiter des Fachdienstes Soziale Dienste Pascal Heffner diese Entwicklung. Derzeit betreut der Kreis 56 unbegleitete Ausländer, allein 14 davon seien in diesem Jahr in den Kreis gekommen. Auch wenn die Bereitschaft der Träger da ist, Angebote zur Unterbringung zu schaffen, sei dies auch hier aufgrund des Fachkräftemangels sehr schwierig. „Deshalb haben wir im Dezember vergangenen Jahres ein eigenes Wohnangebot im Kinder- und Jugenddorf geschaffen“, erläuterte Heffner, der dabei dem DRK-Kreisverband Buchen für die sehr gute Kooperation dankte. So habe man 20 Plätze etablieren können. Die Jugendlichen kämen vor allem aus Afghanistan, Iran, Syrien und afrikanischen Ländern. Deutlich weniger unbegleitete Minderjährige als vermutet seien hingegen aus der Ukraine infolge des russischen Angriffskriegs gekommen. Die Kosten für die Unterbringung trage in der Regel nicht der Kreis, sondern das Land. Was der Kreis hingegen stemmen müsse, seien, so Heffner, die großen Herausforderungen bei der Schaffung von neuen Angeboten. „Wir werden bei der Unterbringung unbegleiteter Ausländer große Probleme bekommen, wenn wir junge Menschen, die zuvor tausende Kilometer allein gereist sind, nur nach den hohen Standards der Jugendhilfe betreuen“, fasste Landrat Brötel am Ende die Diskussion noch einmal zusammen.
Schließlich stimmt der Ausschuss noch den als Jugendhauptschöffen vorgeschlagenen Personen für die Geschäftsjahre 2024 bis 2028 einstimmig zu.
Autor:Landratsamt Neckar-Odenwald-Kreis aus Neckar-Odenwald-Kreis |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.