Sozialministerium Baden-Württemberg:
„Folgen und finanzielle Auswirkungen der Krankenhausreform können noch nicht abgeschätzt und berechnet werden“
Mosbach/Walldürn. Die heftig umstrittene, von Bundesgesundheitsminister Lauterbach aber gegen alle noch so berechtigten Einwände unbeirrt vorangetriebene Krankenhausstrukturreform ist im Oktober mit den Stimmen der damaligen Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP im Bundestag beschlossen worden. Am Freitag dieser Woche wird sich jetzt im Bundesrat entscheiden, ob dieses Gesetz noch in ein Vermittlungsverfahren geht oder aber unverändert so in Kraft tritt.
Die Kreistagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen hat dazu bereits am 18. Oktober beantragt, die Auswirkungen der Reform für die Neckar-Odenwald-Kliniken konkret zu benennen und zu berechnen und anschließend ausführlich in den Kreisgremien darüber zu berichten. Landrat Dr. Achim Brötel, der zugleich auch Präsident des Deutschen Landkreistags ist, hatte in einer ersten Reaktion schon damals darauf hingewiesen, dass sich weder die Geschäftsführung der Neckar-Odenwald-Kliniken noch die Landkreisverwaltung dazu auch nur ansatzweise in der Lage sehe. Der Bund sei nämlich nach wie vor die vielfach von allen Seiten eingeforderte Auswirkungsanalyse schuldig geblieben und habe auch den erforderlichen „Grouper“, mit dem die einzelnen Behandlungsfälle den Leistungsgruppen zugeordnet werden, den Betroffenen immer noch nicht zugänglich gemacht. Das sei ja gerade einer der zentralen Kritikpunkte in dem Gesetzgebungsverfahren.
Um diese Aussage zu verifizieren, hat Brötel sich im Nachgang aber umgehend auch noch an das für die Krankenhausplanung zuständige Sozialministerium Baden-Württemberg gewandt und dort um Unterstützung gebeten. Das Sozialministerium hat die Anfrage jetzt beantwortet und dabei die Bewertung des Landrats in vollem Umfang bestätigt. In der Antwort, die Brötel dem Kreistagsausschuss für Gesundheit und Soziales bei seiner Sitzung am Montagabend im Haus der offenen Tür in Walldürn vorstellte, heißt es unter anderem, dass der Bund entgegen seiner Versprechen bisher kein geeignetes Tool für eine Folgenabschätzung für das neue System der Vorhaltevergütung vorgelegt habe. Die Fallzuordnung zu den Leistungsgruppen sei zudem nicht transparent einsehbar. Der vom Bundesgesundheitsministerium angekündigte „Grouper“ stehe voraussichtlich erst im folgenden Jahr zur Verfügung. Das Sozialministerium kommt deshalb zu dem Schluss: „Die Folgen und insbesondere die finanziellen Auswirkungen der Krankenhausvergütungsreform können daher bis zum heutigen Tage leider noch nicht seriös abgeschätzt und berechnet werden“.
Landrat Dr. Achim Brötel, der dem Ministerium nicht nur für seine klaren Worte ausdrücklich gedankt hat, sondern auch darauf hinwies, dass Baden-Württemberg am Freitag im Bundesrat auf jeden Fall für die Anrufung des Vermittlungsausschusses votieren wird, sieht sich in seiner Kritik, die auch von den kommunalen Spitzenverbänden und den Krankenhausgesellschaften auf Bundes- und Landesebene geteilt wird, dadurch ausdrücklich bestätigt: „Es ist mir völlig unbegreiflich, wie Bundestagsabgeordnete ein Gesetz beschließen können, von dem niemand auf der Welt weiß, was es später für Auswirkungen haben wird“. Das Ganze sei und bleibe deshalb ein absolut unverantwortlicher Blindflug der ehemaligen Ampel-Parteien, mit dem die für die medizinische Versorgung der Bevölkerung gerade in den ländlichen Räumen unverzichtbare Krankenhausversorgung obendrein auch noch leichtfertig aufs Spiel gesetzt werde. Wer einfach den Erzählungen des Ministers glaube, ohne die Auswirkungen der eigenen Stimmabgabe kritisch zu hinterfragen, werde seiner Verantwortung als Mitglied des Deutschen Bundestags nicht gerecht. Man könne doch nicht ein derart weitreichendes Gesetz beschließen, ohne zu wissen, welche Folgen es hat und dabei auch noch sehenden Auges akzeptieren, dass das maßgebliche Bewertungstool, nämlich der „Grouper“, erst dann zur Verfügung gestellt werde, wenn das Gesetz schon in Kraft sei. Dadurch werde der latenten Geheimniskrämerei von Minister Lauterbach auch noch aktiv Vorschub geleistet. Landrat Dr. Achim Brötel dazu: „SPD, Grüne und FDP haben hier mit Ansage und wider besseres Wissen die ‚Katze im Sack‘ gekauft – und die Menschen im ländlichen Raum werden einmal mehr die Zeche dafür bezahlen. Wer gestern während der Pandemie noch Beifall geklatscht habe, heute dieselben Krankenhäuser aber leichtfertig aufs Spiel setzt, muss sich fragen lassen, mit welchem Selbstverständnis sie oder er überhaupt in der Politik tätig ist.“
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG), der Dachverband der Krankenhausträger in Deutschland, hat die Krankenhausreform des Bundes derweil in einer eigenen Auswirkungsanalyse mit Hilfe der Vebeto GmbH aus Hamburg näher untersucht und kommt dabei zu dem ernüchternden Schluss, dass die Reform die flächendeckende Gesundheitsversorgung in Deutschland in hohem Maße gefährdet und zu Abteilungs- und Standortschließungen vor allem in ohnehin schon schlechter versorgten Regionen führen wird. Insbesondere sei es nicht so, dass die Reform, wie der Bundesgesundheitsminister immer wieder behauptet, die Existenz der ländlichen Krankenhäuser sichere. Diese Kliniken hätten im neuen Finanzierungssystem nämlich keine Chance, ihre Erlösverluste durch den politisch gewollten Wegfall einzelner komplexerer Behandlungsangebote zu kompensieren. Die Vorhaltefinanzierung leiste deshalb gerade nicht die Strukturkostenfinanzierung, die aber dringend erforderlich wäre, um die Standorte zu sichern. Folge davon werde sein, dass sich die schlechte wirtschaftliche Lage gerade bei kleineren und mittelgroßen Krankenhausstandorten nochmals dramatisch zuspitze.
„Dass alles das den Bund offenbar überhaupt nicht interessiert, ist extrem frustrierend und nicht zuletzt auch ein Schlag ins Gesicht derer, die in den Neckar-Odenwald-Kliniken tagein tagaus eine hervorragende Arbeit für die Menschen leisten“, so Brötel mit Blick auf die Vebeto-Studie. Die ganze Hoffnung ruhe deshalb jetzt auf den Ländern. Auch insofern habe Bundesgesundheitsminister Lauterbach aber getrickst und seinen Gesetzentwurf von vorneherein so angelegt, dass er im Bundesrat gar nicht zustimmungspflichtig sei, obwohl die Krankenhausplanung eindeutig zu den verfassungsrechtlichen Kompetenzen der Länder gehört. Man könne deshalb nur über ein Vermittlungsverfahren versuchen, das Schlimmste noch zu verhindern. Momentan sei aber selbst das völlig offen, weil insbesondere die SPD-geführten Bundesländer entgegen ihrer ursprünglichen 16:0-Kritik an dem Gesetzentwurf jetzt offenbar aus parteipolitischen Gründen in die Pflicht genommen würden, die Füße still zu halten. „Was sich hier abspielt, ist ohne Worte. Wir werden aber trotzdem selbst gegen Windmühlen weiterkämpfen, weil wir wissen, was wir an den Neckar-Odenwald-Kliniken haben. Da geht es um unsere Zukunft. Und: Diese Zukunft werden wir uns nicht von Menschen nehmen lassen, die vielleicht eine wissenschaftliche Expertise, aber von der Lebenswirklichkeit vor Ort schlicht keine Ahnung haben“, so Brötel abschließend.
Autor:Landratsamt Neckar-Odenwald-Kreis aus Neckar-Odenwald-Kreis |
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