Gesundheitsamtsleiterin mit deutlichem Appell
Ausschuss für Gesundheit und Soziales beschäftigte sich mit Pandemieauswirkungen
Neckar-Odenwald-Kreis/Oberschefflenz. Zuletzt hatte das Gesundheitsamt den zuständigen Ausschuss für Gesundheit und Soziales im Juli und damit in einer Niedriginzidenzphase über die Corona-Situation informiert. Unter komplett veränderten Vorzeichen erfolgte nun in einer weiteren Sitzung der aktuelle Bericht. „Wir können uns glücklich schätzen, dass unser Gesundheitsamt jetzt schon seit deutlich mehr als eineinhalb Jahren dem Virus die Stirn bietet und dabei ganz hervorragende Arbeit leistet“, führte Landrat Dr. Achim Brötel in die Sitzung in der Roedderhalle in Oberschefflenz ein. Die Pandemie sei jetzt aber erneut in einer äußerst kritischen Phase: „Unsere 7-Tage-Inzidenz nähert sich der Zahl 500“, so Brötel.
Gesundheitsamtsleiterin Dr. Martina Teinert verwies zunächst darauf, dass man es immerhin geschafft habe, bis zum Spätsommer jedem Impfberechtigten ein entsprechendes Angebot zu machen. Die aktuelle Situation schilderte sie dann mit drastischen Worten: „Deutschland ist sozusagen fast zu gut durch die bisherigen Wellen gekommen. Deshalb ist die Impfquote, anders als beispielsweise in Spanien oder Portugal, viel zu niedrig, um die Pandemie aufzuhalten. Gleichzeitig wurden umfassende Lockerungen vorgesehen. Die Quittung erhalten wir, wie von der Wissenschaft fast unisono vorhergesagt, ganz aktuell“, ordnete Teinert ein. Besonders die jüngeren und deshalb meist ungeimpften Bevölkerungsgruppen treffe es derzeit stark. „Die Inzidenzen bei den Schülerinnen und Schülern im Landkreis liegen über 1.000. Die Delta-Variante rauscht derzeit mit Macht durch viele Gemeinschaftseinrichtungen“, kritisierte Teinert den mangelnden Schutz von Kindern und Jugendlichen. Es gebe aber auch wieder Todesfälle unter älteren Patienten. Bisher seien in der vierten Welle neun Personen mit einem Durchschnittsalter von rund 80 Jahren mit und an Covid-19 verstorben, davon fünf vollständig immunisierte Menschen. In diesem Zusammenhang betonte Teinert die wichtige Bedeutung der Erst- wie auch der Auffrischungsimpfungen: „Die Impfung schützt, wie auch wir lernen mussten, leider nicht immer, aber in der Regel vor schweren Verläufen. Und das ist es, was ja letztendlich für jeden persönlich und auch mit Blick auf die Belastung der Krankenhäuser zählt“, erläuterte Teinert. Sie appellierte deshalb, die Botschaft nach außen zu tragen, dass nur die Impfung der Ausweg aus der Pandemie sein kann. Ebenso forderte sie dazu auf, bei jeder Information zu hinterfragen, woher diese komme: „Seien Sie kritisch, wem sie glauben und hinterfragen Sie insbesondere die Absichten und Qualifikationen der jeweiligen Quelle“, warnte Teinert vor immer mehr kursierenden Falschmeldungen. Unter dem Eindruck des Vortrags unterstrichen dann der Landrat sowie die Kreisrätinnen und Kreisräte den Ernst der Lage und unterstützten damit den Appell, die nun wieder verfügbaren Impfangebote zu nutzen, nicht zuletzt um ungeimpfte Kinder zu schützen.
Nicht weniger eindrücklich war der Bericht der Leiterin der Suchtberatungsstelle Heidelberg, Dr. Martina Kirsch, die wiederum ganz andere Auswirkungen der Pandemie beschrieb. Ihr Arbeitgeber, die Evangelische Stadtmission Heidelberg, hatte zu Beginn des vergangenen Jahres die Suchtberatung im Kreis übernommen. „Auch wir waren mit den besonderen Herausforderungen der Pandemie konfrontiert. Dabei ging es nicht nur um alternative Angebote aufgrund plötzlich vorhandener Kontaktbeschränkungen. Vielmehr hat sich in vielen Fällen auch bei den Klienten eine deutliche Verschärfung des Konsumverhaltens gezeigt“, so Kirsch. Inzwischen gebe es sogar wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse, dass Kontaktbeschränkungen und Zukunftsängste ein geradezu optimaler Nährboden für die Entwicklung einer Abhängigkeit seien. Um dem entgegenzuwirken habe man auf digitale Formen der Beratung umgestellt. Dadurch habe man mehreren hundert Klienten helfen können. „Und im Jahr 2021 wurden es noch mal deutlich mehr“, betonte Kirsch. Mit hoffentlich abklingender Pandemie wolle man im kommenden Jahr in der Außenwirkung noch präsenter im Landkreis sein, beispielsweise durch eine Teilnahme an der bundesweiten Aktionswoche Alkohol, dem Aktionstag Glücksspielsucht und dem Ausbau der digitalen Suchtberatung. Zudem warb sie für das Programm „Trampolin“, das Kinder und Jugendliche aus suchtbelasteten Familien unterstützt. Hierfür gebe es noch freie Plätze.
In einem weiteren Tagesordnungspunkt gewährten die Ausschussmitglieder dem Projekt „Rückkehrberatung Netzwerk Rhein-Neckar Plus“ des Caritasverbands für den Neckar-Odenwald-Kreis einen jährlichen Zuschuss in Höhe von maximal 20.000 Euro für 2022 und von jeweils maximal 8.000 Euro für 2023 und 2024. Diese Zusage erfolgte unter dem Vorbehalt einer zusätzlichen Förderung durch den Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds (AMIF) sowie das Land. In diesem Kontext informierte die Landkreisverwaltung, dass sich derzeit rund 300 abgelehnte Asylbewerber im Kreis aufhielten. Ein Großteil der Ausreisepflichtigen sei auf öffentliche Leistungen angewiesen. „Wenn die Zugangszahlen hoch sind, steigt auch der Beratungsbedarf. Und: Wir sind gerade wieder in einer Situation, in der die Zahl der uns neu zugewiesenen Flüchtlinge sogar deutlich ansteigt. Deshalb bauen wir momentan ja auch wieder weitere Kapazitäten im Bereich der vorläufigen Unterbringung auf“, sagte Landrat Brötel.
Die Konzepte zur Sicherstellung der ambulanten ärztlichen Versorgung im Neckar-Odenwald-Kreis und deren Umsetzung stellte die Verwaltung dann vor. Die großen Anstrengungen im Bereich der Kreisentwicklung setzen sich zusammen aus dem Medizin(er)-Netzwerk, dem inzwischen 120 Teilnehmerinnen und Teilnehmer angehören, ebenso wie dem Landarzt-Stipendium, dem Weiterbildungsverbund für Allgemeinmedizin und der Modellregion für die ärztliche Ausbildung. „Es sind zwar zugegebenermaßen ziemlich dicke Bretter, die wir hier zu bohren haben. Aber: es lohnt sich. Und wir haben in der Tat auch schon erste, durchaus beachtliche Erfolge dabei, die Mut machen“, erklärte Brötel. Dabei dankte er Kreisentwicklerin Lisa-Marie Bundschuh für ihr Engagement. Dem schloss sich der Ausschuss ohne Einwände an.
Abschließend stimmten die Kreisrätinnen und Kreisräte noch dafür, dem Diakonischen Werk im Neckar-Odenwald-Kreis zum Betrieb des Arbeitslosenberatungszentrums in Mosbach für das kommende Jahr einen Zuschuss in Höhe von 5.000 Euro bereitzustellen. Für die Bereitstellung der Halle dankte der Landrat schließlich Bürgermeister Rainer Houck, der eingangs die Ausschussmitglieder im Namen der Gemeinde begrüßt hatte.
Autor:Landratsamt Neckar-Odenwald-Kreis aus Neckar-Odenwald-Kreis |
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