Schnelle Hilfe dank Smartphone:
Mobile Retter tragen zu erfolgreicher Wiederbelebung in Hettingen bei

Patient und Ersthelfer beim Treffen am Notfallort (von links nach rechts): Dr. Harald Genzwürker, Denise, Rouven und Tanja Bechtold, Pius Gremminger, Marko Schwing, Rainer Mackert und Jürgen Mülller

 | Foto: Mobile Retter
  • Patient und Ersthelfer beim Treffen am Notfallort (von links nach rechts): Dr. Harald Genzwürker, Denise, Rouven und Tanja Bechtold, Pius Gremminger, Marko Schwing, Rainer Mackert und Jürgen Mülller

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Buchen. Ein Sonntag Anfang Juli: im Schützenhaus Hettingen feiert eine fröhliche Gesellschaft einen 60. Geburtstag, es gibt gerade Mittagessen. Zeitgleich nimmt wenige hundert Meter entfernt der 83-jährige Pius Gremminger eine Mahlzeit im Gasthaus „Zur Wanderlust“ ein. Dort ist er als jahrzehntelanger Stammgast gut bekannt, er wohnt nicht weit entfernt. „Er sprach mich an, weil er sich nicht wohl fühlte“, so die Wirtin Tanja Bechtold. „Wir gingen gemeinsam Richtung Toilette, und dort ist er plötzlich zusammengesackt“.

Trotz großer Aufregung geht dann alles ganz schnell: alarmiert von seiner Frau greift Wirt Michael Bechtold zum Telefon und wählt die Notrufnummer 112. Tochter Denise und Sohn Rouven – beide bei der Freiwilligen Feuerwehr – stellen fest, dass Pius Gremminger nicht mehr atmet und beginnen sofort mit Wiederbelebungsmaßnahmen. Währenddessen alarmiert die Integrierte Leitstelle in Mosbach Rettungswagen und Notarzt sowie aufgrund des gemeldeten Kreislaufstillstandes die „Mobilen Retter“. Das 2018 im Neckar-Odenwald-Kreis eingeführte System ortet qualifizierte Ersthelfer in der Nähe des Notfallorts über das Smartphone und lenkt sie zum Patienten.

Zurück ins Schützenhaus: bei Jürgen Müller von der Hettinger Feuerwehr schlägt das Handy Alarm, die „Mobile Retter“-App signalisiert mit einem markanten Klingelton einen Notfall in 300 Meter Entfernung. Am Nachbartisch sitzt Notarzt Dr. Harald Genzwürker, der sich gemeinsam mit Müller sowie Rainer Mackert und Marko Schwing, zwei weiteren Feuerwehrkameraden, unverzüglich auf den Weg zum Notfallort macht. Diesen zeigt die App nach Übernahme des Einsatzes an und könnte auch bei der Navigation behilflich sein – aufgrund der Ortskenntnis der Ersthelfer in diesem Fall allerdings nicht notwendig. Vor dem Schützenhaus wird kurzerhand ein Auto samt Fahrer Dieter Richter „gekapert“, und nach weniger als 2 Minuten treffen die zusätzlichen Ersthelfer im Gasthaus ein.

„Die ganze Familie Bechtold hat vorbildlich reagiert, vom Notruf über die sofortigen Wiederbelebungsmaßnahmen“, lobt Notfallmediziner Genzwürker. Er löste Rouven, der auch bei den „Mobilen Rettern“ mitmacht, am Patienten ab und führte die Reanimation fort. Feuerwehrkommandant Rainer Mackert übernahm die Herzdruckmassage dann nach weiteren 2 Minuten. Der Rettungswagen aus Buchen erreichte den Einsatzort schon 6 Minuten nach Alarmierung, das Notarzteinsatzfahrzeug nach 8 Minuten – da schlug das Herz von Pius Gremminger aber bereits wieder selbständig, der Kreislauf war stabil. Im Verlauf konnte er sich bereits wieder mit den Einsatzkräften unterhalten, die ihn auf die Intensivstation am Standort Buchen der Neckar-Odenwald-Kliniken brachten.

Als Projektkoordinator und Initiator des Systems „Mobile Retter“ im Landkreis freut sich Dr. Genzwürker natürlich besonders über den erfolgreichen Einsatz. „Wir konnten das Projekt im Jahr 2018 nur durch die große Unterstützung zahlreicher Spender realisieren, die dem DRK-Kreisverband Mosbach als Betreiber der Leitstelle in die Lage versetzten, die notwendige Software zu installieren.“ Die technischen Voraussetzungen zu schaffen, ist allerdings nur ein Aspekt. „Entscheidend sind die zahlreichen ehrenamtlichen Ersthelfer, die hier Nachbarschaftshilfe im wahrsten Sinn des Wortes leisten“, ergänzt Landrat Dr. Achim Brötel, der wichtigen Anteil daran hatte, dass der Neckar-Odenwald-Kreis damals eine von drei Pilotregionen für die Smartphone-basierte Alarmierung in Baden-Württemberg wurde. Besonders gut findet er, dass eine Verknüpfung mit der AED-Initiative den Einsatz von Defibrillatoren durch die „Mobilen Retter“ ermöglicht. Während die ersten beiden alarmierten Helfer zum Patienten dirigiert werden, lotst die Software einen dritten Helfer via App zum nächsten Defi und danach mit dem Gerät an den Notfallort.

Notarzt Genzwürker betont, dass es beim Kreislaufstillstand auf die ersten Minuten ankommt, da bereits nach 3 bis 5 Minuten ohne Wiederbelebungsmaßnahmen unwiederbringliche Hirnschädigungen einsetzen. „Die Mobilen Retter sind ein wichtiger Baustein, aber wir ermutigen alle Menschen, die einfachen Reanimationsmaßnahmen zu erlernen. Ganz wichtig ist natürlich der schnelle Notruf über die Rufnummer 112.“

Als Präsident des DRK-Kreisverbandes Mosbach freut sich Gerhard Lauth, dass sich in dem Projekt Helferinnen und Helfer aus verschiedenen Organisationen engagieren: „Neben ehrenamtlichen Einsatzkräften aus beiden Kreisverbänden sind viele Mitglieder der Feuerwehren im Landkreis mit dabei, aber auch Angehörige der DLRG und des THW, Pflegekräfte und Ärzte, Betriebshelfer und Bundeswehrangehörige – alle mit dem Ziel, beim Kreislaufstillstand schnellstmögliche Hilfe zu leisten und ein Überleben zu ermöglichen.“ Geschäftsführer und Mitinitiator Steffen Blaschek berichtet, dass inzwischen im Neckar-Odenwald-Kreis über 370 Mobile Retter registriert sind, die via Smartphone alarmiert werden können. Bei weit über 400 Einsätzen seit Projektstart waren sie in durchschnittlich 3 Minuten und 42 Sekunden am Einsatzort, also viel schneller, als dies dem Rettungsdienst in einem ländlichen Flächenlandkreis möglich ist. Bei Interesse an der Mitwirkung finden sich neben Informationen zum „Mobile Retter“-System im Neckar-Odenwald-Kreis auf der Homepage mobile-retter.org/nok auch direkt die nächsten Trainingstermine mit Anmeldemöglichkeit.

Und Pius Gremminger? Trotz einiger schwerer Vorerkrankungen wie beispielsweise einer Herzbypassoperation im Jahr 2012 erholte sich der rüstige Senior rasch und konnte bereits nach zwei Tagen die Intensivstation verlassen. Nach einem knapp zweiwöchigen Aufenthalt wurde er dann aus der Klinik entlassen und traf sich nun kürzlich mit seinen Ersthelfern – natürlich in seinem Stammlokal. Gemeinsam ließen alle Beteiligten die Ereignisse an jenem Sonntag nochmals Revue passieren und freuten sich, dass die Hilfe so schnell und so erfolgreich war.

Mobile Retter

Die Alarmierung mit dieser App ist aktuell bundesweit in 39 Kreisen und kreisfreien Städten in 7 Bundesländern möglich, sowohl in ländlichen Regionen als auch in Großstädten wie Wiesbaden oder München. Mitmachen können alle Freiwilligen, die über nachgewiesene fortgeschrittene Wiederbelebungskenntnisse verfügen. Anmeldung und weitere Infos unter www.mobile-retter.org/nok

Autor:

Landratsamt Neckar-Odenwald-Kreis aus Neckar-Odenwald-Kreis

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