Wanderfreunde Schönbusch Aschaffenburg Nilkheim
Grabsteine erzählen Geschichte - Wanderer besuchten den jüdischen Friedhof am Erbig
Steine zum Reden zu bringen. Das gelang Dr. Josef Pechtl vom Führungsnetz und Vorsitzender des Vereins „Förderkreis Haus Wolfsthalplatz“ bei einer Führung der Wanderfreunde Schönbusch über den jüdischen Friedhof am Erbig. Ilse Bayer und Uschi Protzek von den Wanderfreunden hatte diese kulturelle Veranstaltung sehr gut organisiert und 16 Wanderfreunde interessierten sich für dieses Kapitel Lokalgeschichte.
Kenntnisreich und in einer verständlichen Sprache erklärte Dr. Pechtl die Entstehung dieses regionalen Friedhofs außerhalb der Stadt, auf dem Juden von Schöllkrippen bis Kleinwallstadt ihre letzte Ruhestätte fanden. Seit Anfang des 18. Jahrhunderts wurde dieser Friedhof für das gesamte Rabbinat betrieben. Da die Gräber immer nur mit einer Person belegt werden durften, brauchte man Platz und den fand man nur außerhalb der Stadt. Ein Grab war für die Ewigkeit, weshalb die Grabsteine nach und nach im Erdreich versinken. 1942 wurden in der letzten Beisetzung das Ehepaar Wolfsthal und fünf weitere Personen bestattet, die ihren Freitod der Deportation durch die Nazis vorgezogen hatten.
Im Rahmen der Gedenkkultur hat die Stadt Aschaffenburg im Jahr 2000 den jüdischen Friedhof und die Grabsteine dokumentieren lassen. Auf der einen Seite der Grabsteine stehen die persönlichen Daten des Gestorbenen auf deutsch, auf der anderen Seite auf hebräisch die Stellung, die Verdienste und die Ehrenämter. Die Beerdigung war nach jüdischem Ritus, in einem Tuch, bürgerlich orthodox und schnell. Frauen waren nicht bei der Beerdigung zugegen. Sie mussten die Trauerwoche vorbereiten, kochen und das Haus in Ordnung bringen. Urnenbegräbnisse waren tabu. "Die Leiche gehört Gott. Was tot ist lassen wir in Ruhe."
Natürlich wurden auch jüdische Frauen begraben und ihrer auf dem Grabstein gehuldigt: "Sie war die Krone des Hauses. Voller Lieblichkeit und bei klarem Verstand. Ihr Tisch war immer gedeckt."
Fragen zum jüdischen Kalender, zu den Steinen auf den Grabsteinen, zur Trennung von Männern und Frauen beim Gottesdienst ("weil sie die Männer ansonsten ablenken") beantwortete Dr. Pechtl umfassend, so dass die zwei Stunden im Flug vorüber gingen. Für die Wanderfreunde Schönbusch, die sich nicht nur dem Wandern sondern auch der heimischen Kultur widmen, war dieser Ausflug in die Aschaffenburger Stadtgeschichte Anstoß für weitere Gespräche auf dem Weg zur Schlussrast.
Autor:wolfgang giegerich aus Aschaffenburg | |
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