Eine Lyrikerin zu Besuch am HSG
Slata Roschal zu Besuch
Eine Autorin, die lesen eigentlich nicht mag – sowas gibt’s?
Eine Autorin, die lesen eigentlich nicht mag – sowas gibt’s? Ja! Slata Roschal, eine deutsche Lyrikerin aus Russland, verwunderte mit dieser Aussage einige Schüler*innne der 11. und 12. Klasse des HSG. Die 30-jährige war zu Gast an unserer Schule, um mehrere ihrer Werke vorzustellen und gab uns die Möglichkeit Fragen zu stellen, die sie mit einer ganz klaren Offenheit beantwortete.
Nach der Begrüßung durch Schulleiterin Frau Büttner und Frau Fröhlich von der Stadtbibliothek Erlenbach begrüßte Darius Giesbrecht (Q12) die Autorin auf Russisch und auf Deutsch und spielte damit auf die Zweisprachigkeit der Autorin an. Dann begann Frau Roschal aus ihrem ersten Buch „Wir verzichten auf das gelobte Land“ vorzulesen. Sie dichtete von Umweltverschmutzung, über verschiedene Orte ihres Lebens bis hin zu alltäglichen Situationen. Schon hier fiel ihr äußert außergewöhnlicher Dichtstil auf. In der ersten Fragerunde erfuhr das Publikum, dass Slata bereits im Kindesalter mit dem Schreiben angefangen hatte, jedoch wurde sie für viele ihrer Gedichte ausgelacht. Nicht nur das stellte sich als Problem heraus: als sie mit fünf Jahren aus Russland nach Deutschland kam, sondern auch die soziale Integration ins neue Leben und in die neue Schule. Dabei ging es ihr weniger um ihren Migrationshintergrund, als vielmehr um die Tatsache, dass sie sich Sorgen um ein paar neue Schuhe machen musste, während ihre Mitschüler sich das erste eigene Auto aussuchten.
Slata Roschal beantwortet Fragen der Schüler
Dadurch, dass ihre Muttersprache Russisch ist, sind viele ihrer Texte bilingual verfasst. Anfangs war sie der Meinung, dass Russisch die Sprache für Lyrik sei, doch später merkte sie, dass man auch mit der deutschen Sprache Zärtlichkeit ausdrücken kann. Jedoch stolpert sie während des Verfassens ihrer Texte oft über die Schwierigkeit, russische Redewendungen ins Deutsche zu übernehmen, wodurch ihre Gedichte manchmal rau und teilweise uneben klingen. Obwohl sie Germanistik studiert hat, vertritt sie oft andere Meinungen als andere Lyrikinteressierte. Mit Aussagen wie „der Autor ist tot“ oder dass Goethe und Schiller im Deutschunterricht überflüssig seien, unterstreicht sie ihre Ansicht, dass man nicht die Intention des Autors hinterfragen solle. Die Texte stehen für sich, wirken für sich alleine. Slata Roschal geht sogar so weit, dass sie ganz klar formuliert: „Meine Texte brauchen mich nicht“.
„Wir tauschen Ansichten wie weiche warme Tiere aus“ ist das zweite Buch, das uns die Schriftstellerin vorstellt. Darin finden sich vor allem Themen wie: Gott, Genderrollen und Gendern im Allgemeinen, psychische Gesundheit und die Hoffnung auf eine heile Welt. In ihrem Gedicht „München trägt Taschen von Louis Vuitton“ spricht sie Geldprobleme an, welche in ihrem Leben auch schon eine gravierende Rolle gespielt haben.
Identifikationsprobleme sind eine Hürde, der viele Menschen im Laufe ihres Lebens begegnen und dies ist ein Hauptthema in Slata Roschals drittem Buch: „153 Formen des Nichtseins“, mit dem sie auf der Long List des deutschen Buchpreises 2022 steht. Rassismus beim Einkaufen, korrupte Beamte bei Grenzkontrollen und Ausnutzung von Flüchtlingen werden dafür als Beispiel genommen. Außerdem werden diskussionswürdige Themen wie Sex und Drogen oder die Konsumgesellschaft in den Gedichten behandelt.
Das HSG bedankt sich herzlich für die gute Zusammenarbeit mit der Leiterin der Stadtbibliothek, Fr. Fröhlich, die diesen Besuch zusammen mit Herrn Hohm am HSG geplant und ermöglicht hat. Es waren erstaunliche 90 Minuten Lyrik.
Autor:Dirk Simon aus Erlenbach a.Main |
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