Beratung am JEG
„Offene Schülersprechstunde“ am JEG – Ein niederschwelliges Beratungsangebot für Schülerinnen und Schüler

Susanne Ingenbleek vom Team der "Offenen Schülersprechstunde" am JEG. | Foto: Sabrina Ball
  • Susanne Ingenbleek vom Team der "Offenen Schülersprechstunde" am JEG.
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Egal ob Schulstress, Ärger in den eigenen vier Wänden oder andere Sorgen und Probleme: In Situationen, die im Laufe des Lebens leider niemandem erspart bleiben, braucht es ein Ventil, einen Gesprächspartner. Jemanden, der zuhört, Trost spendet und Mut macht. Das 2020 von Lehrkräften des Julius-Echter-Gymnasiums Elsenfeld ins Leben gerufene Beratungsangebot der „Offenen Schülersprechstunde“ bietet für ihre Schülerinnen und Schüler ein solches Ventil. Die Devise: Jedes Gespräch wird streng vertraulich behandelt und richtet sich stets nach den Bedürfnissen des jeweiligen Schülers. Aber wie ist das eigentlich, wenn Lehrer zum  Ansprechpartner werden?
Schülerreporterin Sabrina Ball traf sich mit Susanne Ingenbleek, Lehrerin für Deutsch und Geographie und Mitglied im Team der Offenen Schülersprechstunde, zu einem Interview. 

Sabrina Ball: Warum sind Sie der Offenen Schülersprechstunde beigetreten?
Susanne Ingenbleek: Ursprünglich hat Bertram Söller Leute gesucht, die Interesse daran haben und bereit sind, freiwillig zusätzliche Zeit für ihre Schüler zu investieren, außerhalb des unterrichtlichen Rahmens. Da schon vorher immer mal wieder Schüler zu mir gekommen sind und das Gespräch gesucht haben, fand ich es eine gute Idee hier mitzumachen. Außerdem kann man sich mit den Schülern unabhängig vom Unterricht auseinandersetzen, was ich ebenfalls sehr spannend finde.
SB:Braucht es hierfür spezielle Kompetenzen bzw. mussten Sie sich auf diesem Feld weiterbilden?
SI: Es braucht im Allgemeinen ganz viel Menschlichkeit, ein gutes Einschätzungs- und Einfühlungsvermögen sowie Empathie. Dann läuft vieles von allein.

Jedem kann geholfen werden!

SB:Haben Sie das Gefühl, Schülern mit einem Beratungsgespräch grundsätzlich weiterhelfen zu können?
SI: Ja, bei all den Schülern, die von sich aus auf mich zugekommen sind, hatte ich im Nachgang immer das Gefühl, dass es geholfen hat.
SB:Wie sieht ein solches Beratungsgespräch im Allgemeinen aus und was gilt es zu beachten?
SI: Bisher habe ich alle Gespräche ausschließlich in Präsenz geführt. Meist in Freistunden, ansonsten nachmittags. Wir waren oft im Elternsprechzimmer oder in Klassenräumen. Eine vertraute Umgebung kann helfen. Manchmal ist es allerdings besser, wenn man den Ort verändert und z.B. spazieren geht. Wichtig ist, dass man sich auf den Gesprächspartner einlässt, zuhört und zum Reden anregt, dann merkt man, was gut für ihn ist.
SB: Dass die Offene Schülersprechstunde am JEG existiert, ist zum Großteil der Corona-Pandemie und dem Homeschooling geschuldet. Welche Probleme waren in dieser Zeit besonders präsent?
SI: Viele sonst sehr offene, aktive Kinder sind teilweise in sich gekehrt und verschlossen zurückgekommen. Insbesondere die Fünftklässler hatten unheimlich Probleme damit, sich als Klasse zu finden. Man hat vieles in Bezug auf das soziale Miteinander verlernt und musste sich das wieder mühsam zurückerobern. Auch bei uns Erwachsenen hat es eine Weile gedauert, bis wir wieder in den alten Rhythmus zurückgefunden haben. Ich hatte überdies den Eindruck, dass durch die mangelnde Erfahrung auf beiden Seiten die Menge an Unterrichtsmaterialien teilweise zu hoch war und wir viele Schüler, die sonst im Präsenzunterricht mitkommen, durch die Überforderung verloren haben.

Beraten nach Corona

SB: Haben Sie den Eindruck, dass sich die Gründe für ein Beratungsgespräch jetzt, da Corona etwas in den Hintergrund gerückt ist, verändert haben?
SI: Nein. Corona war vorher bei niemandem, mit dem ich gesprochen habe, ein Thema. Es sind vielmehr Probleme normaler Heranwachsender, die sich während der Pandemie zuhause zum Teil verstärkt haben. Meistens geht es um Probleme mit den Eltern und das eigene Verhältnis zur Klasse.
SB: Gibt es Jahrgangsstufen, die signifikant oft das Gespräch mit einer Lehrkraft wie Ihnen suchen?
SI: Bei mir sind es v.a. Mittelstufenschüler. Ich glaube, dass es im Allgemeinen um Vertrauen aufzubauen damit zusammenhängt, wen man im Unterricht hat und wen nicht.
SB: Ab welchem Punkt verweisen Sie einen Schüler an die Schulpsychologin?
SI: Wenn es mir persönlich zu nahe geht und meine Empathie nicht mehr ausreicht, sondern fachgerecht gehandelt werden muss, weil mir die Ausbildung fehlt. Und wenn aus meiner Sicht eine Gefährdung besteht, die ich nicht mehr auffangen kann.
SB: Denken Sie, dass die Hemmschwelle der Schüler, sich mit ihren Problemen und Sorgen an einen Lehrer zu wenden, hoch ist? 
SI: Schülern fällt es grundsätzlich schwer, mit einem Lehrer über die eigenen Probleme zu reden. Wir hatten gehofft, ihnen die Angst mit der Einführung einer schriftlichen Kontaktaufnahme über den Schulmanager nehmen zu können. Besonders für die neuen Fünftklässler ist es schwierig, sich nur anhand eines Fotos oder Namens im Flur für eine Lehrkraft zu entscheiden; sie wenden sich eher an die Klassenleiter. Überdies spricht man uns gegenüber nicht gerne über andere Lehrer, die vielleicht ein Teil des Problems sind. Im Gegensatz zu unserer Schulpsychologin sind wir nicht an eine Schweigepflicht gebunden, aber wir halten uns selbstverständlich trotzdem daran; bei Unterhaltungen fallen keine Namen. Außerdem nehmen an der offenen Schülersprechstunde Kollegen teil, denen ich vertrauen würde und die nicht einfach so ausgesucht wurden oder mitmachen wollten. Wir wollen schließlich eure Interessen wahren und euch möglichst niederschwellig anbieten, einfach mal über Probleme zu reden.

Tabufeld psychische Erkrankungen

SB: Das Themenfeld psychische Erkrankungen wird oft tabuisiert. Die Offene Schülersprechstunde will dem entgegenwirken – und das ist gut so. Meistens mangelt es sowohl den Betroffenen als auch deren Umfeld an dem nötigen Wissen im Umgang mit ebensolchen Krankheiten. Leistet das JEG in diesem Bereich bereits Aufklärungsarbeit?
SI: Durch den Lehrplan verschiedener Fächer werden Depression, Sucht- und Alkoholprobleme im Unterricht thematisiert. Im Rahmen der Suchtprävention finden immer wieder Veranstaltungen zu den Themen Alkohol- und Drogenmissbrauch, Magersucht sowie Kopfschmerz statt. Das neue Projekt des „Achtsamkeitskoffers“ hilft sicherlich dabei mit Anspannung umzugehen. Es können aber immer nur punktuell Sachen gezeigt werden. Deshalb ist es wichtig, auch die Kollegen zu sensibilisieren, damit betroffene Schüler auffallen und evtl. gezielt angesprochen werden können. Die Belastung der Schüler ist groß, schließlich spielt ihnen die Gesellschaft vor, sich immer optimieren, immer leistungsbereit sein zu müssen und an ihrem Körper zu arbeiten. Die Sozialen Medien machen es nicht besser: Man sieht perfekt aus - wie auf Instagram und Co. eben. Sobald ich da nicht reinpasse, muss ich erstmal das Selbstvertrauen haben, zu sagen: Na und? So bin ich halt. Das klappt bei vielen nicht, weshalb ich unsere Aufgabe darin sehe, euch dieses Selbstvertrauen mit auf den Weg zu geben.
SB: Welche Tipps können Sie Schülern, die beispielsweise unter Prüfungs- oder Präsentationsangst leiden, mit auf den Weg geben?
SI: Ein erster Tipp ist das laute Sprechen und Üben zu Hause, denn je sicherer ich bin, desto weniger nervös werde ich. Bei Prüfungsangst hat mir mein Vater immer gesagt: „Wenn du das Gefühl hast, genug gelernt und vorbereitet zu haben, dann ist es gut, auch wenn es am Ende nicht abgefragt wird oder nicht genügt. Wenn ich mich darauf verlassen kann, dann ist eine schlechte Note kein Beinbruch.“ Diese Sicherheit hat mir immer Mut gemacht. Man muss akzeptieren, dass Sachen manchmal nicht 100-prozentig laufen können, weil keiner perfekt ist.
SB: Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für das Interview genommen haben!
SI: Sehr gerne!

Das Interview führte Sabrina Ball.

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