Studienfahrt des JEG nach München
„Ihr seid die Zukunft!“
„Die föderale Demokratie Deutschlands mitgestalten“ lautet eine der Kompetenzerwartungen des Lehrplans für Politik und Gesellschaft in Jahrgangsstufe 11. Sie setzt Verständnis für die Funktionsweise des Föderalismus einerseits und für das Selbstverständnis der Bundesländer andererseits voraus. Wo ließe sie sich das besser erfahren, als im Spannungsfeld zwischen bayerisch-gemütlicher Biergartenkultur, monarchischem Glanz, revolutionärer Haltung und bewahrender Politik der Landeshauptstadt München?
Und so bewegen sich an einem Montagnachmittag 73 Schülerinnen und Schüler auf der Suche nach der Vergangenheit Bayerns zwischen Monarchie, Revolution, Demokratie, Putsch, Diktatur und Demokratie durch Pfützen und Regen über den Marienplatz durch die Drückerbergergasse zum Odeonsplatz, wo ganz gegenwärtig an der Feldherrnhalle, dem Endpunkt des Hitlerputsches 1923, ein Polizeiaufgebot auf sie wartet, das eine Querdenkerdemonstration absichert und die Frage aufwirft, in welcher Welt wir zukünftig leben wollen.
Zwischen Königen, Putschisten und Batman
Zwischen Hofgarten und Biergarten, zwischen Kunsthalle und Feldherrnhalle, zwischen Königen, Putschisten und Batman finden die Jugendlichen auf einer (geo-)politischen Stadtrallye nicht nur eine historische Schatzkammer, sondern auch eine von den Lehrkräften ausgelobte Schatztruhe, die – wie könnte es anders sein – die Gruppe der Wittelsbacher für sich gewinnt.
Die Spuren der Vergangenheit führen die Gruppe der Schülerinnen und Schüler und ihre begleitenden Lehrkräfte am folgenden Tag der Studienfahrt in die KZ-Gedenkstätte Dachau vor den Toren Münchens. Entsetzen, Entrüstung, Ernüchterung und Erschütterung zeichnen sich auf den Gesichtern der Jugendlichen ab, als sie durch das Tor mit der Aufschrift „Arbeit macht frei“ treten und über das Gelände des ersten Konzentrationslagers der Nationalsozialisten gehen. Ausgrenzung, Diskriminierung und Entmenschlichung werden allgegenwärtig. „Nie wieder“ steht auf einer Tafel auf dem Appellplatz – ein „Nie wieder“, das in den (sozialen) Medien angesichts der aktuellen weltpolitischen Entwicklungen allgegenwärtig ist. Neben der Frage eines angemessenen Erinnerns stellt sich die Frage eines gegenwärtigen Verhinderns für die Zukunft.
Zu Gast im Bayerischen Landtag
Diese Frage bleibt auch am dritten Tag der Studienfahrt wegweisend. Während eine Schülergruppe noch einmal Vergangenheit und Gegenwart einer Ausgrenzungsgesellschaft im NS-Dokumentationszentrum erforscht, wenden sich zwei weitere der Rolle der Medien und der Politik in der Frage des Umgangs mit gegenwärtigen gesellschaftlichen Herausforderungen zu. Wie berichtet man neutral? Wie geht man mit antidemokratischen Bestrebungen im Landtag und auf der Straße um? Diesen und weiteren Fragen der Schülerinnen und Schüler stellen sich sowohl Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bayerischen Rundfunks als auch die Stimmkreisabgeordneten des Bayerischen Landtags. Die föderale Struktur zeigt sich in der Begegnung mit dem bayerischen Landespolizeipräsidenten ebenso wie in einer knappen Diskussion um den bayerischen Weg hinsichtlich des Genderns. In welcher Welt sie leben wollen, verdeutlichen die Jugendlichen mit ihren Fragen: nach dem Anteil der weiblichen Abgeordneten, der Besetzung der Ausschüsse, nach einer klaren Positionierung gegen antidemokratische Tendenzen und nach den Schwerpunkten der politischen Agenda der Abgeordneten. Diese verdeutlichen den Schülerinnen und Schülern aber auch ihre Verantwortung für diese Welt: Ihr seid die Zukunft, ihr gestaltet mit.
Wie gestalten wir unsere Zukunft?
Nach den Schrecken der Vergangenheit, den Herausforderungen der Gegenwart und den Fragen der Zukunft gehört Tag 4 der Woche dem Wahren, Schönen und Guten – und dem menschlichen Fortschritt. In Gruppen besuchen die Schülerinnen und Schüler die Residenz der Wittelsbacher, die Alte Pinakothek und das Deutsche Museum, um am Abend noch einmal den Fragen der Ausgrenzung, Entmenschlichung und der eigenen Verantwortung zu begegnen: im sozialkritischen Drama „Woyzeck“ oder im aufarbeitend-erinnernden Stück „Mitläufer“ oder in der Komödie „Out of Rosenheim“ im Filmmuseum.
Der thematische Kreis der Woche um Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft schließt sich, bevor es zurück an den Untermain geht, auf der Theresienwiese zwischen Bavaria und Gedenkstätte des Oktoberfestattentats. Woran erinnern wir uns? Wie erinnern wir uns? Wie gestalten wir damit unsere Zukunft?
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