Palmer mit Durchblick
„Fast jeder Zweite ist privat versichert“ und „Besser privat“

Kreisvorsitzender Wolfgang Winter:DerTübinger Oberbürgermeister Boris Palmer, der 2018 schon
Änderungen gefordert hat.(Eine ehrliche Haut) | Foto: ÖDP
  • Kreisvorsitzender Wolfgang Winter:DerTübinger Oberbürgermeister Boris Palmer, der 2018 schon
    Änderungen gefordert hat.(Eine ehrliche Haut)
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Leserbrief zu „Fast jeder Zweite ist privat versichert“ und „Besser privat“ v. 14.6.2024

Die FAZ(Frankfurter Allgemeine) hat ausführlich darüber berichtet, dass im vergangenen Jahr 166.300 Menschen von
der gesetzlichen GKV in die privaten Krankenversicherungen PKV gewechselt sind,
umgekehrt aber nur 116.500 von der PKV in die GKV. Das sei ein Positivsaldo (!) von 49.800
Köpfen. Aber was ist daran tatsächlich positiv? Definitiv nichts. Denn diese Zahl 49.800 hat
absolut keinerlei Aussagekraft. Sinn macht es nämlich nur, die beiden Zahlen zu addieren,
statt zu saldieren, da in beiden Fällen die Wechsel fast immer zu finanziellen
Benachteiligungen der GKV führen, in Summe sind das also 282.800 Versicherte. Dabei
haben im einen Szenario 166.300 sehr gut verdienende Arbeitnehmer, dazu meist relativ
gesund, jung und kinderlos, das Solidarsystem der GKV verlassen, da sie hier trotz niedriger
Kosten die Höchstbeiträge zahlen mussten, um nun in der PKV weniger Beiträge zu zahlen,
bei gleichzeitig höheren Leistungen. Durch diese gesetzlich geregelte Option wird die GKV
auf unsolidarische und unsoziale Weise geschwächt. Völlig anders sind dagegen die
Beweggründe der 116.500 Personen, die von der PKV in die GKV gewechselt sind. Sie
konnten sich nämlich schlichtweg die hohen Beiträge in der PKV nicht mehr leisten und
belasten nun mit relativ hohen Kosten und gleichzeitig geringen Beiträgen (auf Grund
niedriger Einkommen) das solidarische GKV- System. Damit ist die GKV durch die
bestehenden Wechselmöglichkeiten, sowohl in der einen wie in der anderen Richtung, der
große Verlierer in unserem Dualsystem. Gleichzeitig gibt es damit aber auch automatisch
Gewinner, neben den schon benannten gut verdienenden Arbeitnehmern, die die GKV
verlassen. Da ist vor allem die PKV zu erwähnen, da sie von der GKV finanzkräftige, gesunde
Arbeitnehmer hinzubekommt und andererseits vor allem finanzschwache Selbständige mit
teils hohen gesundheitlichen Risiken, bei ihr aussteigen, um in die GKV wechseln. Da diese
Möglichkeit aber nicht unbegrenzt existiert, gibt es neben der GKV eine weitere
Verlierergruppe. Sie kann sich nämlich die hohen Beiträge in der PKV nicht mehr leisten und
ist gar nicht krankenversichert. Mit Heinz Hönig haben diese „Verlierer“ im
Krankenversicherungssystem jüngst ein Gesicht bekommen, der lediglich durch seine
Bekanntheit über Spenden sein Leben retten konnte. Diese Option

haben aber die anderen, die nicht mehr rechtzeitig von der PKV in die GKV „flüchten“
konnten und für die Öffentlichkeit unbekannt sind, nicht. Das ist ein Schandfleck für unseren
relativ reichen Staat. Darüber schweigt die FAZ, als gäbe es diese Problematik gar nicht. Da
lohnt sich dagegen ein Blick auf den Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer, der 2018
Änderungen gefordert hat, weil er als sehr gut verdienender Beamter damals nur 225 Euro
Beitrag (= 50 %) in seine PKV einzahlen musste, während gleichzeitig viele Arbeiter und
Angestellte mit wesentlich niedrigerem Einkommen in der GKV viel höhere Beiträge
aufzubringen hatten und das bei wesentlich geringeren Leistungsansprüchen. Das war für
ihn ungerecht (wie soll man es auch sonst bezeichnen?). Wenigstens eine ehrliche Haut,
kann man sagen, an der sich die FAZ vielleicht doch ein Beispiel nehmen sollte. Und wenn die
Redaktion wieder einmal die Systeme vergleicht, dann bitte nicht vergessen zu erwähnen,
dass die PKV vor allem auch für die Beamten gedacht ist. Aber wie würde deren Akzeptanz
eigentlich aussehen, wenn sie wie die Rentnerinnen und Rentner in der GKV, auch die
gleichen 50 % Beitrag in ihrer PKV im Ruhestand zahlen müssten, statt lediglich 30 %, wobei
die restlichen 70 % die steuerfinanzierte Beihilfeversicherung übernimmt? Die einzige soziale
und gerechte Lösung wäre eine solidarische Bürgerversicherung für Alle, bei der die Beiträge
bis zu einer Bemessungsgrenze aus sämtlichen Einkommen zu zahlen sind, mit einer
kostenfreien Familienversicherung und gleichzeitigem Splittingsystem, bei gleichen
Leistungen im Krankheitsfall. Dann unterstützen die finanziell Stärkeren die Schwächeren,
die Alleinstehenden unsere Familien und die Gesunden die Kranken. Nur eine solche
Solidarversicherung entspricht den Anforderungen unseres Sozialstaats, auf den wir ja
grundsätzlich sehr stolz sein können. Dass die PKV dann immer noch eine
Existenzberechtigung hat, zeigt ja heute schon die Tatsache, dass 46 % aller Bundesbürger
eine private Krankenversicherung abgeschlossen haben und alle von der GKV gesetzlich nicht
übernommenen Leistungen würden dann ausschließlich die Privaten als Zusatzleistung
anbieten. Da könnte sich jeder nach Belieben zusätzlich versichern, aber auf eigene Kosten,
ohne staatliche Unterstützung. Die Versicherungswirtschaft wird dabei auf jeden Fall
genügend Phantasie entwickeln, um ihre eigene Existenz weiter zu sichern. Da brauchen wir
uns bestimmt keine ernsthaften Sorgen um sie zu machen.

Autor:

wolfgang winter aus Sulzbach a.Main

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