Buchempfehlung: Die Codices von Wolfgang Eckstein
Fiktion trifft Realität, das neue Highlight unter den Wissenschaftsromanen!

Was ein Debütroman! Dr. Wolfgang Eckstein, seines Zeichens Diplominformatiker, hat mit seinem ersten Buch "Die Codices" einen neuen Meilenstein in der Wissenschaftsbelletristik gelegt.

Das Buch ist in weiten Teilen als Episodenroman aufgebaut und folgt zu Beginn drei Handlungssträngen. Der Leser verfolgt den spannenden theologisch-naturwissenschaftlichen Diskurs, den der junge Gaius mit seinen Freunden im antiken Ägypten unterhält. In der Gegenwart machen sich der junge Forscher Lennard Sander und die stolze Studentin Robin aus der Kultur der Maya auf die Suche nach dem letzten Puzzleteil für einen DNA-Rechner. Zeitgleich versucht der "gutaussehende Philologe" Gondi mit Unterstützung diverser Personen ein antikes Buch zu restaurieren. Das Buch verspricht ebenso bahnbrechende Neuerungen wie der DNA-Rechner für die Wissenschaft zu bringen. Nach und nach erschließt sich der Zusammenhang der Geschichten und mündet in einem furiosen Finale.

Selten ist es einem Autor gelungen auf so vielen Seiten (immerhin 657) ohne langatmige Passagen auszukommen. Mit viel Liebe fürs Detail skizziert Eckstein seine Charaktere, mit denen der Leser trotz ihrer Eigenarten immer mitfiebert. Klar, manchmal würde man Lennard mehr Selbstbewusstsein im Umgang mit Frauen und Gondi etwas weniger davon wünschen, aber so bleibt auch der Humor nicht auf der Strecke. Mein Favorit "Robin" verbindet in vielerlei Hinsicht die Neuzeit mit den Traditionen ihrer eigenen Kultur. Sie ist schnell im Kopf und hat einen untrüglichen Instinkt. Eine wirklich sympathische, junge Frau!

Einzigartig ist bei "Die Codices" allerdings der Bezug zu den Kulturen und die Schilderung derselben. Selbst das antike Alexandria wird so anschaulich geschildert, dass der Leser sich selbst am Bett des Adonis, im Atrium des Dionysius' oder auf dem Pharos wähnt. Die Einblicke in die Kulturen der alten Römer, Ägypter und Griechen, der Maya, der Tuareg (Verzeihung Kel Tamasheq) und der Japaner - sowohl buddhistische Mönche als auch Yakuza - zeugen von nahezu perfekter Recherche. Manch anderer Roman beschäftigt sich nur mit einer der genannten Kulturen und bleibt dennoch näher an der Oberfläche. Ein ähnlich detailliertes Hintergrundwissen kenne ich sonst nur von Frank Schätzing und dort ist es mir oft zu ausschweifend. Eckstein hingegen bringt Spannung und Wissen auf den Punkt und schafft so den Spagat zwischen Lehrbuch, historischem Roman und Thriller.
außerdem ist mir der Zusammenhang zwischen Wissenschaft und Glaube besonders im Gedächtnis geblieben. Spannende theologische Fragen werden aufgeworfen und oft wird dem Leser eine finale Antwort und Wertung überlassen. Nicht der Mensch erfindet die Naturwissenschaft, sondern Gott gibt uns Einblicke in die von ihm gegebene Struktur der Dinge. Trotz des Schöpferwahns bleibt der Mensch ein Geschöpf Gottes. Sicher kann man über die ein oder andere These streiten, aber die Gedanken und Ansätze des Buches sind bemerkenswert.
Der Science-Fiction-Teil ist gar nicht mehr so SciFi wie man denken möchte. Ich habe leider die komplexe Funktionsweise des DNA-Rechners nicht gänzlich verstanden, aber für die Handlung ist das - und das ist gut so - auch nicht relevant. Die Macht und die Möglichkeiten eines solchen Geräts sprechen für sich und sind in Zeiten von Big Data, KI und Fake News für Jedermann verständlich.
Dass es sich unter Umständen um Technik von Heute in der Anwendung von Morgen handelt, erzeugt ein beklemmendes Gefühl. Und hier bin ich versucht eine Brücke zu Marc Elsberg zu schlagen, der ähnliche (Horror-) Szenarien in seine Bücher verpackt und mit "Helix" sogar das gleiche Phänomen der DNA-Modifikation anspricht. Die beklemmende Aktualität der aufgeworfenen Ethikfragen erinnert mich dazu noch an Maja Lundes Bestseller (auch Episodenbücher).

Trotz der komplexen Thematik habe ich keine Logikfehler oder Widersprüche in der Handlung und den Beziehungen der Charaktere gefunden. Der Aufbau ist schlüssig und mündet in einem tollen Ende. Die Vermutung liegt allerdings nahe, dass dieses Ende nur der Anfang von etwas Neuem ist.

Wohlwissend, dass dies eine meiner längsten Rezensionen ist, möchte ich dieses Buch allen ans Herz legen, die sich für spannende gesellschaftliche Zukunftsfragen, andere Kulturen und realitätsnaheSciFi begeistern. Mit meinem Vergleich zu Elsberg und Schätzing möchte ich Dr. Eckstein ein großes Kompliment zu seinem tollen ersten Roman machen. Ich bin gespannt auf eine Fortsetzung!

Das Buch ist im A Tree & A Valley Verlag erschienen (ISBN: 978-3-947357-15-4) und kostet in der gebundenen Fassung 24 Euro.

Autor:

Gustav Teschner aus Mönchberg

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