„Klasse Musik“ von betagten Bläsern
Dirigent lobt Begeisterung im Unterfränkischen Seniorenblasorchester
„Ich ziehe meinen Hut Tag und Nacht vor diesen Musikern“, sagt Dirigent Erhard Rada. Und das nicht nur, weil seine 39 Männer und Frauen bei Auftritten immer für ihre „klasse Musik“ gelobt werden. Oder nicht nur, weil sie laut Organisator Edgar Rudloff pro Jahr rund 20 000 Kilometer für die Musik zurücklegen. Sondern vor allem deswegen, weil sie mit einem Durchschnittsalter von 73 Jahren immer noch mit größter Begeisterung Musik machen – und bei jeder Probe des Unterfränkischen Seniorenblasorchesters im Nordbayerischen Musikbund (NBMB) dazulernen.
Vor 23 Jahren, erzählt Gründungsmitglied und damaliger Bezirksvorsitzender Edgar Rudloff, hatten er, NBMB-Vizepräsident Otto Zeier, Musikakademie-Direktor Josef Toni Dillenkofer sowie der stellvertretende Bezirksvorsitzende Hermann Deußer die Idee zum Seniorenorchester. Darin sollten Musiker eine neue Heimat finden, denen die üblichen Proben und Auftritte im Stammorchester zu viel geworden sind, die aber trotzdem weiter ihr Instrument spielen wollten. Während sich die Idee in den anderen drei Regierungsbezirken (bislang) nicht durchsetzen konnte, begannen in Unterfranken 1991 die ersten Proben mit 15 Musikern, so Rudloff.
Vor allem durch Mundpropaganda erhöhte sich ihre Zahl schnell auf knapp 40 Bläser aus 29 Vereinen, die von März bis Juli und von Oktober bis Dezember jeweils zehnmal in der Musikakademie oder im Musikerheim in Hammelburg proben. Sie fahren dazu bis zu 120 Kilometer, betont Rada, der die Kapelle seit 1999 leitet – und sind bereits eine Vier-telstunde vor den Proben vor Ort.
Überhaupt fasziniert ihn die Begeisterung der Senioren: Oft wollen sie noch länger als zwei Stunden proben, vor allem die ersten Stimmen üben regelmäßig und viel zu Hause. So hat er unter anderem einen 1. Trompeter, der mit 81 Jahren noch „dermaßen gut bläst“ und einen Schlagzeuger mit 86 Jahren.
Rada passt Proben und Literatur seinen Musikern an. „So richtig plagen müssen wir uns nicht mehr“, betont er und legt nach einem ersten Anspielen so manches Stück wieder weg: „Luft, Kraft und Fingerfertigkeit lassen im Alter einfach nach“. Doch andererseits fordert er seine Musiker und lotet stets die Grenzen nach oben aus, um ein gewisses Niveau zu erhalten. So verfolgt der ehemalige Militärmusiker auch weiterhin den Anspruch, nicht nur richtige Noten zu spielen, sondern Musik zu machen. Auch wenn er wegen der sinkenden Flexibilität und der relativ langen Intervalle zwischen den Proben vieles oft mehrmals erklären muss.
Doch das wiegt die „Riesenbegeisterung und große Disziplin“ der Senioren auf, die sich auch auf dem Krankenbett nichts sehnlicher wünschen, als wieder an den Proben teilzunehmen. Dann üben sie vorwiegend böhmisch-mährische Stücke und im Herbst leichte Konzertmusik wie Mittelstufenouvertüren oder Medleys.
Der Spaß kommt dabei nicht zu kurz: Weder bei den Proben noch bei den Ausflügen oder dem guten halben Dutzend Auftritte pro Jahr. Etwa bei Maiandachten in Retzbach, beim Fischfest in Veitshöchheim, beim Tag der Blasmusikfamilie in Hammelburg, beim 1. Deut-schen Orchestertreffen 60+ in Bad Kissingen oder erst kürzlich bei einem internationalen Blasmusikkongress. Dann bekommen die Senioren auch immer wieder die Rückmeldung „ihr macht noch klasse Musik“ von den Zuhörern.
Schwierig ist es für das Orchester allerdings, dass wegen des fortgeschrittenen Alters im-mer wieder Musiker durch Krankheit ausfallen oder sterben. Deshalb hoffen Rada und Rud-loff auch, dass immer wieder ältere Musiker Lust zum Mitspielen haben – vor allem Damen und Holzbläser.
Kontakt: Edgar Rudloff, Telefon Tel. 09721 / 90 191; www.nbmb-online.de
Autor:Daniela Hollrotter aus Sulzbach a.Main |
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