Wohin im Notfall?
Rotkreuzklinik schloss Türen schneller als geplant vor Übergabe an privaten Investor
Wie sieht die Notfallversorgung in Zukunft aus? Das fragen sich die Menschen im Main-Tauber-Kreis bereits seit einigen Monaten. Zurecht, denn die Sorgen der Wertheimer Bürgerinnen und Bürger sind ernst, nachdem am Montag, 3. Juni um 18 Uhr die Notaufnahme geschlossen wurde. Auch werden keine neuen Patientinnen und Patienten mehr aufgenommen.
Vergangenen September wurde bekannt, dass sich die Wertheimer Rotkreuzklinik in einem Insolvenzverfahren befindet. Was dann folgte, war ein Wechselbad der Gefühle zwischen Verzweiflung, Enttäuschung, Wut und Hoffnung - für die rund 400 Angestellten des erst 2016 eröffneten Hauses, aber auch für die Gemeinde Wertheim und deren Einwohnerinnen und Einwohner. Monatelang setzten sich Ärzte- und Bürgerschaft gemeinsam mit der Stadtverwaltung und dem Gemeinderat für den Erhalt der Grund- und Regelversorgung sowie der Notfallversorgung in Wertheim ein.
Klinik-Rettung gescheitert
Das eigens gegründete Aktionsbündnis „Rettet das Wertheimer Krankenhaus“ organisierte Demonstrationen und Protestfahrten, welchen sich zahlreiche Menschen anschlossen. Das Ziel war die Übernahme der Klinik in städtische Trägerschaft. Die Vorbereitungen dafür waren bereits im Gange. Doch die angestrebte Klinik-Rettung scheiterte.
Am 11. April informierte der Insolvenzverwalter darüber, dass die Rotkreuzklinik an einen privaten Investor verkauft und zum 1. Juli in eine Fachklinik für Amputationsnachsorge und Schmerztherapie umgewandelt werden soll. Die Verhandlungen zwischen Insolvenzverwalter und Fachklinikbetreiber sind noch immer im Gange, solange läuft das Insolvenzverfahren weiter. Allerdings war ursprünglich angekündigt, dass Patientinnen und Patienten noch bis zum 15. Juni aufgenommen werden sollen. Dass der Aufnahmestopp nun kurzfristig und knapp zwei Wochen früher auf den 3. Juni vorgezogen wurde, kam für die Angestellten der Klinik sowie für die Wertheimer Bürgerinnen und Bürger überraschend.
Dazu äußerte sich Oberbürgermeister Markus Herrera Torrez in einer Pressemitteilung vom 4. Juni wie folgt: "Die Information, dass die Notaufnahme am Montagabend abgemeldet wurde und damit ab diesem Zeitpunkt auch keine Patienten mehr in der Rotkreuzklinik aufgenommen werden, hat die Stadtverwaltung erst auf eigene Nachfrage erreicht. In diesem Vorgang spiegelt sich wieder, was Stadtverwaltung und Wertheimer Bürgerschaft seit Wochen erleben: Seit der Entscheidung des Insolvenzverwalters für den Fachklinikbetreiber und gegen die Möglichkeit einer Rekommunalisierung des Krankenhauses als Haus der Grund- und Regelversorgung unter Trägerschaft der Stadt Wertheim wird die Stadt Wertheim an den Gesprächen und Verhandlungen zur weiteren Entwicklung der Rotkreuzklinik nicht beteiligt und erhält Informationen ausschließlich auf eigene Nachfrage. Diese Situation ist beschämend, denn es sind unsere Bürgerinnen und Bürger, die sich mit Nachfragen an ihre Stadt richten. Aus den dargestellten Gründen kann die Stadt jedoch keine Antworten geben.
Die Entwicklungen der letzten Wochen, die zur Schließung der Notaufnahme geführt haben, halte ich für falsch. Die jetzt eingetretene Schließung der Notaufnahme am Standort Wertheim darf nur ein Zustand von kurzer Dauer sein. Sobald die Umwandlung der Rotkreuzklinik in eine Fachklinik durch Vertragsunterschrift vollzogen ist, erwartet die Bürgerschaft von Wertheim, dass das Versprechen des Landkreises, für eine gute und werthaltige Notfallversorgung am Standort Wertheim zu sorgen, umgesetzt wird. Die Einhaltung dieser Zusage ist das Mindeste, was wir nach den zahlreichen Enttäuschungen der letzten Monate einfordern. Die Stadt Wertheim bietet ihre Unterstützung hierzu erneut an und hält dieses Angebot auch zukünftig aufrecht. In der Zwischenzeit erwartet die Stadt Wertheim, dass der Landkreis und der Bereichsausschuss des Main-Tauber-Kreises auch in der Interimszeit ohne Notaufnahme am Standort Wertheim ihre gesetzlichen Aufgaben erfüllen und gewährleisten, dass die Bürgerinnen und Bürger im nördlichen Main-Tauber-Kreis im Notfall die für sie erforderliche Hilfe erhalten."
Schließung mit weitreichenden Folgen
Jährlich wurden in der Rotkreuzklinik etwa 6.000 Menschen stationär und 11.000 ambulant behandelt. In der Notaufnahme wurden vergangenes Jahr 11.500 Kranke versorgt. Als Krankenhaus der Grund- und Regelversorgung hat die Rotkreuzklinik ein Einzugsgebiet von ca. 70.000 Menschen, davon stammen die meisten aus Wertheim, aber auch Patientinnen und Patienten aus dem weiteren Landkreis Main-Tauber sowie aus den bayrischen Nachbarlandkreisen Main-Spessart und Miltenberg sind von der Schließung betroffen. Tarek Nasser, Mitorganisator des Bündnisses „Rettet das Wertheimer Krankenhaus“, weiß um die große Sorge in der Bevölkerung.
„Die Menschen fragen sich, was sie machen sollen, wohin sie im Notfall können, wenn das nächste Krankenhaus 45 km weit entfernt ist. Es ist eigentlich unfassbar, überhaupt darüber diskutieren zu müssen, dass die Situation so nicht sein darf. Wir müssen jetzt darauf vertrauen, dass Stadt und Gemeinderat zusammen mit der Wertheimer Ärzteschaft, im Hintergrund und mit Volldampf an einem Plan A, B und C arbeiten. Auch unser Bündnis ist weiterhin aktiv. Zur Aufrechterhaltung der zentralen Notaufnahme in Wertheim wird an sinnvollen Konzepten getüftelt. Aber die politischen Mühlen mahlen zu langsam für den Ernst der Lage.“
Auch Dr. Christina Gläser, niedergelassene Hausärztin und Mitinitiatorin des Bündnisses, erhofft sich schnelle und verbindliche Zusagen vom Landkreis oder den Krankenkassen, wenn vielleicht auch nur für vorerst vorübergehende Lösungen.
Notfallversorgung vor Ort sichern
„Unser Ziel ist jetzt schnellstmöglich eine 24/7 Notfallversorgung anlaufen zu lassen und die zentrale Notaufnahme dort zu erhalten, wo sie ist“, so Dr. Gläser. „Die Entfernung zum nächstgelegenen Krankenhaus und die Tatsache, dass die umliegenden zentralen Notaufnahmen am Limit sind machen das unbedingt erforderlich. Wir brauchen hier eine Notfallversorgung, die für die Menschen anlaufbar ist und zu der Patienten von niedergelassenen Hausärzten zur Erstversorgung hinschickt werden können. Eine schnelle Diagnostik und die schnelle Einleitung einer Therapie bei Schlaganfällen muss sichergestellt sein. In den jetzigen Räumlichkeiten sind dafür und für andere Notfälle alle benötigten Gerätschaften vorhanden, um Labor, Röntgen oder Ultraschalluntersuchungen durchzuführen. Das Personal dazu haben wir im Moment auch noch. Hochkarätige Notfallmediziner, einige aus der Pflege und administrative Kräfte. Die Mediziner könnten auch den Notarztwagen besetzen. Aber das muss schnell gehen, solange uns dieses Fachpersonal noch zur Verfügung steht. Wir haben jetzt die Chance, wenn diese Leute erst mal weg sind, dann funktioniert dieses Konzept nicht mehr. Deshalb benötigen wir nun konkret jemanden, der Verantwortung übernimmt! Unterstützung und bloße Zusagen reichen nicht. Wir brauchen jetzt den Landkreis! Der Landkreis ist für die Gesundheitsversorgung zuständig.“
Autor:Marlene Deß aus Miltenberg |
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