„Die Blume der Erinnerung“ und „Der fehlende Ton“ - Gedenkfeier im Odenwaldhospiz Walldürn
„Man stelle sich ein Lied vor, das viele Töne hat. Das Lied ist wunderschön. Jeder Ton leistet seinen Beitrag zur Melodie. Plötzlich passiert etwas Unerwartetes. Jemand lässt einen einzigen Ton herausfallen … und die komplette Melodie klingt anders. Es fehlt ein Ton und er ist nicht zu ersetzen. Er wird zur Pause im Fluss der Töne.“
Diese Worte beschreiben das Gefühl des Verlustes, von dem Angehörige überwältigt werden, wenn ein Liebes von Ihnen geht. Diese Worte öffneten die Herzen der rund 150 Besucher in der Kapelle „Maria Rast“.
Dorthin hatte am 4. Oktober das Odenwaldhospiz Walldürn die Angehörigen aller Hospizgäste eingeladen, die im vergangenen Jahr seit der Eröffnung im Oktober 2014 ihre letzte Lebensphase in der Geborgenheit des Hospizes verbrachten. Die Kapelle war bis auf den letzten Platz an geschmackvoll eingedeckten Tischen besetzt.
Nach der freundlichen Begrüßung durch Geschäftsführer Thomas Oberst wurde die Feier mit Richard Strauß‘ „Zueignung“ eröffnet, vorgetragen von der Sopranistin Clarry Bartha aus Boxberg und dem Buchener Pianisten Christian Roos, die beide für diesen Tag gewonnen werden konnten.
Mit einem ökumenischen Wortgottesdienst spendeten Pfarrer Karl Kreß und sein katholischer Kollege Pater Dr. Slawomir Klein Trost in der schweren Zeit der Trauer. Pater Slawomir sprach die innigen Gebete der Hoffnung und des Trostes. Tenor der Predigt von Pfarrer Kreß waren die Worte aus dem zweiten Brief des Paulus an die Korinther über das Leiden und den Trost, den wir weitergeben mögen, wenn wir ihn empfangen. „Wir sind nur Gast auf Erden“, von allen gesungen, unterstrich die andächtige Stimmung. Gemeinsam brachten die Geistlichen den Anwesenden den feierlichen Segen aus.
Frau Christa Greulich trug danach ihren kurzen eindrucksvollen Text über den bereits vorgestellten „fehlenden Ton“ vor, um dann das Wort an Frau Magdalena Baier zu übergeben, die als Pflegedienstleiterin des Odenwaldhospizes die Angehörigen herzlich willkommen hieß und die Bedeutung unterstrich, die das gemeinsame Gedenken an die Verstorbenen für alle Mitarbeiter und Helfer des Hospizes hat. Sie legte Wert darauf, allen Mitarbeiterinnen des Hospizes zu danken, die mit ihrer Tatkraft das gelungene Zustandekommen des Nachmittags ermöglicht hatten. Derselbe Dank richtete sich auch an die Ehrenamtlichen.
Sie und Schwester Beate Albert verlasen dann im Wechsel die Namen aller im letzten Jahr im Hospiz Verstorbenen, jeweils stimmungsvoll begleitet von einem Klangstab und immer wieder unterbrochen von den gesungenen Strophen des bekannten Liedes „Von guten Mächten“. Kerzen wurden angezündet und auf einem liebevoll hergerichteten Steinarrangement aufgestellt.
Zum Abschluss sorgten Frau Bartha und Herr Roos mit dem wunderbaren melancholisch-heiteren und mit Inbrunst vorgetragenen „Somewhere over the Rainbow“ für eine grandiose musikalische Abrundung.
Die Besucher wurden eingeladen, sich freimütig an dem reichlichen durch Spenden ermöglichten Kuchen- und Schnittenbüffet, Kaffee und Getränken zu bedienen und im gemeinsamen Gespräch den Nachmittag ausklingen zu lassen.
Der Höhepunkt des Nachmittags erwartete die Angehörigen allerdings noch. Frau Baier hatte angekündigt, dass jeder eingeladen sei, sich in kleinen Gruppen jeweils mit einer Mitarbeiterin hinüber in die Räume des Hospiz zu begeben, in den „Raum der Stille“, wo für jeden der Verstorbenen eine „Blume der Erinnerung“ arrangiert war:
Jeder Gast, der ins Odenwaldhospiz kommt, bekommt eine handgefertigte Blume aus Ton in sein Zimmer, namentlich beschriftet. Sie verbleibt im Hospiz, wenn der Gast verstirbt und findet einen würdigen Platz.
Am Sonntag hatten die Angehörigen die Gelegenheit, diese „ihre“ Blume mit nach Hause zu nehmen. Alle empfanden diese abschließende symbolische Begegnung mit ihren Lieben als emotional sehr berührend und in ihrer Würdigkeit nicht zu übertreffen.
Die Geschichte vom „fehlenden Ton“ endet übrigens mit den versöhnlichen tröstenden Textzeilen:
„Nach einer langen, langen Zeit wird auch dieses Lied zu einem gern gehörten Lied. Es ist zwar anders als das Lied vorher, aber die Melodie dieses Liedes klang nach einiger Zeit, als man sich mit der ungewohnten Pause vertraut gemacht hatte, wunderschön.
Aber eben ganz anders.“
Autor:Odenwaldhospiz Walldürn aus Walldürn |
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