Mit Poetry Slam endete der JUNGE KUNSTSOMMER
Mutig, kämpferisch, literarisch
Kämpferisch und warnend, sensibel und literarisch, selbstkritisch und liebenswürdig; so unterschiedlich waren sowohl Textinhalte als auch Präsentationen der sechs Poetry Slammerinnen, am Samstag, 7.9. in der Galerie Fürwahr. Für die Vereinsaktiven hieß Verena Rau die Gästeschar willkommen. Durch den Abend leitete Florian Munz von den Löwenlichtspielen Walldürn. Die Band TTT-Twelve Tone Transit brachte mit Fusion Pop und jazzig angehauchten, eigenen Stücken eine leichte, schwebende Musik mit; ideal zwischen den Textbeiträgen!
Als erste auf die Bühne wagte sich Lisa Senner aus Hardheim, Mutter von zwei Kindern. Sie bewältigte die schwere Krankheit ihres Sohnes auch durch ihre - wie sie diese selbst nennt – Mutmachpoesie: „Eiszeit im Herz/ ist kein Aprilscherz/ ist ein Ausnahmezustand/ nicht zu erklären mit dem Verstand./Versuch deine Gefühle aufzutauen/und den Frust abzubauen.“
Für die Zuhörer keine leichte Kost, das Thema Krebs und Kind. Dies räumte die Verfasserin ein.selbst überzeugte beim Vortrag als Persönlichkeit, die gestärkt aus dem familiären Schicksalsschlag und einer anschließenden depressiven Phase hervor gehen konnte.
Die zweite Performerin war die Schülerin Esra Kaya aus Mudau. Ihr brannte ein immer noch aktuelles Thema unter den Nägeln: Homophobie. Absolut engagiert, sehr empathisch und tatsächlich mitreißend interpretiert war in ihrem poetischen Statement zu hören: „Wie leicht kann ein Mensch Perspektive verlieren/ wieso können wir uns nicht in Akzeptanz verlieben/vielleicht sollten wir unsere Herzen vermieten/damit auch mal die Homophoben lieben“.
Den vier Musikern Thomas Listl (Bass, Keyboard) Jannick Berres (E-Piano), Noah Mann (Bass, Keyboard) und Daniel Hasenstab (Drums) gelang es immer wieder, die Zuhörer "abzuholen", zu entspannen, um wieder Neues aufzunehmen.
Mit der dramaturgisch spannenden Vorstellung ihres Textes von der beängstigenden Zugfahrt immer weiter „nach Rechts“ hatte Xenia Constanze Linker aus Hettingen die Zuhörer auf Anhieb gefangen genommen. Die „Fahrt in den Abgrund“ die offensichtlich niemand wahr-, und schon gar nicht ernst nimmt, hatte Xenia für ihren Text gewählt. Als Mitfahrerin in diesem immer schneller werdenden Zug gelang ihr die Rezitation besonders überzeugend: „Wieso hält der Zug nicht an?/ Frage ich in die Stille/Alle bleiben still/ Nur ein Mann hebt seine Kopfhörer an/ und stillt meine Frage mit dem Satz /er wird noch anhalten“.
Der zweiten Teil des Poetry Slam-Abends startete mit Stefani Santos. Die junge Frau aus Walldürn mit brasilianischen Wurzeln und deutschem Pass hat Erlebnisse aus ihrem Migrantinnen-Leben auch auf Papier festgehalten. Ihre Texte sind Aufrufe. Ihr Statement „Say no to Rassism“ ist auch von Wut befeuert und ihr Vortragsstil überzeugt, da er glaubhaft und ehrlich als ihre persönliche Message ankommt: „Ich möchte nicht anonym sterben wie so viele Schwarze. Ich möchte, dass ihr mein Gesicht kennt, dass ihr mich und meine Geschichte kennt“. Die Aufforderung in ihrem selbstverfassten Text lautet: „Geht auf die Straßen und vergesst eines nicht/Schweigen ist Zustimmung/Angst bringt uns nichts/ Ignoranz tut weh/bitte haltet doch endlich zusammen/für die Opfer, die ihr seht“.
In der literarisch angehauchten Dichtung von Christine Ogel konnten sich wohl viele im Publikum gut wiedererkennen. Ihr Thema sind die Widersprüchlichkeiten im Menschen. Die Ambivalenz, die uns manchmal gar nicht so recht wissen lässt, was wir eigentlich wollen. In Ogels Aufzeichnungen lugt mal Kurt Tucholsky hinter einem Fragezeichen hervor und Mascha Kaléko wäre vielleicht gerne Patin geworden für den Selbstdialog dieser Schreiberin aus Walldürn. „Laue Sommernächte genießen/und um ihre Vergänglichkeit wissen,/gleichzeitig schon den Regen, die kühle Luft/und den Schnee vermissen“. Ihre Performance kam selbstbewußt und cool "rüber".
Annemarie Butz punktete dann zum Ende der Poetry-Beiträge mit zwei einfallsreich-humorigen Gedichten und einer skurrilen Episode aus dem Kräuterbeet. Charmant ist ihr Vortragsstil und sie hatte die Schmunzler auf ihrer Seite als Peter und Silie befinden:. „Komisch diese Menschen, die einen Ofen und Rezepte haben: mit PeterSilie gefüllte Enten und Maultaschen. Das nennen sie Festessen. Krass! Einfach krass!“ Der Altersunterschied zwischen ihr und der jüngsten Teilnehmerin am Poetry Slam von knapp sechzig Jahren ist auch krass, Krass aber unerheblich!
Die Band TTT überzeugte noch einmal mit weiteren Kostproben ihrer Improvisationskunst. Sphärische und transparente Klänge der Tasteninstrumente, wohlklingende Bassläufe und ein sensibles Schlagzeug machten den Abend in der Galerie Fürwahr auch musikalisch zu einem Kunsterlebnis.
Die schöne Idee, am Ende auf die „Siegerinnen“-Ehrung zu verzichten und eine Alternative zu bieten, kam beim Publikum gut an. Gab es bereits nach den Einzelauftritten heftigen, lange anhaltenden und sogar tosenden Applaus, so konnten die Zuhörer dazu noch vorbereitete Stimmzettelchen ausfüllen mit wertschätzenden Bemerkungen zu den Beiträgen. So mit reichlich Feedback versehen, traten noch einmal alle Akteurinnen gemeinsam auf die Bühne und verlasen einige „herausgepickte“ Bewertungen. Dies natürlich dann auch zur Freude und Erheiterung ihrer Zuhörerschaft.
„Walldürn hat durch die Galerie Fürwahr einen guten Platz für Kunst und Kultur. Dafür gebührt allen kunstreich-Aktiven mein Dank und mein Lob“. So beendete Florian Munz den offiziellen Programmteil des Abends.
Die zahlreichen Gäste in der Galerie Fürwahr waren offensichtlich begeistert und tauschten sich im Gespräch mit den Slammerinnen bei Klängen des "open Piano" angeregt aus.
Autor:kunstreich e.V. aus Walldürn |
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