Interview zum Netto Markt Projekt Mönchberg - T7
IG Lebendige Dorfmitte spricht mit der Geschäftsführerin des Alten Obstkellers Andrea Stahl
Drei Fragen an...
Warum engagieren Sie sich für eine lebendige Dorfmitte in Mönchberg?
Natürlich sind wir als direkter Nachbar direkt von dem Projekt betroffen. Aber das ist nur ein Aspekt. Ich selber stamme aus einem Dorf in NRW ohne lebendige Dorfmitte, und danach lebte ich lange im hektischen Maintal. Für mich war es ganz klar eine Herzensentscheidung, vor gut 20 Jahren nach Mönchberg zu ziehen, weil es hier eben anders ist. Und von daher ist es mir äußerst wichtig, dass die Dorfgemeinschaft und die kleinteilige Struktur erhalten bleiben. Außerdem halte ich das Projekt auch aus ökologischer Sicht (Stichworte Flächenversiegelung, Trinkwasserschutz, Erhöhung des Verkehrsaufkommens) für nicht zeitgemäß, geschweige denn Dorf-gemäß.
Sie haben den Alten Obstkeller zur überregional bekannten Eventlocation aufgebaut. Was würde die Errichtung des Marktes für Ihr Geschäft bedeuten?
Ein wesentlicher Grund, warum die Menschen es lieben, bei uns Hochzeiten zu feiern, ist die herrliche unverbaute Aussicht von der Terrasse und Wiese. Das ist gerade bei freien Trauungen in der hellen Jahreszeit DAS Argument für uns. Jeder kann sich gerne mal unsere Google Rezensionen durchlesen, da wird das immer wieder angesprochen. Sehr wahrscheinlich würde die Zahl der Feiern bei uns zurückgehen, nicht auf null, aber doch merklich. Würden wir unsere inzwischen fünf MitarbeiterInnen (4 aus Mönchberg) alle halten können? Fraglich.
Ich habe mal überschlagen, in normalen Jahren (nicht in den Corona Jahren 2020/2021) bringen unsere Gäste ca. 3000 Übernachtungen nach Mönchberg. Da kommt wirklich etwas zusammen, vor allem da wir viele überregionale Gäste haben. Fast drei Viertel aller Hochzeiten kommen aus dem Raum Frankfurt, Würzburg, Nürnberg und selbst München. Von Hochzeiten nur aus den Landkreisen Miltenberg und Aschaffenburg könnten wir nicht leben. Unsere Gäste kommen meistens für 2 Tage und nutzen auch die hiesige Gastronomie. Die Gesellschaften tätigen diverse Groß-Einkäufe bei unseren tollen Dienstleistern. Hier wären vor allem zu nennen: Getränkehändler und Konditorei/Bäckerei. Profitiert der Ort also auch ein wenig von uns? Ich denke, ja. Und profitieren wir vom Ort? Auf jeden Fall auch! Unser schöner Ort, die vielfältigen Übernachtungsmöglichkeiten in allen Preisklassen (für so einen kleinen Ort wirklich ungewöhnlich!) und die spürbar funktionierende, freundliche und weltoffene Dorfgemeinschaft werden immer wieder bei der Feedback-Runde am Sonntag erwähnt.
Sicher würde uns ein Markt in der dunklen Jahreszeit weniger beeinträchtigen, obwohl die große Parkfläche bis spät taghell beleuchtet sein würde. Eines muss daher allen klar sein, der Charme des Ortes, nämlich ein wunderschönes Ortsbild von Röllbach kommend ginge zum Großteil für immer verloren.
Es lässt sich jetzt noch nicht seriös beziffern, um wie viel unsere Gewerbesteuern zurückgingen, wenn der Markt käme, aber ich denke, auch das wird spürbar sein.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft Mönchbergs?
Ganz klar: die Umsetzung eines der vielen existierenden Konzepte eines Dorfladens mit Mehrnutzen (Café, diverse mobile Dienstleister, Repair Café etc.)! Einige Konzepte wurden ja bereits kurz vorgestellt und veröffentlicht. Für die Umsetzung müssen wir uns aus der Komfortzone rausbewegen, uns zusammensetzen und alle Varianten und Möglichkeiten sachlich und in Ruhe diskutieren. Ich empfinde dieses Projekt als Weckruf für die Dorfgemeinschaft. Wegducken (und dann aber später meckern) gilt nicht. Hierfür setze ich auf den Gemeinderat, dass dieser sich nicht bange machen lässt, sondern alternativen Konzepten eine Chance gibt. Denn auch das ist klar: jeder Laden, der einmal zumacht, wird nicht wieder aufmachen, wenn auf der ehemals grünen Wiese ein riesiger Markt steht. Es wäre außerdem unfair, gerade den Neugründern gegenüber (Blumenlädchen, Eis-Mobil, Moonwoman, Steffis Unverpackt, und auch das Gasthaus zum Ochsen mit seinen 1A Ferienwohnungen), deren Geschäfte leichtfertig aufs Spiel zu setzen. Hier kommen sicher auch Gewerbesteuern zusammen …
Ein Dorf lebt vom Leben im Ort. Ein Luftkurort braucht darüber hinaus Übernachtungen, um den Titel behalten zu können. Für ein Leben im Ort sind eine lebendige Dorfmitte mit Geschäften, Gastronomie, und vielleicht auch die Gäste unserer Eventlocation Alter Obstkeller unverzichtbar.
Gemeinsam finden wir eine Lösung für eine weiterhin funktionierende Nahversorgung, da bin ich mir - aller Unkenrufe zum Trotz - absolut sicher!
Zur Person:
Andrea Stahl, 58 Jahre, seit 2000 in der Geschäftsführung des Alten Obstkellers, seit 2003 wohnhaft in Mönchberg.
Interesse an der Interessensgemeinschaft Lebendige Dorfmitte Mönchberg? Mitmachen oder kreative Ideen? Gerne ! Email: dorfmitte-moenchberg@web.de
Autor:Interessensgemeinschaft Lebendige Dorfmitte Mönchberg aus Mönchberg |
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