Buchempfehlung: You are (not) safe here von Kyrie McCauley
Wo der Hass beginnt und die Liebe aufhört
Zuerst möchte ich dem Team vom dtv danken, dass ich das heute erscheinende Buch „You are (not) safe here“ von Kyrie McCauley vorab zur Rezension lesen durfte. Cover und Klappentext fand ich sehr verlockend! Das Buch ist nicht nur ein Roman und Auburn, der Schauplatz im Buch, nicht nur ein verschlafenes Nest in Pennsylvania. Stattdessen betrifft dieses Buch mehr Orte und mehr Menschen als wir glauben möchten. Häusliche Gewalt ist ein Phänomen mit einem gigantischen Dunkelfeld und Romane wie dieser sind gut geeignet, um die Antennen für die Signale von Opfern auf die richtige Frequenz zu bringen.
Das Buch wird aus Sicht der 17-jährigen Leighton erzählt, die sich in ihrem Abschlussjahr in ihrem Heimatort in einem großen Konflikt wiederfindet. Nach der High School möchte sie unbedingt Journalismus studieren, aber dafür muss sie ihre kleineren Schwestern verlassen. Und das ist für sie ein Ding der Unmöglichkeit, denn ihr Vater ist eine tickende Zeitbombe. Regelmäßig rastet er aus und versetzt seine Familie in Angst und Schrecken. Seine Wut richtet sich vor allem gegen seine Frau, aber auch die Kinder sind nicht immun. Ganz zu schweigen von der psychischen Belastung, dem Damokles-Schwert, was zu jeder Zeit über der Familie zu schweben scheint. Leighton sieht kaum einen Ausweg und fürchtet jeden Tag aufs Neue, dass die Situation endgültig eskaliert. Zeitgleich wird Auburn von Krähen belagert, die auf düstere Weise mit der Situation von Leighton und der Lage im Ort verbunden zu sein scheinen.
Dieser Thematik in prosaischer Form gerecht zu werden, ist sehr schwierig. Es handelt sich hier um ein komplexes Kriminalitätsphänomen mit hohem Frustpotenzial. Die Autorin stellt den Vater keineswegs als ein Monster dar, das ohne Rücksicht auf Verluste und ohne Gewissen alles kurz und klein schlägt. Nein, sie schildert es deutlich differenzierter. Der Vater zeigt Reue und vergisst sich kurze Zeit später schon wieder völlig. Die Abstände der Ausbrüche sind ungewiss, das Ausmaß ebenso. Zwar haben Leighton und ihre Schwestern Erinnerungen an ein intaktes Familienleben, aber nun finden sich in einem Albtraum wieder.
Die Charaktere sind mit viel Geschick gezeichnet. Die Schwestern Junie und Campbell, der Hoffnungsschimmer Liam und allen voran die Mutter der drei Schwestern sind realistisch, sympathisch und haben mich zu Tränen gerührt. Besonders Junie und Campbell in ihrer puren Verletzlichkeit haben mir Schauer über den Rücken gejagt. Die zarte Beziehung von Liam und Leighton wirkt echt und kommt ohne Romantik aus.
Die Kräheninvasion, die sich über die Stadt legt wie der Mantel des Schweigens über die Taten des Vaters, ist ein grandioses, stilistisches Mittel, um die düstere und beklemmende Stimmung noch zu unterstützen. Diese Stimmung wird auch ohne konkrete Vorfälle kontinuierlich aufrechterhalten und ich habe ziemlich angespannt gelesen – ungemütlich, aber trotzdem ein Lob an die Autorin! Dazu wurde durch die fortwährende Aktualisierung des Krähenbestands die Dramatik gesteigert.
Einzig die Tatsache, dass das Haus magische Fähigkeiten besitzen soll und Spuren der Verwüstung von selbst verschwinden lässt, passt für mich nicht in die Szenerie. Zwar wird dieser Umstand im Nachwort erläutert, aber eine polizeiliche Aufarbeitung ist ohne Beweise dann doch schwierig.
Sehr passend finde ich den Verweis auf entsprechende Hilfestellen am Ende des Buches.
Ich möchte eine klare Leseempfehlung zu diesem grandiosen Debüt aussprechen für … ja keine Ahnung, eigentlich jeden, der Nachbarn hat und sich besser anstellen möchte, als diese Weggucker-Gesellschaft in Auburn…
Das Buch ist im dtv-Verlag erschienen (ISBN: 978-3-423-74055-5) und kostet 14,95 Euro.
Autor:Gustav Teschner aus Mönchberg |
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