Buchvorstellung: Das Gegenteil von Hasen von Anne Freytag
Das Internet vergisst nie!
Diese traurige Erkenntnis muss Julia machen, als erst ihr Laptop verschwindet und kurz danach ein Shitstorm ohnegleichen losbricht, da ihr geheimes Online-Tagebuch öffentlich gemacht wurde. Darin befinden sich leider keine romantischen Schwärmereien und übliche Teenie-Probleme, sondern ein brutales Sammelsurium von Schlägen unter die Gürtellinie und das bei den Menschen, die ihr wichtig sind.
Anne Freytag lässt mit ihrer unnachahmlichen und jugendlichen Sprache ein spannendes Jugendbuch rund um Mobbing und Pubertät entstehen. Für mich waren besonders das ansprechende Cover und der bisherige Ruf von Freytag als DER Jugendbuchautorin Gründe das Buch zu lesen.
Anders als der Klappentext es vermuten lässt, dauert es eine Weile bis Julias Posts an der Schule die Runde machen. Dadurch sind die Charaktere bis dahin gut bekannt und als Leser*in fühlt man mehr mit, aber durch den Klappentext war ich doch auf den ersten 100 Seiten eher ungeduldig und wollte, dass es endlich losgeht. Als es dann losgeht, herrscht großes Chaos. Der ständige Perspektivwechsel passt hier sehr gut und erinnerte mich an den Film 8 Blickwinkel, denn nur langsam verkleinert sich der Verdächtigenkreis. Zwar ist die Masse schnell sicher, wer Julia so in die Pfanne hauen will, aber wie so oft, ist die Mehrheit nicht automatisch auf der richtigen Fährte!
Für Julia bricht unterdessen ein Leben als beliebtes Mädchen und Alpha-Weibchen zusammen, sie wird Opfer von heftiger psychischer und physischer Gewalt. Zum Glück gibt es vernünftige Menschen, die Julia trotz ihrer heftigen Tagebucheinträge stützen.
Das Buch liest sich durch den jugendlichen Schreibstil sehr flüssig, verschiedene brisante Themen wie Coming Out, Sexualität und Migration werden neben dem Hauptthema Mobbing angerissen und gut dargestellt. Manch*e Leser*in mag die "Probleme" vielleicht als pubertär abtun, aber für jugendliche Leser*innen sind sie mit viel Tiefgang beschrieben.
Mein größter Kritikpunkt ist tatsächlich das sogenannte Finale. Im Grunde baut sich die Spannung im Mittelteil auf und ich habe einen Paukenschlag zum Ende erwartet. Stattdessen waren die letzten 100 Seiten aber mehr wie bei Rosamunde Pilcher. Julias Postings haben alle einmal durchgeschüttelt und am Ende ist alles gut? Das erscheint mir unrealistisch und einfallslos, aber vielleicht sollten Jugendbücher eben doch ein Happy End-Gesamtpaket enthalten. Leider war mir auch die/der Schuldige im Verlauf des gesamten Buches zu blass, sodass ich sein/ihr Motiv nur bedingt nachvollziehen konnte.
Trotz des sehr seichten Endes ein wahrlich schönes Jugendbuch mit perfekter Jugendsprache und vielen wichtigen Themen, die öfter in Büchern angesprochen werden sollten. Und irgendwo findet sich bei Anne Freytag jede*r wieder. Das Motto von Heyne>fliegt trifft es gut: Ein tolles Buch zum Erwachsenwerden!
Das Buch ist bei heyne>fliegt erschienen (ISBN: 978-3-453-27280-4) und kostet 17 Euro. Online oder lokal erhältlich!
Autor:Gustav Teschner aus Mönchberg |
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