Pro Hauptstudie
Schwimmendes Naturpark Infozentrum
Bei der am 18.3. stattgefundenen Jahreshauptversammlung des Naturparks Spessart nahm das Thema „schwimmendes Infozentrum auf dem Main“ viel Raum ein. Der Konflikt zwischen der Investition von voraussichtlich knapp 7 Millionen Euro und der angespannten Situation in vielen kommunalen Haushalten sorgte für Diskussionsstoff.
„Grundsätzlich ging es erstmal darum ein Stimmungsbild zu sehen“, so der Geschäftsführer des Naturparks Spessart Oliver Kaiser. Ob die Idee nach der Erstellung der Vorstudie und den prognostizierten Investitionskosten überhaupt noch auf Resonanz stößt, darüber sollte in der Mitgliederversammlung per Handzeichen entschieden werden.
Lösung für fehlenden touristischen Hotspot
Der Naturpark hatte in den letzten Monaten im Rahmen einer Vorstudie von Experten prüfen lassen, inwieweit ein neues Naturpark-Informationszentrum auf einem großen Mainschiff untergebracht werden kann. Vorbilder sind die beiden einzigen schwimmenden Science Center Deutschlands – die MS experimenta und die MS Wissenschaft. Diese Schiffe bieten jeweils etwa 500 m² Nutz- und Ausstellungsfläche und ziehen bei ihren Touren auf deutschen Flüssen jährlich Zehntausende von Besuchenden an.
Das mobile Schiff für den Naturpark ist laut Vorstudie, die Markus Graf von der Agentur zwo/elf vorstellte, die perfekte Lösung für das Standortproblem. Denn, so Kaiser: „Wir haben im Spessart keinen zentralen touristischen Hotspot und erreichen daher nirgends die mindestens 20.000 Besucher jährlich, die wir brauchen.“ Diese Besucherzahl ist Voraussetzung für die Förderung von 2 Millionen Euro durch das Umweltministerium.
Und auch finanziell biete die erneute Unterbringung in einem Gebäude keine Vorteile. Kaiser nannte ein Beispiel aus einem anderen bayerischen Naturpark, wo man mindestens vier Millionen Euro in eine Gebäudeausstellung investierte. Die Kosten für das einmal angedachte Eichenzentrum wurden sogar auf 26 Millionen geschätzt.
Kaiser sieht zudem gute Chancen, die verbleibenden Investitionskosten von knapp fünf Millionen Euro durch weitere Förderungen deutlich verringern zu können. „Das Info-Schiff ist eine einmalige Lösung mit bundesweiter Strahlkraft, damit können wir Geldgeber und Förderstellen begeistern.“
Fragen und Anregungen der Mitglieder
Doch die Mitglieder interessierten sich auch für praktische Aspekte. Gibt es eine Alternative zum Dieselmotor? Kaiser betonte, dass die Investition in einen Elektroantrieb bei nur 1000 Kilometern Strecke pro Jahr wohl in keiner Relation zu den Einsparungen stehe. „Außerdem“, so Kaiser, „werden Individualanfahrten mit dem Auto verkürzt.“ Die Hauptstudie soll solche Fragen klären, ebenso die Möglichkeiten zur Installation einer Photovoltaik-Anlage und wassersparenden Sanitäranlagen.
Aschaffenburgs Landrat Alexander Legler hielt die Idee für klug durchdacht; man dürfe mit finanziellen Bedenken nicht alles kaputt reden. Gegen Zweifel, ob mindestens 20.000 Besucherinnen und Besucher realistisch seien hielt Albert Steffl entgegen, dass die MS Wissenschaft in Dorfprozelten 2023 über 1000 Besuchende pro Tag hatte.
Dass Anfahrten vom Hochspessart zum Main zu weit seien, meinte ein weiteres Mitglied. Dafür biete das Schiff eine gewisse Flexibilität und Fairness, entgegnete Fellens Bürgermeisterin Zita Baur: „Wenn das Zentrum beispielsweise in Rothenbuch stünde, hätten Viele eine weitere Anfahrt.“
Ein Mitglied warf ein, dass das Schiff auch externe Haltepunkte außerhalb des Spessarts anfahren könne, um zum Beispiel auf der Tourismusmesse in Frankfurt für die Region zu werben.
Was man denn mit dem Schiff mache, wenn der Spessart Biosphärenregion werde, wollte ein Mitglied wissen. Das Schiff könnte sowohl als Naturpark- als auch als Biosphären-Infozentrum fungieren, meint Kaiser. Die Ausstellung könnte entsprechend angepasst werden.
Moderne Ausstellung und Flexibilität
Derzeit sind laut Vorstudie ein 3D-Modell des Spessarts mit Video Injection Mapping, eine interaktive Dauerausstellung zur Geschichte und zukünftigen Entwicklung des Spessarts sowie ein Multifunktionsbereich für Workshops und Wechselausstellungen geplant. Ergänzt werden soll das Angebot an Bord mit einem Bistro und einem Shop mit regionalen Produkten. Außerdem bietet das Oberdeck die Möglichkeit für weitere gastronomische Angebote und für Veranstaltungen - zum Beispiel eine Greifvogelschau.
Die Fachleute sind überzeugt, dass sich so ohne Problem 50.000 bis 60.000 Besucherinnen und Besucher pro Jahr auf dem Naturpark-Schiff einfinden werden - bei einem Saisonbetrieb von zehn Monaten und sieben Betriebstagen pro Woche.
„Wir suchen doch immer nach Alleinstellungsmerkmalen“, so Gemündens Bürgermeister Jürgen Lippert. Wenn ein Großteil der Hauptstudie gefördert werde, sollte man diese beauftragen, meinte er. Um erst danach zu entscheiden, ob man es sich leisten wolle. Lippert: „Das ist eine Chance, die wir uns nicht entgehen lassen dürfen.“
Die Mitgliederversammlung stimmte mit acht Gegenstimmen für die Beauftragung der Hauptstudie. Die Ausschreibung könnte Ende 2024 folgen, der Umbau des zu erwerbenden Schiffes in den Jahren 2026-2027.
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