Neue Heimat für verletzte Greifvögel und Eulen
Unter großem Interesse der Öffentlichkeit hat die Kreisgruppe des Landesbundes für Vogelschutz (LBV) am Sonntagnachmittag ihre neue Auffang- und Pflegestation für Greifvögel und Eulen eröffnet. Hier pflegen Fachleute verletzte Tiere und entlassen sie nach ihrer Genesung wieder in die Freiheit. Zehn Volieren mit 180 Quadratmeter Fläche wurden errichtet und bieten beste Voraussetzungen für diese Aufgabe.
Es waren kaum Parkplätze zu bekommen, als der LBV bei schönstem Wetter die Gäste auf dem Gelände des ehemaligen Tonbergwerks Klingenberg begrüßte. Hierher war der LBV umgezogen, da er dank des Entgegenkommens der Stadt Klingenberg nun beste Voraussetzungen für eine Erweiterung der Station hat und zudem die Möglichkeit bekommt, das Gelände zu einem attraktiven Naturerlebnisraum zu gestalten.
LBV-Kreisvorsitzender Thomas Ludwig bezeichnete die neue Greifvogelstation als „Projekt von großer regionaler Bedeutung“, das viel Geld und Schweiß gekostet habe. Unzählige ehrenamtliche Arbeitsstunden seien geleistet worden, blickte Ludwig zurück und dankte nicht nur Allen, die angepackt hatten, sondern auch den zahlreichen Sponsoren für ihre Unterstützung. Mit ihrer Hilfe sei es möglich, das rund sieben Hektar große Gelände mit einem 600 Quadratmeter großen Grubenteich und seinem vielfältigem Tier- und Pflanzenleben zu einem Naturerlebnisraum zu gestalten, in dem auch Raum für seltene Arten geschaffen werden kann. Zusammen mit der Eröffnung der Greifvogelstation, in der zurzeit drei Mäusebussarde, drei Turmfalken und ein Wanderfalke aufgepäppelt werden, könne man nun auch den ersten Teil des Lehrpfades einweihen.
Bürgermeister Ralf Reichwein erinnerte sich, dass es eine seiner ersten Aufgaben als Bürgermeister gewesen sei, sich um das Gelände des ehemaligen Tonbergwerks zu kümmern, nachdem dieses 2012 geschlossen worden war. Über eine Million Euro habe die Schließung die Stadt gekostet, rechnete Reichwein vor. Die zündende Idee für eine neue Nutzung sei im Februar 2012 von Dominik Ludwig gekommen, blickte der Bürgermeister zurück. Seitdem sei viel Zeit vergangen, aber es habe sich rentiert, befand er und freute sich, dass der LBV eine neue Heimat gefunden habe. „Der LBV hat hier super Arbeit geleistet“, lobte Ralf Reichwein. Das Gelände sei auch an den europäischen Kulturwanderweg angebunden, der in einem Rundweg durch Klingenberg führt.
Der Landtagsabgeordnete und Bund-Naturschutz-Kreisvorsitzende Dr. Hans-Jürgen Fahn bezeichnete Greifvogelstation und Lehrpfad als „Highlight der Region“. Dieser Tag sei richtungsweisend für den LBV, befand er und bezeichnete es als Win-Win-Win-Situation: sowohl für den LBV als auch die Stadt und den Landkreis. Besonders freute er sich, dass hier mit Führungen viel für die Umweltbildung getan werden soll. Seine Landtagskollegin Martina Fehlner stellte fest, dass Greifvögel auch am Untermain gefährlich leben und Hilfe brauchen. Für sie ist klar, dass die Politik die Rahmenbedingungen für einen funktionierenden Natur- und Artenschutz schaffen muss. Bertram Eidel (Regierung von Unterfranken) überbrachte Grüße von Regierungspräsident Dr. Paul Beinhofer. Greifvögel assoziierten Begriffe wie Stärke, Freiheit und Unabhängigkeit, dennoch seien viele von ihnen gefährdete Arten. Greifvögel seien wichtige Indikatoren für den Zustand einer Landschaft, erklärte er, sie reagierten sensibel auf Umweltveränderungen. Uhu, Wanderfalke und Wiesenweihe seien aber ermutigende Beispiele, dass es gelingen könne, gefährdete Arten zu schützen und ihre Populationen wieder aufzubauen. Die Greifvogelstation sei „ein wichtiger Stützpfeiler im Artenschutz.“
Landrat Jens Marco Scherf ging auf die große Bedeutung des Projekts ein, das im Juni 2014 seinen ersten Spatenstich gesehen hatte. „Ein Traum wird wahr“, freute sich der Landrat und rief in Erinnerung, dass dieses Vorhaben auch dank Finanzhilfe der Europäischen Union habe realisiert werden können. 17.000 Euro seien aus Mitteln des LEADER-Topfes nach Klingenberg geflossen, rechnete der Landrat vor und lobte die über 2000 ehrenamtlich geleisteten Arbeitsstunden. Der Landkreis Miltenberg sei zwar ein starker Wirtschaftsstandort, aber man trage auch die Verantwortung für den Erhalt einer einzigartigen Naturlandschaft, so Scherf, der sich dankbar für die Verwirklichung des Projekts zeigte.
Wolfgang Fuchs, LEADER-Koordinator für Unterfranken, erklärte das Akronym LEADER, französisch „Liaison entre actions de développement de l'économie rurale“ – also „Verbindung zwischen Aktionen zur Entwicklung der ländlichen Wirtschaft“ – mit der kurzen Übersetzung „Bürger gestalten ihre Heimat.“ Vor Ort sei die Lokale Aktionsgruppe Main4Eck für die Verteilung der Mittel zuständig, sagte er und hoffte auf viele Aktivitäten, die das Gelände mit Leben erfüllen. „Wenn Menschen sich für etwas einsetzen, dann hat das auch auf Dauer Bestand“, zeigte er sich überzeugt.
Für den LBV-Landesvorsitzenden Dr. Norbert Schäffer ist das Gesamtpaket auf dem ehemaligen Tonbergwerksgelände etwas Besonderes: „Die Tongrube blüht vor Leben.“ Er bezeichnete vor allem die Umweltbildung als sehr wichtig und hob den ehrenamtlichen Einsatz vor Ort hervor, ebenso die Unterstützung durch zahlreiche Geldgeber. Klaus-Peter Gerhard, Vorsitzender der BJV-Kreisgruppe Obernburg, wünschte sich eine gute Zusammenarbeit von Jägern und Vogelschützern. Die Station sei ein guter Anlaufpunkt, der mit geschultem Fachpersonal betrieben werde. Marlies Debich-Junghans (Spessartbund) unterstützte die Bemühungen des LBV mit einem Scheck über 300 Euro. Musikalisch umrahmt wurde die Einweihungsfeier vom Trennfurter Alphorntrio.
Nach der Segnung des Geländes durch Pfarrer Hannes Wagner und Gemeindereferentin Gabriele Spahn-Sauer konnten sich die Gäste nicht nur bestens verpflegen, sondern auch an zahlreichen Ständen informieren, die befreundete Verbände aufgestellt hatten. Bei Führungen zu den Greifvogelvolieren erfuhren die Besucher alles Wichtige über Greifvögel und bekamen Tipps, wie sie mit verletzten Tieren umgehen sollen. Die angekündigte Flugschau dagegen musste leider ausfallen, da der trainierte Wüstenbussard am Tag zuvor bei der Generalprobe ausgebüxt war. „Aber der kommt wieder zurück“, beruhigte Falkner Michael Mendel die Gäste.
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