Clingenburg Festspiele 2018 - Im 25. Jubiläumsjahr!
"Count Future Down" - Theater für Jugendliche
Zusatzvorstellung geplant - bei Interesse melden Sie sich bitte in der Tourist-Information in Klingenberg am Main, Tel. 09372 3040
Frau Dr. Paradeis ist eine Mittdreißigerin, die nach Einser-Abitur und Summa-cum-laude-Promotion bereits mit 28 als Controllerin im oberen Management eines transnationalen Konzerns tätig war. Sie hat alles geopfert für ihre Karriere, sogar ihr Kind. Die Frage, ob sie glücklich war mit ihrem Leben, hatte sie sich nie gestellt – bis zu dem Zeitpunkt, als man ihr die Entlassung aussprach. Da stürzte sie in ein Loch, und niemand war da, der sie auffing: „Meine Freunde - das waren meine Kollegen. Da sie nun nicht mehr meine Kollegen waren, waren sie auch nicht mehr meine Freunde. Zumindest war ich nicht mehr ihre Freundin. Wenn ich versuchte sie anzurufen, wurde ich weggedrückt.“ Von Einsamkeit und Reue geplagt, fällt sie tief, erliegt dem Alkohol, beginnt Therapien und bricht sie wieder ab. Irgendwann gelingt es ihr, sich am eigenen Schopfe zu packen und sich als Karriere-Coach eine neue Existenz aufzubauen. Als solche tritt sie vor ihr Publikum, das sie als Teilnehmer ihres Seminars anspricht.
Ramona Schmid ist keine verbissene Karrierefrau, der man nach fünf Minuten anmerkt, dass sie ein Burnout hinter sich hat. Sie wirkt sympathisch und relativ gelöst. Dass sie ihren Seminarteilnehmern dazu rät, von Familie abzusehen, wenn sie Karriere machen wollen, ist harter Tobak, aber aufgrund der eigenen Biografie durchaus verständlich. Doch auch sonst wird jeder Lebensbereich unter die Prämisse des beruflichen Weiterkommens gestellt. Immerhin fordert sie zu einem pfleglichen Miteinander auf, betont die Notwendigkeit von Lob, kleinen Geschenken und Großzügigkeit im Umgang mit den Mitarbeitern. Frau Paradeis hat aus ihrer persönlichen Lebenskrise unübersehbar Lehren gezogen. Das System infrage gestellt hat sie bis dato nicht. Es ist nämlich eine Sache zu bekennen, dass man Fehler gemacht hat, und eine völlig andere sich einzugestehen, dass das Leben von Grund auf in die falschen Bahnen lief.
Diesen Schritt macht sie erst im Laufe des Stückes. Sie räumt ein, dass eine ganz andere Lebensplanung jenseits von Karriere möglich sei und es letztlich nicht auf den gesellschaftlichen Erfolg ankomme, sondern auf das persönliche Glück, jenes „euphorische Gefühl, das sich dann einstellt, wenn wir ganz im Hier und im Jetzt leben. Wenn wir unsere Wünsche, unsere Pläne, aber auch die erlebten Frustrationen einfach mal vergessen können.“
Es ist ein geschickter Kniff von Autor und Regisseur Marcel Krohn, dass Frau Dr. Paradeis ihr Burnout bereits überwunden hat, es aber vor den Seminarteilnehmern – veranlasst durch einen Freudschen Versprecher – noch einmal durchlebt. Dadurch wird der Schauspielerin die Möglichkeit gegeben, in geraffter Form eine ganze Palette an Emotionen zu präsentieren. Ramona Schmid nutzt diese Möglichkeit vortrefflich, zeigt mit ausdrucksvoller Mimik und nuancenreicher Stimme Wut, Hass, Scham und Angst. Das Publikum im Klingenberger Stadtschloss goutiert es mit großer Aufmerksamkeit und Empathie. Mitunter gibt es aber auch Anlass für Schmunzler, wenn Frau Paradeis ihre gute Erziehung vergisst und ihr ein Satz rausrutscht wie „Sie schauten mich mit dem Arsch nicht mehr an.“, sich dann aber sofort selber über die entwichenen Worte erschreckt und kleinlaut um Entschuldigung bittet.
Der Veranstaltungsort wird noch bekannt gegeben.
Foto von Björn Friedrichh
Autor:Clingenburg Festspiele aus Klingenberg a.Main |
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