Was, keine Jagd?
Das fast authentische Tagebuch eines Burgschauspielers
23.2.2015, 16.53h: „Doidolo Toi!“ Ich nehme meine Rolle ernst und wiederhole auch privat die Sprechübungen aus dem Workshop. „Sausala Sau! Wrrräh! Wrrräh!“ Die anderen Fahrgäste im Bus schauen irritiert. „Mami, warum spricht der Mann so komisch?“ „Das ist ein Schauspieler. Mach immer brav deine Hausaufgaben, sonst wirst du auch so einer.“
6.3.2015, 20.16h: Zum Probenstart schalten wir eine Zeitungsanzeige. Gesucht werden Statisten, die nur herumstehen und nichts zu sagen haben. Es melden sich viele Ehemänner.
26.4.2015, 19.03h: Mit dem Ausruf: „Was, keine Jagd?“ beginnt der Auftritt von Hagen, Siegfried und den Burgunderkönigen. Diese Szenen-Crasher erfinden neue Texte, bauen deutsche Schlager in das Stück ein oder lassen das ganze Set warten, nur um einen Witz zu Ende zu erzählen. Das Handy des Regisseurs zeigt Bissspuren.
25.4.2015, 21.58h: „Konzentration! Und los!“ Geprobt wird, bis die Szene sitzt. „Was, keine Jagd?“
26.4.2015, 15.31h: „Und noch mal zurück zum Anfang!“ „Was, keine Jagd?“
7.5.2015, 18.07h: Die Schauspielerei färbt auf mein Privatleben ab. Ein Freund ruft an: „Hey, gestern habe ich dich an der Tankstelle gesehen.“ „Und, wie war ich?“
16.5.2015, 16.13h: Wir haben noch keinen Inspizienten auf der Burg. Deshalb ist die häufigste Frage hinter der Bühne: „ Wie lautet mein Stichwort?“ Egal für welche Szene kommt als Antwort: „Was, keine Jagd?“
22.5.2015, 19.01h: Übersetzung Regisseur – Deutsch. Regisseur: „Beim nächsten Mal bringst du mehr Energie ins Spiel.“ Deutsch: „Die Szene war einigermaßen o.k.“ Regisseur: „So ähnlich.“ Deutsch: „Au backe, da ist noch viel Luft nach oben.“ Regisseur: „Es wird, es wird.“ Deutsch: Wenn der Regisseur derart einfühlsam spricht, dann hat es nur einen Grund – die Szene war verheerend!
28.5.2015, 20.06h: Pressetermin. Schon wieder kommt die Frage, warum wir mit Amateurschauspielern arbeiten und nicht mit Profis. Mittlerweile habe ich auch die Antwort parat: „Amateure bauten die Arche, Profis die Titanic.“
5.6.2015, 19.18h: Um sich den Einsatz zu merken, helfen Eselsbrücken: Bei Floß geht´s los, bei Wald mach halt. Hebt´s die Hunnen aus den Sitzen, musst du auf die Bühne flitzen. Wenn Kriemhild mit der Brunhild schreit, ist Szene 18 nicht mehr weit. Fängt dann die Brunhild an zu flennen, muss Gunther in den Thronsaal rennen.
26.6.2015, 20.28h: Premiere! Alle haben Lampenfieber und sind aufgeregt, nur ich nicht. Ich bin ganz ruhig, so können mich die Kollegen in meinem Versteck nicht finden.
26.6.2015, 20.29h: Die Kollegen haben mich in meinem Versteck gefunden. Sie brechen die Tür zum Toilettenhäuschen auf und tragen mich zu viert auf die Bühne. Hier stehe ich nun, betrachte mir das Publikum und weiß plötzlich wieder, für wen wir in den letzten drei Monaten diese Strapazen auf uns genommen haben. Und dann betritt Hagen von Tronje mit meinem Stichwort die Bühne: „Was, keine Jagd?“
Mehr Informationen zu Burgunderblut, dem Theaterstück der Festspielzeit 2015 finden Sie auch im Programmheft, erhältlich für 2 € an den letzten beiden Aufführungsterminen am 10. und 11. Juli 2015 ab 18.00h auf der Freudenburg oder im Büro für Tourismus und Kultur, Freudenberg
Bild mit freundlicher Genehmigung von Anneliese und Wolfgang Kiessling
Autor:Burgschauspielverein Freudenberg aus Freudenberg |
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