Burgunderblut - Gelungene Premiere auf der Freudenburg am 26.06.2015

Es kommt im Laufe der Nibelungengeschichte immer wieder zu Situationen, die jeder Mensch nachvollziehen und auf sich anwenden kann.
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  • Es kommt im Laufe der Nibelungengeschichte immer wieder zu Situationen, die jeder Mensch nachvollziehen und auf sich anwenden kann.
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Impressionen vom Freitag, dem 26.06.2015.

STENOGRAMM:

1. Überzeugendes Ensemble
2. Spannende Dramatik
3. Professionelle Regie
4. Kurzweilige Handlungsstränge
5. Ideale Bühnen-Architektur
6. Authentische historische Szenen
7. Sehr gut aufgemachtes Theaterheft
8. Perfekte, routinierte Organisation
9. Exquisite Bewirtung
10. Unkomplizierter Bustransfer

Fazit:

Eine erlebnisreiche Premiere und viel Glück am ersten Spielabend mit dem regenfreien Wetter!

BERICHT:

Erlebte Geschichte voller Passion und Präzision!

Freudenberger Burgfestspiele: Lobenswertes ehrenamtliches Engagement
Unter der Schirmherrschaft von Professor Dr. Wolfgang Reinhart, MdL und Minister a.D. starteten am Freitag, 26. Juni 2015, die diesjährigen Burgfestspiele in Freudenberg. Der Landtagsabgeordnete wünschte „dem Burgschauspielverein auch für die Zukunft alles Gute und dass die Freude am Theater noch viele Jahre in den Mitgliedern anhalten möge“.
Freudenbergs Bürgermeister Roger Henning bezeichnete die hiesigen Burg-Festspiele als „Kultur-Ereignis des Jahres in der Region“. Bei der Aufführung „Burgunderblut“ gehe es „um Liebe, Macht, Betrug und Rache“. Die urdeutsche Sage der Nibelungen sei „immer wieder eine atemberaubende Geschichte, unvergänglich und unterhaltsam in ihren vielfältigen Versionen“.
Grit Charlotte Kubina, die Vorsitzende des Burgschauspielvereins Freudenberg e.V., freute sich über das ehrenamtliche Engagement der Mitglieder, von örtlichen Firmen, Vereinen, Institutionen und vieler freiwilliger Helfer, das „auch im 28. Jahr seinen Reiz nicht verloren“ habe.
Eine besondere Herausforderung sei die Generalsanierung der Bühne gewesen. Zuschüsse kamen vom Landkreis Main-Tauber und vom Landes-Amateur-Theaterverband Baden-Württemberg.
Mit Boris Wagner sei außerdem ein Autor für die diesjährigen Festspiele gewonnen worden, der mit dem Stück Burgunderblut nicht nur in die Welt des Nibelungenlieds entführe, sondern auch als Regisseur „mit seinem Können, seiner Kreativität und seiner stets guten Laune von Anfang an begeistert“ habe.

Burgunderblut

Siegfried von Xanten - sein Ruf ist Legende und sein Tatendrang Voraussetzung für viele spannende Abenteuer („Uns ist in alten maeren – wunders vil geseit ...“) bei den Begegnungen mit Gunther, Gernot, Giselher, Hagen von Tronje, mit Kriemhild (seiner Gattin) und der übermenschlich starken Walküre Brunhild, der Frau von König Gunther.
Wankelmütigkeit, Heimtücke, List, Mord, Rache, Attentat, Gemetzel, Blutbad, verlorener Nibelungenschatz und Untergang: das ist der spannende Stoff von „Burgunderblut“ mit weiteren imposanten Figuren wie Attila, dem großen Hunnenkönig, mit Fürst Blödelin, mit dem Priester Fredegar, mit Dietrich von Bern, dem Markgrafen Rüdiger von Bechelaren, mit sagenumwobenen Wassergeistern, Nymphen, Zwergen, Trollen und Amazonen.

Das Nibelungenlied – „Actionthriller“ aus dem 13. Jahrhundert

Von wegen „Happy End“! Das kann man bei dieser hochmittelalterlichen Geschichte ganz und gar vergessen! Siegfried wird bekanntlich ermordet, seine Frau Kriemhild rächt sich dafür und der katastrophale Untergang der Burgunder ist übrigens auch historisch verbürgt.
Der Autor des gesellschaftskritischen Nibelungenliedes dürfte wohl ein Geistlicher aus dem Umfeld des Bischofs von Passau gewesen sein. Er bediente sich eines umfangreichen, europaweiten Sagenschatzes und verschmolz damit lokale und überregionale Gegebenheiten.
Der Volksstamm der Burgunder kam im Zuge der Völkerwanderung von der Oder aus dem heutigen Brandenburg und Westpolen an den Rhein. Römer und hunnische Hilfstruppen schlugen sie vernichtend in den Jahren 435/436.
Das ist lange her - damit verbundene Geschichten, Sagen und Traumata wurden mündlich, später schriftlich überliefert, das Nibelungenlied schließlich wurde vor rund 800 Jahren niedergeschrieben.
Regisseur Boris Wagner betont dazu in einem Interview: „Die Sage um den gewaltigen Schatz der Nibelungen und das Schicksal der handelnden Figuren ist absolut zeitlos. Das bedeutet, dass die Themen, Konflikte und Motive auf jede Zeit übertragbar sind. Siegfried, Kriemhild, Gunther, Hagen und all die anderen schillernden Figuren handeln aus Leidenschaft.
Liebe, Neid, Gier, Machthunger und Rachsucht gibt es, solange es Menschen gibt (...). Es kommt im Laufe der Nibelungengeschichte immer wieder zu Situationen, die jeder Mensch nachvollziehen und auf sich anwenden kann. (...) Das macht die Geschichte für uns erlebbar.“ (Die Grußwort- und Interview-Passagen sind zitiert aus dem informativen, preiswerten Burgschauspielführer 2015 - Burgunderblut, S. 20 f.)

Literaturgeschichtlicher Hintergrund

„Wer im Nibelungenlied liest, liest in der Geschichte der Deutschen“ - behauptet Otfried Ehrismann, Professor für deutsche Sprache und ältere deutsche Literatur an der Universität Gießen. Es verweist auf drei weite historische Räume, die germanische Vorgeschichte, die Geschichte des mittelalterlichen Römischen Reiches und die deutsche Geschichte als Nation und Staat. Im ausgehenden zwölften Jahrhundert eröffnet das Nibelungenlied – sich anlehnend an alte, große Erzählungen – ein ausführliches Gedenken an eine ruhmreiche, heroische Zeit unserer Vorfahren, für die das Epos die Namen Nibelungen und Burgunden als Chiffre aussuchte.
Otfried Ehrismann: „Die Textur von Liebe und Rache, gewebt in die leidvolle Geschichte der Ahnen, setzt einen Kontrapunkt. Zwar leistet sie auch identätsstiftende Arbeit, doch sie zielt nicht wie der Ritterroman auf Nachahmung, sondern eher im Sinne der antiken Poetik auf eine Läuterung (katharsis) der Affekte und der Seele durch Jammer (eleos) und Schaudern (phobos) , durch einfühlsames Mit-Leiden (empathia), Erinnerung und Gedenken( (mnémé, memoria).
In der zu Anfang und Ende zitierten Formel von der Freude, die stets in Leid übergeht, birgt sich der Sinn dieses sehr eigenwillig und hoch artistischen Konstrukts – wie auch des Lebens selbst, dessen Totalität abzubilden die spezifische Aufgabe eines Epos ist.
Mit Blick auf die Erzählgattung lesen wir das Nibelungenlied deshalb nicht als den Entwurf einer moralisch verkommenen Gesellschaft, sondern als einen poetisch durchformulierten resignativen Entwurf irdischen Daseins, wie es ist – konstruiert als tragische Fabel (mythos)." (vgl. Aristoteles, Poetik).

RESUMEE:

Das Nibelungenlied gehört somit zu den wichtigsten, zugleich aber auch zu den geheimnisvollsten mittelalterlichen Dichtungen. Schön, dass es in einem Theaterstück unserer Zeit in der Region erneut aufgegriffen worden ist.

Bewundernswert ist der unermüdliche Einsatz der zahlreichen ehrenamtlichen Akteure bei diesem, alle zwei Jahre stattfindenden, großartigen Theater-Projekt des Burgschauspielvereins Freudenberg. Die Freudenberger Burgfestspiele muss man gesehen haben! Sie sind ein Traum, voller Leidenschaft und Präzision!

rsc

Autor:

Roland Schönmüller aus Miltenberg

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