Ein Kraftort vor den Toren Miltenbergs
Herbstausflug des Heimat- und Geschichtsvereins Bürgstadt
Etwas versteckt hinter dicken Sandsteinmauern und von außen eher unscheinbar befindet sich vor den Toren Miltenbergs der Laurentiusfriedhof und mitten darin die Laurentiuskapelle. Immer auf der Suche nach außergewöhnlichen Zielen hat der Heimat- und Geschichtsverein Bürgstadt dieses Ensemble für seinen Herbstausflug ausgewählt.
In der Kapelle wurden wir von unserem Führer Altbürgermeister Helmut Demel empfangen, der uns dann die Besonderheiten der Laurentiuskapelle erläuterte, die im Jahr 1380 erstmals urkundlich erwähnt wurde. Historiker bringen die Ursprünge der Kapelle mit dem Fischerdorf Fachhausen an dieser Stelle in Verbindung, welches im Jahr 910 von den Ungarn zerstört worden sein soll.
Seinen ursprünglichen Charakter erhält der heutige Chor des Kirchleins, datiert mit der Jahreszahl 1456, durch die 1913 wieder freigelegten Wandmalereien. Besonders beeindruckend ist der spätgotische Flügelaltar, welcher aus der ehemaligen Staffelkapelle stammt. 1594 wurde an die kleine Kapelle ein Langhaus angebaut, imposant hier auch die Figuren des Hl. Laurentius von 1456 und „Maria mit dem Kind“ von 1470. Ebenfalls ein Überbleibsel aus der Staffelkapelle ist die prächtige Orgel auf der Empore.
Obwohl der Bau der Laurentiuskapelle und der Martinskapelle in Bürgstadt vermutlich zeitlich nicht sehr weit auseinanderliegen, sind außer den bemalten Holzdecken wenig Ähnlichkeiten in der Innenausstattung der beiden Kirchenbauten zu erkennen.
Nicht vergleichbar mit einem großen Prominentenfriedhof, aber im Kleineren, haben im Laufe der zurückliegenden Jahrhunderte ehrbare Mitglieder der Miltenberger Bürgerschaft den Friedhof von St. Laurentius zu ihrer letzten Ruhestätte bestimmt.
Die kunstvoll gestalteten, steinernen Monumente aus sieben Jahrhunderten zeigen, welche handwerklichen Fähigkeiten die Steinmetze unserer Region schon immer hatten. Von großem Wert ist jedoch nicht nur die künstlerische Qualität der Grabmale, auch die Geschichten der Verstorbenen und Ihrer Familien sind von großem Interesse.
Neben dem Epitaph des Riesenwirts an der Wand der Kapelle fällt das Denkmal der Bischoffischen Stiftung mit dem Relief „Gruppe mit Füllhorn“ ins Auge. Gegründet von den Geschwistern Bischoff vor über 200 Jahren werden die Erträge aus diesem Wohltätigkeitsfonds auch heute noch für soziale Zwecke wie Lehrgeld, Stipendien und die Unterstützung von armen Familien in Miltenberg verwendet.
Helmut Demel verstand es, bei dem Rundgang durch das Friedhofsareal einige besonders interessante Gräber herauszustellen und ging auf die oftmals besonderen Lebensumstände und den Werdegang der Bestatteten ein.
Weitere Stationen waren die Gräber von Pfarrer Meisenzahl, der Familien Schwaab, Wirth, Schirmer, Faust, Schohe, Habel, Faulhaber und abschließend das Grab der Familie Capitain. Die bewegte Geschichte des Abenteurers und Weltreisenden Johann Robert von Capitain, den seine Reisen bis nach Konstantinopel und Indien führten, durfte da natürlich nicht fehlen.
Der gelernte Gerber war Offizier in der Osmanischen Armee, persönlicher Adjutant des Prinzen Ibrahim Ilhami Pascha, Träger des Medjidie-Ordens sowie Träger weiterer Titel, Orden und Auszeichnungen. Mit dem Kauf des „Weißen Schlösschens“ wurde er 1866 Miltenberger Bürger.
Aber der Laurentiusfriedhof verharrt nicht ausschließlich in der Vergangenheit, sondern spannt den Bogen hinein in unsere Zeit. Seit einigen Jahren sind unter bestimmten Kriterien wieder neue Bestattungen in Urnenform möglich.
Peter Fürst
Autor:Brigitte Hartung-Bretz aus Bürgstadt |
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