Mehr Kreativität und Kommunikation

Stefanie Lazarek, Grundschullehrerin in Bürgstadt
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Neuer Lehrplan an Bayerns Grundschulen

In den ersten und zweiten Grundschulklassen startet ein modernes Lernen

Landkreis Miltenberg. Am 16. September 2014 ist Schul-Start in Bayern. Schüler, Eltern, Lehrer, Schulleitungen, Schreibwarengeschäfte, Schulartikel-Läden und andere Institutionen zählen den Countdown auf ihre Weise: seufzend, wehmütig, aufschnaufend, optimistisch, erwartungsvoll, sogar sehnsüchtig.

An die bayerischen Grundschulklassen-Türen klopft neben den neuen ABC-Schützen auch ein neuer Lehrplan. Aufbauend auf bewährten Zielen, Inhalten, Methoden und Medien hat er im Gepäck dennoch Neues, und Vielversprechendes: „Lehrplan Plus“ ist sein Name.

Der konzeptionell neu gestaltete Schulranzen wurde gepackt vom Kultusministerium in München. Das pädagogisch ausgefeilte Präsent stammt von rund 60 Fachleuten vom Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung.

Lehrplan Plus enthält jahrelange Erfahrungen, Wünsche und Forderungen von Schülern, Eltern, Lehrern, Bildungsträgern und Wirtschaft. Die Folge ist, dass es ab 16. September 2014 verbindliche Veränderungen in allen Fächern der ersten zwei Grundschulklassen geben wird.

Intensiv wurden Lehrkräfte und Schulleitungen in den letzten Wochen und Monaten bei differenzierten Fortbildungen auf dieses neue Regelwerk vorbereitet. Die Umsetzung beginnt phasenweise: zunächst also in den ersten beiden Klassen.

Künftige handlungsorientierte Aufgaben und Projekte zielen auf bessere Handlungskompetenzen der Schülerinnen und Schüler, verbunden mit eigenständigem, größerem – aber auch vernetztem - kreativen Gestaltungsraum der Pädagogen.

Vor dem Hintergrund des demographischen Wandels und der stärkeren Durchmischung von Eingangsvoraussetzungen in das Bildungssystem - soziale Ungleichheit mit eingeschlossen – wird ein kompetenzorientierter Unterricht immer wichtiger.

Neue Untersuchungen, beispielsweise die Hattie-Studie, liefern zahlreiche Einblicke in veränderte Lernprozesse von Schülerinnen und Schülern. Die Ergebnisse dieser Studie helfen, lernwirksamen Unterricht entsprechend den Grundsätzen der Kompetenzorientierung zu organisieren und zu gestalten. Dabei spielt der Aufbau von Handlungsstrategien für den Unterrichtsalltag eine wichtige Rolle.

John Hattie fordert in seiner 2014 erschienenen Studie mehr Einfühlungsvermögen von den Pädagogen. Auch ein Feedback während des Lernprozesses und danach seien wichtig: „Es sind die Lernenden, die in den Klassen sitzen, und merken, ob ihre Lehrpersonen das Lernen mit ihren Augen sieht und ob die Qualität der Beziehung förderlich ist. Lernen muss von den Lehrpersonen aus der Perspektive der Lernenden betrachtet werden, damit sie besser verstehen, wie das Lernen aus der Sicht der Lernenden aussieht und wie es sich für sie anfühlt“.

Hattie stützt sich bei seinen Untersuchungen auf 50 000 Fallbeispiele mit über 800 Variabeln in Meta-Analysen.

Ein gelingender schulischer Unterricht erfordere also hinreichend Einblicke in die Lernprozesse der Schülerinnen und Schüler, betont auch Professor Dr. Andreas Heimke.

Deshalb seien Erkenntnisse aus der Hattie-Studie von herausragender Bedeutung, da sehr anschaulich eine Vielfalt unterschiedlicher Faktoren für einen effektiven Unterricht wirksam sind.

Der Lehrplan Plus greift im neuen Schuljahr 2014/15 noch nicht bei allen 2400 Grundschulen in Bayern. Das neue Regelwerk startet zunächst in den ersten beiden Grundschulklassen.

Schrittweise
schließen sich in den nächsten Jahren die dritten und vierten Jahrgangsstufen, sowie weiterführenden Schulen an. Bayerische Mittelschulen, Realschulen und Gymnasien wollen die neue Konzeption wohl ab Herbst 2017 nach und nach einführen. Bayerische Wirtschaftsschulen dagegen beginnen ab September 2014 auch mit einem neuen Lehrplan.

„Was hat sich bewährt, was bleibt, was wird anders?“

Diese Fragen stellen sich vor allem Schüler-Eltern. Das bisherige erfolgreiche Lernen von Lesen, Schreiben und Rechnen bleibt unverändert.

Reines Faktenwissen wird im Lehrplan Plus abgelöst von neuen Methoden durch den Erwerb von fächer- und jahrgangsübergreifende übergreifenden Kompetenzen und durch viel selbsttätiges, auf das spätere Leben vorbereitende Lernen – konkretisiert auf wirklichkeitsgetreue, alltagsnahe Situationen und Aufgabenstellungen.

Weniger die bisherigen Inhalte, sondern Wissen, Wollen und Handeln sind bei diesem neuen Lahrplan wesentliche Grundlagen für künftige Kompetenzen und sollen miteinander verbunden werden.

Entscheidend ist neben dem effektiven, erfahrungsreichen und kommunikativen Lernprozess und der Entwicklung eigener Lösungswege der Austausch über die Ergebnisse in Anlehnung an die Frage: „Was ist hängengeblieben?“ Sprache und Feedback, Präsentation und Bewertung von selbstständigen Projekten - das sind wichtige und wesentliche Methodenschritte.

Fast 300 Organisationen, Verbände und Institutionen haben den neuen Lehrplan Plus inzwischen gesichtet und bewertet. Ihre Anregungen seien – so der bayerische Bildungsminister Ludwig Spaenle – ebenfalls in das neue Regelwerk eingeflossen.

Nun bedarf es in den nächsten Monaten viel Geduld, genügend Zeit und ausreichenden Erfahrungsaustausch, sich auf die Neuerungen einzustellen. Vor allem das herkömmliche Notensystem in der Grundschule, eine bedeutsame Vorraussetzung für künftige Bildungschancen, könnte ins Wanken geraten – betonte ein Lehrerverband-Vertreter.

Fazit: Ein neuer Lehrplan war längst fällig. Seine handlungsorientierten Ideen sind vielversprechend. Vor allem im Blick auf die Zukunft und den damit verbundenen gravierenden Veränderungen können Eltern, Schüler und Lehrer das neue Regelwerk mit seinen hoffnungsvollen Methoden zur Steigerung der Selbsttätigkeit, Integration und Kommunikation in der Tat als ein besonderes Geschenk zum Schul-Start betrachten.

Allgemeine Hinweise und Einzelheiten zum Neuen Lehrplan Plus für Grundschulen in Bayern gibt es im Internet unter www.lehrplan-plus.bayern.de

Zum neuen Lehrplan haben auch die bayerischen Lehrerverbände bereits Stellung bezogen.

Interviews:

Der Alltag und die Lebenswelt steht im Fokus
1. Stefanie Lazarek, Grundschullehrerin in Bürgstadt

„Mir gefällt die verstärkte Praxis-Orientierung im neuen Lehrplan Plus. Weniger die allgemeinen Inhalte spielen jetzt eine Rolle, sondern wichtig ist nun das Erreichen von Kompetenzen im gegenwärtigen und zukünftigen Leben der Schüler und späteren Erwachsenen. Das geschieht fächer- und auch jahrgangsübergreifend mit Themen und Projekten aus der Alltags- und Lebenswelt der Kinder und Jugendlichen.

Mehr Selbsttätigkeit und Kreativität sind jetzt gefragt
2. Monika Neft , Fachoberlehrerin und Fachbetreuerin für Ernährung und Gestalten, Landkreis Miltenberg

„Der Neue Lehrplan Plus“ betont bei den Schülerinnen und Schülern freieres Arbeiten und regt auf breitem Raum ihre Phantasie und Kreativität an. Zusammenarbeit ist jetzt bei den Lehrkräften noch mehr gefordert.

Der vorbereitende Arbeitsaufwand der Lehrer dürfte bei den geplanten Projekten noch größer sein, könnte aber bei der Realisierung dann aber in eine belastungsfreie Phase einmünden. Feedback und kommunikativer Austausch im Lernprozess zwischen Lehrer und Schüler könnten weiterhin förderlich für Selbst-, Methoden-, Fach- und Sozialkompetenz der Heranwachsenden sein.

Vor allem auf die Vielfalt von Lösungsmöglichkeiten freue ich mich bei solchen kreativen Vorhaben: sie dürften nicht nur am Ende bei der Präsentation abwechslungsreich und vielleicht auch konzentrationsfördernd sein!“

Autor:

Roland Schönmüller aus Miltenberg

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