Reportage und Bildergalerie
Was ist so faszinierend an der Bürgstadter Altweibermühle ?
Seltenes Faschingsbrauchtum am Untermain.
Bürgstadt. Altbürgermeister Bernhard Stolz steht mit anderen Faschings-Funktionären der Marktgemeinde auf dem Podium vor dem Renaissance-Rathaus und strahlt.
Nicht nur er freut sich über das sonnige Februarwetter an diesem Samstagnachmittag und über die angenehmen Temperaturen.
Kein Regen und keine Kälte sind in Sicht. Die Mühen hätten sich gelohnt, berichtet er. Der Umzug nebst Altweibermühle ist im vollen Gang.
Umzug durch den Altort und fesselndes Mühlenspiel
Gerade ziehen die närrischen Fußgruppen aus dem Ort und aus Nachbargemeinden vorbei. Temperamentvoll und zünftig spielen mehrere Musikkapellen im passenden Abstand voneinander und bewegen sich von der Freudenberger Straße in Richtung Erftal-Brücke und zum Bürgerzentrum Mittelmühle.
Faschingswagen mit eigener Beschallung - wie man sie von anderen närrischen Veranstaltungen kennt - waren glücklicherweise nicht zugelassen.
So wird die mehrstündige Open-Air-Party zu einem Ohrenschmaus und zu einer Augenweide, was Bernhard Stolz von seiner exponierten Warte aus in einer treffenden Bemerkung aus der Jägersprache formuliert: „Alles erscheint im richtigen Büchsenlicht!“ Anscheinend hatten die „Börscheter Kreuzköpf“ heuer eine besonderen Draht zu Petrus.
Lange Faschingstradition: Wie wird man seine Alte los?
Laut erhaltener Urkunde findet in Bürgstadt seit 160 Jahren die traditionelle Altweibermühle statt - und das in regelmäßigen Abständen: die letzte war vor fünf Jahren.
Lustig ist nicht nur der Umzug selbst , sondern das historische Spektakel bei und in der Altweibermühle, die heuer an zwei Stationen - am Rathaus und am Gänsebrunnen mit einem spannenden Mühlespiel gezeigt wird.
Im Mittelpunkt stehen erwachsene Bürgstadter Bürger, die ihre - in die Jahre gekommenen - reiferen Ehefrauen loswerden wollen.
Die bisher bewährte und erfolgreiche Methode sieht so aus: Wer seine Alte loswerden will, bringt sie ganz einfach zum Femegericht . Dieses Tribunal, bestehend aus einem Sprecher, dem Doktor und fünf verhüllten Feme-Richtern , stellen in aller Eile die Untauglichkeit der Seniorinnen fest und schicken sie in die Mühle.
Das geschieht natürlich nicht ohne heftige Gegenwehr, denn die betagten Damen wissen nicht, was mit ihnen bald geschehen wird.
Verwandlung durch Verjüngungskur
Krachend und ächzend geht die Mühlklappe hoch. Jammernd verschwinden die älteren Damen im kellerartigen Untergrund.
Vorher nimmt manche Alte noch Reißaus und muss von einigen Fängern wieder eingefangen werden.
Nach minutenlangem Getöse, Klappern und Mahlen der Mühlräder erscheint eine junge, hübsche Frau am Ausgang der Mühle.
Begeistert wird sie vom Ehemann in Empfang genommen. Ein Tänzchen der beiden Partner gehört zum anschließenden Pflicht-Programm.
Doch nicht immer ist so mancher Ehemann mit dem Aussehen und Alter der verjüngten Ehefrau einverstanden.
Also heißt es: Noch mehr bezahlen für die Prozedur und die Verjüngungskur startet ein zweites Mal, diesmal in der Regel erfolgreicher.
Sophia Gunkelmann ist eine Repräsentantin dieser „verjüngten“ Damen. Tief schaut sie auf der Gerichts-Bühne ihrem „Ehepartner“ in die Augen und der nickt zustimmend. Er kann nicht anders: eine weitere Verjüngungskur ist anscheinend nicht mehr nötig. Gemeinsam wird unter Blasmusik-Klängen getanzt und
das närrische Publikum applaudiert in „Standing Ovation“.
Fazit: Nicht nur das sonnige Februarwetter trug zum Erfolg der Altweibermühlen-Inszenierung am vergangenen Samstagnachmittag in Bürgstadt bei. Begeistert verfolgten viele Einheimische und Gäste das historische närrische Treiben in der Marktgemeinde am Main. Lobenswert war wieder das Engagement der hiesigen Vereine und die Umsetzung vieler kreativer Ideen bei dieser nachhaltig wirkenden, seltenen Faschingsbrauchtums-Veranstaltung.
Text und Fotos: Roland Schönmüller
Autor:Roland Schönmüller aus Miltenberg |
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