Adelsheimer Bürgermeister erläutert Beweggründe:
Wolfram Bernhardt erklärt Grünen - Beitritt

Adelsheim, Neckar-Odenwald- Kreis.bd. Gerade ist der Zustrom grüner Neu-Mitglieder enorm - seit dem Ampel - Aus gibt es über 10.000 Eintritte - doch der prominenteste Neuzugang der NOK-Grünen hatte seinen Beitritts - Antrag schon vor mehreren Wochen gestellt.
Warum Adelsheims Bürgermeister Wolfram Bernhardt der Öko - Partei beigetreten ist, erläuterte dieser nun kürzlich im gut besuchten Adelsheimer Löwen-Keller. Im Anschluss an seine Darlegungen über seinen schon vor 10 Jahren begonnenen und nun abgeschlossenen Entscheidungsprozess diskutierte er gemeinsam mit dem Bündnis 90/Grünen - Kreisvorsitzenden Andreas Klaffke und dem Publikum.

Zunächst stellte Bernhardt klar, dass aus seiner Sicht im kommunalen Bereich vieles für parteiunabhängige Listen spreche und er froh sei, dass es gelungen sei, in Adelsheim zwei sach- und personenorientierte parteiübergreifende Bewerberlisten zur Gemeinderatswahl anzubieten. Auch, dass er vor 5 Jahren als parteiloser Kandidat zur Bürgermeisterwahl angetreten sei, habe ihm Zuspruch gebracht. Auf örtlicher Ebene sei Parteipolitik irrelevant.
Anders sehe er dies auf Kreis-, Landes- und Bundesebene. Das Grundgesetz habe den Parteien eine große Rolle bei der politischen Willensbildung zugewiesen, auch um den von Privatinteressen gesteuerten Einfluss mächtiger Vermögender (siehe Elon Musk) entgegenzuwirken.
Zwar werde aktuell ein weitreichendes Misstrauen gegenüber Parteien artikuliert und diesen vorgeworfen, nicht mehr das Volk zu repräsentieren- “Aber was denn dann?", fragte Bernhardt.
Mit einer Parteizugehörigkeit gelte es seines Erachtens einen pragmatischen Umgang zu finden. Man müsse nicht stets zu 120 Prozent hinter den jeweiligen Parteiinhalten stehen - “Ich finde bei jeder Partei Positionen, die ich gut finde, und gleichzeitig Positionen, die ich nicht unbedingt teile". Eine Parteizugehörigkeit ähnele einer Ehe, in der auch nicht immer eitel Sonnenschein herrsche. Aber wenn das Gefühl der Zufriedenheit überwiege sei dies eine ausreichende Basis.
Nach seinem grundsätzlichen Plädoyer für parteipolitisches Engagement widmete sich Adelsheims Bürgermeister der offenen Frage “Warum die Grünen?".
Grundsätzlich finde er die elementaren Werte der Grünen - "Frieden in der Welt" und “Bewahrung der natürlichen Umwelt” - richtig und wichtig, auch seine weiteren Ausführungen zeigten eine große Schnittmenge sowohl mit der Programmatik der Partei wie auch ihrer pluralen Diskussionskultur. Bereits vor über zehn Jahren habe er Grünen - Beitritt erwogen. Seinerzeit hätten ihn allerdings Realpolitiker wie etwa Ministerpräsident Winfried Kretschmann von diesem Schritt abgehalten, da er der Überzeugung gewesen sei, dass es eine weit radikalere Umweltpolitik brauche. Denn der menschengemachte Klimawandel treffe die Ärmsten der Armen am stärksten und ein Gegensteuern dulde keinen Aufschub.
Heute, zehn Jahre später und um einiges an Erfahrungen und Erkenntnissen reicher, sehe er die Situation komplexer. Ein RNZ- Artikel zu einem Parteitag der Grünen habe das Dilemma deutlich gemacht. Dort sei diskutiert worden: “Wie radikal darf und muss Klimapolitik sein? Wie realistisch ist konsequente Klimapolitik, wenn wir dabei Menschen vertreiben? Welche Schritte gilt es zu unternehmen, ohne dabei die Menschen zu verlieren?” Darauf Antworten zu finden, sei die Herausforderung einer jeden Klimapolitik. Als weitere Fragen, die es zu lösen gelte, nannte er die Flüchtlingssituation. Er bekannte sich zur humanitären Hilfe für Geflüchtete, aber auch hier gelte: “Wenn wir bei uns keinen Wohnraum mehr haben und die bürokratischen Hürden so hoch sind, ist dies weder für die, die zu uns kom- men, noch für den sozialen Frieden von Vorteil”.
Diese und zusammenhängende Fragen hätten ihn, Bernhardt, in den letzten Jahren beschäftigt. Und nun wolle er mit dem Eintritt in die Grünen Farbe bekennen, wohlwissend, “dass ich auch mit einigem nicht einverstanden bin". Mit seinen Erfahrungen wolle er sich in den Parteidiskurs einbringen, außerdem versuchen Brücken zu denjenigen bauen, die die Grünen attackierten. Diese Situation kenne er selbst, denn zu seiner Zeit in Stuttgart habe er sich
in einer links-intellektuellen Blase aufgehalten, in der man sich schnell einig gewesen sei, was zu tun sei. Und mit dem Finger auf die gezeigt habe, die sich “die Hände schmutzig machten”. Aus dieser eigenen Erfahrung möchte er mit den Kritikern ins Gespräch kommen.
Andreas Klaffke betonte seine Freude
darüber, dass Bernhardt den Grünen beigetreten sei. Er glaube, dass er gut hinein passe, da nach seiner Erfahrung in keiner Partei so kontrovers diskutiert werde, wie bei den Grünen.
In der nachfolgenden Diskussion stellte Bernhardt auf Nachfrage klar, dass er seine Unabhängigkeit nicht angetastet sehe, da es keine Parteidirektiven oder ähnliches gebe. Für den Bundestag werde er nicht kandidieren, mit dieser Vermutung sei er nun mehrfach konfrontiert worden. Gegen eine Kandidatur für den Kreistag im vergangenen Juni, die ihm nicht nur von den Grünen angeboten worden sei, habe seinerzeit einerseits ein Krankheitsfall in der Familie gesprochen, außerdem wollte er Irritationen in der Stadt vermeiden, wo auch auf seine Initiative hin Parteilisten
für die Gemeinderatswahl aufgegeben wurden.
Andreas Klaffke kam nach Frage hinsichtlich Konsequenz und Radikalität im Klimaschutz auf das “Heizungsgesetz” zu sprechen. Bei Lichte betrachtet seit es keine radikale sondern eine rationale Maßnahme - “wenn, wozu sich Deutschland verpflichtet hat, wir in 20 Jahren klimaneutral heizen müssen, ist es eine Fehlinvestition heute in fossile Heizungen zu investieren, die dann nicht weiter betrieben werden können. Davor sollten die Bürger geschützt werden.“ Dass die Kommunikation dieses Vorhabens misslang, gestand Klaffke ein, insgesamt Falle die Vermittlung politischer Maßnahmen immer schwerer, vielleicht argumentiere man zu langatmig. Argumentationen, die länger als drei Sätze seien, würden als verkopft wahrgenommen.
Wolfram Bernhardt wiederum betonte, die komplexen Probleme unserer Zeit ließen sich auch nicht in einem Satz erklären. Gegen den Populismus mit seinen einfachen Erklärungen anzukommen sei schwierig. Die AfD wurde für ihre Fähigkeit in sozialen Medien wie Tiktok gerade jungen Menschen scheinbar einfache Lösungen zu präsentieren, beinahe beneidet. Das Fatale sei, dass Jugendliche mit vielen politischen Inhalten konfrontiert würden, ohne zu erkennen, was zutreffend und was falsch sei, so Klaffke. Und 90 Prozent dieser Inhalte seien falsch. Es brauche einen politischen Diskurs, der aber nicht in 30-Sekunden-Sequenzen zu führen sei. Bernhardt warf hinsichtlich der Wahlerfolge der AfD an die Versammlung abschließend die Frage auf: “Welche Verantwortung tragen wir dafür?"

Autor:

Horst Berger aus Buchen

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