Kulturbeitrag einer Mutmacherin
Inka Meyer: Kabarett in Zeiten von Corona

Inka Meyer als Donna Quijote
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Viele Interviews durfte ich in den letzten Jahren darüber geben, wie schwierig es ist, Kultur in diesen Zeiten zu veranstalten, wie man wieder Zuschauer in die Theater bekommen könnte, wie das Kabarett überhaupt einen Neustart hinlegen soll … Das muss man erklären: Ich bin Kabarettistin und habe alle Auftritte, die erlaubt waren, natürlich auch gespielt. Das bedeutet, ich bin nicht auf Streaming ausgewichen, nur um irgendwie ein paar Kröten zu verdienen. Mir war von Anfang an klar, dass meine Kunstform nun mal „live“ am besten funktioniert. Und so bleibe ich der Bühne, meinem Publikum und damit auch mir selbst treu.

Die Pandemie hat mich wie die meisten sehr herausgefordert und an meine Grenzen gebracht. Ich habe mir oft einen viralen Hochsicherheitstrakt namens Homeoffice gewünscht. Dabei erschien mir das den Alltag meiner Freunde bestimmende Homeschooling ihrer Brut wie das Paradies auf Erden. Zu gerne hätte ich die Bühne dagegen eingetauscht und wäre lieber nicht an Tagen mit Höchst-Inzidenzen in irritierend vollgestopfte Züge mit zugesperrten Lokussen gestiegen. Mein Problem lag jedoch auf der Hand: Zum Homeschooling fehlte mir ein Kind! Doch schnell haben mir meine Freunde die romantischen Verklärungen ausgetrieben: „Inka, wir kommen doch daheim gar nicht zum Arbeiten! Homeoffice wäre schön, wenn nicht das Homeschooling wäre: Schulschließungen sind in der Pandemie ja eine gute Idee – nur hätte man die Kinder vorher nicht rauslassen dürfen!“

Auf der anderen Seite holte mich in meinem Alltag jedes Mal, wenn ich wieder von der Bühne stiefelte, ein großes Glücksgefühl ein: in Form von Applaus und Zuspruch der Gäste. Viele Kommentare waren es, die noch lange nachhallten: „Endlich wieder Kabarett!“, oder „Es ist so viel Wahres, was Sie da sagen!“, „Wir erkennen uns so gut wieder!“ und natürlich auch „Endlich wieder gemeinsam lachen!“ Das zeigte mir: Du machst es richtig. Nicht aufgeben, weitermachen!

Und das alles eben, obwohl ich ein ausgemachter Schisser bin! Keine Schisserin vor der Herrin, sondern eine Schisserin vor … Krankheiten! Ängste sind wenig rational, das ist ja klar. Auch wenn man sich immer wieder sagt, „Wird schon nicht so schlimm …“, begleitet mich seit Jahren die Dauerangst vor Corona, genauer vor Long COVID, noch genauer, einem erzwungenen Berufswechsel, weil die Stimmbänder womöglich nimmer wollen.

Ganz anders dagegen mein Mann! Ich pflücke ihn regelmäßig vom Boden der Regionalbahnen, um ihm die runtergefallene Stulle aus dem Mund zu reißen und in die Abfallbox zu bugsieren … Wenn er mich so richtig ärgern will, schleckt er Handläufe von Rolltreppen vor meinen Augen ab. Ich fühle mich bei ihm immer an „Feuchtgebiete“ von Charlotte Roche erinnert. Wie sie vertritt er ganz klar die Meinung: „Was uns nicht umbringt, macht uns nur härter!“ Er sieht sich persönlich als der beste Trainer meines Immunsystems und ist sich sicher: „Das ist Liebe!“

Auf Kabaretttour war ich dagegen an den Bühnen die letzten Jahre „virenvernichtend“ unterwegs: Es fehlte eigentlich nur noch, dass ich mit Sauerstoffmaske und einer Art Teleskop-Unkraut-Abflammgerät bewaffnet die Theatergarderobe vorm Betreten von allen Viren befreie – indem ich sie einfach gleich mit Hilfe eines Flammenwerfers dem Erdboden gleichmache. Also, ehrlich: Den ganzen Hygienezirkus habe ich akribisch und höchstprofessionell durchgezogen. Der Schnelltestberg, den mein Mann und ich allein erzeugten, dürfte größentechnisch Richtung Mount Everest gehen. Bis zur Pandemie hatte ich dagegen tatsächlich gefühlt eine sehr gute Umweltbilanz. Auch die enorm gewachsene Umweltverschmutzung macht mich oft unendlich traurig.

Mein coronaler Höhepunkt kam am ersten Weihnachtsfest 2020: Die Familie war mit Hilfe eines transparenten Duschvorhangs, der mit Paketband eingeklebt in einem Türrahmen baumelte, in zwei Teile gesplittet. Die Eltern saßen im Wohnzimmer vorm Baum, die erwachsenen Kinder im Flur neben einem mit Christbaumspitze geschmückten kleinen Ficus Benjamini. Zusammen haben wir dann den Weihnachtshit „Feliz Navidad“ umgetextet und lauthals angestimmt:
„Covid Navidad,
Covid Navidad,
Covid Navidad,
Was haben wir diese Scheiße satt!“

Das ist auch eine virale Realität im deutschen Privathaushalt, wo nicht nur ein Familienmitglied ein Schisser ist, sondern das Schisser-Gen dominant vererbt wird.

Erst seit diesem Sommer sehe ich nun meine Leute wieder regelmäßiger, da fast alle „Verschieber“, so nennen wir Künstler die ausgefallenen Auftritte, endlich nachgeholt sind. Und prompt: Nach über 2,5 Jahren bekam auch ich als Letzte im ganzen Freundeskreis dann endlich mal Corona. Mein Mann meinte erleichtert, als der zweite Strich erschien: „Na endlich! Ich hab’ mir schon Sorgen gemacht!“ Der Scherzkeks!

Da ich eine durchgeimpfte und mit BioNTech kreuzgeboosterte Moderna-Frau bin, ging das „easy“ vonstatten. Wenngleich es mich prompt im Urlaub abgeholt hat. Ein exzellentes Timing also, da kein Bühnenauftritt anstand. Logisch, dass mein Mann, der Corona bereits zweimal hatte, vor mir als Virenschleuder kein Reißaus nahm, sondern den Inhalator reichte. Und das Taschentuch fair mit mir teilte.

Was soll ich sagen: Ich bin schon erleichtert, es jetzt mal durchgestanden zu haben. „Vorsicht“ haben wir viel gehört in den letzten Jahren. Für das Glück brauchen wir aber auch wieder ein wenig Leichtsinn im Leben. Ja, Leichtsinn! Mit der schönen Wortherkunft: „leichten Sinnes sein“. Und so habe ich jüngst übermütig eine Eintrittskarte für einen Clubabend zum Tanzen gebucht. Ende Dezember, sobald mein letzter Auftritt in 2022 rum ist, werde ich bei sehr lauter Musik in meinem Lieblingsclub tanzen. Und zwar: Tanzen bis zum Morgengrauen!!! Das erste Mal nach 34 Monaten. Sie können sich nicht vorstellen, was das für ein Fest für mich werden wird …

Und so möchte ich allen, die wie ich Schisser sind und womöglich auch eine Vorerkrankung ihr Eigen nennen dürfen, zurufen: „Ihr seid nicht allein! Wir schlagen uns weiter wacker und mit Mut durch diese Zeiten. Es wird schon nicht so schlimm werden. Haltet durch, meine Freunde im Geiste! Und wisset: Das Beste, was dir morgens passieren kann ist, du wachst auf und bist gesund. Mach was aus dem Rest!“

Abschließend: Um die gute Laune wiederzufinden, biete ich Ihnen gleich zwei Möglichkeiten an! Die eine ist kostenfrei und digital und damit perfekt für die ganz großen Angsthäschen: Mit meinem Kabarett-Kollegen Philipp Weber veröffentliche ich alle paar Wochen einen Videopodcast auf YouTube, der unseren Fans die Höhepunkte auf Tour näherbringt und einen kleinen Lichtblick in diesen trüben Zeiten darstellt:
>>> Hier geht's zum PODCAST

Die andere kostet ein bisschen was: Am 26. November trete ich in Wertheim beim Kunstverein Convenartis auf. Mit dem Kauf einer Karte sorgen Sie auch gleichzeitig gesundheitlich vor: und zwar ganz klar „mentaler“ Natur! Denn den Humor nicht zu verlieren, ist gerade die beste Vorsorge, die sich überhaupt treffen lässt. Kommen Sie trotzdem.
Samstag, 26. November 2022, 20 Uhr
Convenartis, Mühlenstr. 23, 97877 Wertheim

Karten online: www.convenartis.de
Kabarettistin: Inka Meyer

Autor:

Inka Meyer aus Amorbach

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