Rotwein, Geflügel und Autoreifen
Gänsebraten zum zweiten Advent
Die Verkündung
Stefanie Baronin von Sachsen,
zart wie Seide,
hart wie Krupp Stahl
steht da, mitten in der Küche,
und sieht ihrem Gatten ins Gesicht.
„Gerardus,“ sagt sie mit Engelsgeduld,
heute kochen wir zusammen.”
“Keine Spaghetti. Keine Carbonara.
Wir machen Gänsebraten. Wie Erwachsene.“
Der Baron, in seinen Hausschuhen,
die aussehen wie sterbende Otter,
nickt ernst. „Ja, Schatz. Gans. Großartig.“
In seiner rechten Hand: ein Weinglas.
Halbvoll. Noch.
Die Mission beginnt
„Das ist kein Abenteuer,“ faucht Stefanie,
als Gerardus die Gans hochhält,
wie ein Gladiator einen Löwen.
„Schneid das Fett ab,
und hör auf, so zu grinsen!“
„Ich grinse nicht,“ lallt der Baron,
schon leicht benebelt vom ersten Liter Rotwein.
„Ich respektiere nur die Gans.
Sie ist ein edles Tier,
so stolz, so erhaben,
und jetzt wird sie köstlich.“
Die Gans rutscht ihm aus der Hand.
Platsch.
Sie landet in Stefanies frisch geschrubbtem Waschbecken.
„Gerardus!“ ruft sie.
„Das ist keine verdammte Kunstinstallation!“
„Ich… ich wollte nur…“
Er hebt die Gans auf.
Irgendwas tropft.
Vielleicht Wasser. Vielleicht Gänsefett. Vielleicht Rotwein.
„Schatz, ich mach das! Ich bin ein Küchenchef!“
Das Würz-Desaster
„Du würzt die Gans mit FÜNF GEWÜRZEN!“
Stefanies Stimme hat die Schärfe eines Samurai-Schwerts.
„Fünf. Nicht zehn. Nicht zwanzig. FÜNF.“
Gerardus, jetzt schon im Flow,
streut Zimt.
Dann Pfeffer.
Dann… Muskat?
„Was ist das für’n Chaos?“ fragt Stefanie,
als sie sieht, wie er großzügig Curry darüber schüttet.
„Fusion-Küche,“ sagt Gerardus,
und kippt einen weiteren Schuss Rotwein in sein Glas.
„Ich bring die Welten zusammen, Baby.“
Die Gans sieht aus,
als hätte sie eine Nah-Tod-Erfahrung
in einem indischen Gewürzladen gemacht.
Das Hitze-Debakel
„Ofen vorheizen!“ bellt Stefanie.
„180 Grad. Umluft.“
Gerardus starrt den Ofen an.
„Wie geht das?“
„DU HAST STUDIERT“
„Musik und Literatur.“
„VERDAMMT NOCH MAL!“
Die Baronin schiebt die Gans in den Ofen.
Gerardus versucht, hilfreich zu wirken,
indem er sich an der Sauce vergreift.
„Mehr Rotwein,“ murmelt er,
„die braucht Charakter.“
Die Küche brennt
Nach 45 Minuten riecht es…
interessant.
Stefanie reißt den Ofen auf.
Die Gans hat die Farbe
einer Autoreifenfabrik in Flammen.
„Hast du die Temperatur geändert?“
"Full Power plus Grill!"
„Ich dachte, sie braucht Hitze.“
„Gerardus, es ist ein Gänsebraten,
kein verdammter Raketenstart!“
In der Zwischenzeit hat der Baron
die Sauce „veredelt.“
Sie ist jetzt mehr Wein als alles andere.
Stefanie probiert.
Sie spuckt Feuer.
„Das ist keine Sauce, das ist Selbstmord in flüssiger Form.“
Die Kapitulation
Stefanie sinkt auf den Küchenstuhl.
„Gerardus, ich bin verzweifelt.“
Er reicht ihr ein Glas Wein.
„Aber mit Stil, mein Engel.“
Die beiden sitzen da,
umgeben von Chaos.
Die Gans ruht, verkohlt,
wie ein Mahnmal für gebrochene Ambitionen.
Gerardus zückt sein Handy.
„Pizza?“ fragt er.
Stefanie nickt.
„Mach doppelt Käse.“
Der zweite Advent endet
Die Pizza kommt.
Die Gans wird begraben,
mit einer feierlichen Schweigeminute.
Im Garten.
„Wir haben’s versucht,“ sagt Gerardus.
Stefanie stößt mit ihm an.
„Nie wieder.“
Der Baron lacht.
„Nie wieder zusammen. Du machst das so gut allein.“
Die Baronin lacht.
Und irgendwo, in der Ferne,
schnattert eine Gans...
Autor:Gerardus Wilhelmus Theodorus Cornielje Baron von Sachsen aus Wertheim |
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